Koblenz

Der Islam – mehr als nur eine Religion?

Ihr Ton hat in den vergangenen Monaten an Schärfe gewonnen. Die Islamkritikerin Necla Kelek war schon vor Thilo Sarrazin der Meinung, dass Deutschland sich abschafft, wenn es einem im Alltag orthodox ausgelebten Islam nicht endlich Einhalt gebietet. Seit sie aber das Buch des Ex-Bundesbankers in Berlin vorstellte, füllt sie wie er landauf, landab die Vortragssäle.

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Koblenz. Ihr Ton hat in den vergangenen Monaten an Schärfe gewonnen. Die Islamkritikerin Necla Kelek war schon vor Thilo Sarrazin der Meinung, dass Deutschland sich abschafft, wenn es einem im Alltag orthodox ausgelebten Islam nicht endlich Einhalt gebietet. Seit sie aber das Buch des Ex-Bundesbankers in Berlin vorstellte, füllt sie wie er landauf, landab die Vortragssäle.

„Welchen Islam verträgt Deutschland?“, fragte die Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung jetzt im Koblenzer Hotel „Diehl's“. Necla Kelek hat darauf eine klare Antwort – während Politiker und Migrationsforscher noch immer wenig begriffen hätten, wie sie kritisiert.

Die Stimmung ist spürbar aufgeheizt, es gibt Zwischenrufe, der Islam ist ein Reizthema. Weit hinten im Saal sitzt ein Palästinenser, ein Muslim mit seinem 20-jährigen Sohn, den er mitgebracht hat, „weil solche Veranstaltungen doch wichtig sind für seine Bildung“, wie der Vater sagt. Die Mehrheitsverhältnisse im Saal wie auf der Bühne sind schnell geklärt: Moderatorin ist die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner, die Kelek das Wort redet. Vito Contento als Vertreter der Migranten im Land hat bei dieser wortgewandten Übermacht das Nachsehen.

Kelek sagt, dass der Islam zu einer Herausforderung der europäischen Gesellschaften geworden ist, weil er für viele Muslime mehr ist als eine Religion. Er sei für viele eine Weltanschauung, verknüpft mit einem Menschenbild, das der hiesigen Demokratie und Werteordnung widerspreche. Für die promovierte Soziologin ist die Debatte in Deutschland auch Ausdruck einer Verunsicherung in der Frage, welche Werte Europa denn eigentlich zusammenhalten. Kelek kann sie klar benennen, während viele Deutsche, so ihre Kritik, ein Problem damit hätten: Individuelle Freiheit und Unversehrtheit, ein verlässlicher Rechtsstaat, eine säkulare Kultur, die sich auf die Aufklärung und ihren Statut des selbstverantwortlichen Denkens und Handels beruft, sind für sie etwas „sehr Wertvolles, das es zu verteidigen gilt“. Die soziale Realität vieler Muslime sei jedoch eine andere: Ihr Alltag in Deutschland sei von Ghettoisierung, Zuwanderung in die Sozialsysteme und der Unterdrückung der Frauen geprägt.

Der junge Muslim hört so etwas scheinbar zum ersten Mal. „Ich weiß nicht, was das Problem ist. Ich habe deutsche Freunde. Ich lebe hier ganz normal“, sagt er später. Jetzt muss er erst mal kurz nach draußen, frische Luft schnappen.

Im Saal herrscht inzwischen wahrlich dicke Luft. Tosender Beifall brandet auf, als Kelek das Integrationskonzept der Stadt Frankfurt, das auf Kulturrelativismus beruhe, als völlig nutzlos bezeichnet. Vito Contento findet mit seinem Einwand, dass Keleks Kritik an den Muslimen nur ein Teil der Wahrheit sei, kaum noch Gehör. Auch seine Feststellung, dass das Integrationskonzept der Stadt Koblenz das Grundgesetz als Basis aller Integration festschreibt, kann kaum besänftigen.

„Aber was wird denn getan, wenn jemand sich nicht daran hält?“, hakt Julia Klöckner nach. Die Handreichung der Landesregierung für Lehrer, nach der diese die Begleitung muslimischer Mädchen auf Klassenfahrten durch ein Familienmitglied in Erwägung ziehen sollten, kommt für sie einer Kapitulation vor patriarchalen Strukturen gleich. „Wenn mein Bruder mit auf Klassenfahrt gekommen wäre, hätte ich damals weit weniger Spaß gehabt“, sagt sie und hat die Lacher auf ihrer Seite. Manche Gesichter allerdings bleiben ernst.

Neben dem jungen Mann, der noch immer draußen ist, sind noch mehr Muslime im Saal. Das war vor Jahren noch anders, als Kelek in Mainz mit ganz ähnlichen Thesen auftrat. Ein Zeichen dafür, dass Muslime endlich mitreden wollen, wenn über sie gesprochen wird?

Für Kelek wäre das ein großer Erfolg der Debatte. Denn eines stellt sie in Koblenz auch klar: Sarrazins „Darwinismus“ sei ihre Sache nicht, sie wolle gemeinsam mit den säkularen Muslimen im Land einen Islam ermöglichen, der ein Leben in Freiheit bei gleichzeitiger Spiritualität ermöglicht. „Dafür müssen wir säkularen Muslime kämpfen“, entgegnet sie einem aufgebrachten türkischen Lehrer, der sich von ihren Worten beleidigt sieht. Für den jungen Muslim, der inzwischen wieder auf seinem Platz sitzt, steht fest, „dass ich einen solchen Basar nie wieder besuche“. „Wo ist eigentlich das Problem?“, fragt er immer noch. Man habe nur mit dem Finger auf d i e Muslime gezeigt. Und einen solchen Islam, wie Kelek ihn beschrieben hat, kenne er einfach nicht.

Von unserer Redakteurin Rena Lehmann