Spay

Nach der Pleite: Eine Schlecker-Frau wagt den Neuanfang

Die Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker war für sie die Chance für einen Neustart: Mirella Greco (39) ist jetzt stolze Ladenbesitzerin. In der Mittelrhein-Gemeinde Spay hat sie ihr eigenes Geschäft eröffnet – in einer ehemaligen Schlecker-Filiale.
Die Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker war für sie die Chance für einen Neustart: Mirella Greco (39) ist jetzt stolze Ladenbesitzerin. In der Mittelrhein-Gemeinde Spay hat sie ihr eigenes Geschäft eröffnet – in einer ehemaligen Schlecker-Filiale. Foto: Benjamin Stöß

Die Kundin, sie ist schon etwas älter, braucht Batterien für ihre Taschenlampe. Die hat sie gleich mitgebracht in das kleine Geschäft an der Mainzer Straße in Spay (Kreis Mayen-Koblenz). Sie weiß nicht so genau, welche Größe sie braucht. Mirella Greco tritt vor die Theke und nimmt der Frau die Lampe aus der Hand.

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Sie geht zum Regal und fischt die richtigen Batterien herunter. „Können Sie die nicht austauschen?“, fragt die alte Dame. Greco kann. Behutsam schraubt sie die Lampe auseinander, während ihre Kundin noch eine Runde durch den Laden dreht. Schließlich braucht sie noch Quark. Und Kekse. Und Salz. Der Laden war einmal ein Schlecker- Markt. Mirella Greco war einmal eine Schlecker-Frau. Ihre Geschichte ist eine von denen, die gut ausgegangen sind in diesem Jahr, in dem die Pleite der Drogeriemarktkette bundesweit 25 000 Menschen den Job gekostet hat. Sie beginnt lange vor dem großen Abverkauf im Sommer 2012 – im November 2011. Schon damals ist Schlecker in Schwierigkeiten und schließt Hunderte Filialen in der ganzen Republik. Der Markt in Spay, in dem Mirella Greco arbeitet, ist eine davon.

Die Pleite geahnt

Die 39-Jährige wird in das nur wenige Kilometer entfernte Waldesch versetzt. Die gelernte Zahntechnikerin, die nach der Geburt ihres Sohnes vor sieben Jahren „irgendwie bei Schlecker reingerutscht ist“, hat gern für die Drogeriemarktkette gearbeitet. Dass sie – wie bei Schlecker üblich – die meiste Zeit allein im Laden stand, hat ihr nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil: „Ich mochte die Verantwortung“, sagt sie. Doch schon damals wird ihr klar, dass sie bei Schlecker keine große Zukunft haben wird. Sie soll recht behalten: Im Januar 2012 meldet Schlecker Insolvenz an. Knapp zwei Monate später wird der Markt in Waldesch geschlossen. Mirella Greco hat da längst andere Pläne: Schon vor der Insolvenz bereitet sie mit einer Kollegin den Weg in die Selbstständigkeit vor. In der ehemaligen Schlecker-Filiale in Spay wollen die beiden ihren eigenen Laden eröffnen. Greco bittet die Arbeitsagentur um Unterstützung – und bekommt sie auch: Sie darf ihre alte Stelle kündigen und ihr Geschäft planen, bekommt aber trotzdem Arbeitslosengeld. „Die Leute von der Agentur waren wirklich sehr entgegenkommend“ erzählt Greco jetzt, während sie einem Kunden frische Brötchen in die Tüte packt. Aber es gibt auch Rückschläge: Ihrer Kollegin ist der Schritt in die Selbstständigkeit doch zu heikel. Sie springt ab. Für Mirella Greco ist gerade in dieser Zeit die Unterstützung ihrer Familie sehr wichtig. Die steht hinter ihr – bis heute: Ihr Lebensgefährte hilft Greco jetzt morgens beim Einräumen des Gemüseregals und macht dann den gemeinsamen Sohn für die Schule fertig. Sein Vater kümmert sich um Papiere und Rechnungen, seine Mutter um den Siebenjährigen, wenn er aus der Schule kommt.

Mehr als bloß Drogerieartikel

Seit Oktober hat Mirella Greco nun ihren eigenen Laden. Einen, in dem es mehr gibt als bloß Drogerieartikel. In den Regalen finden die Menschen alles, was sie zum Leben brauchen: frische Milch, Obst und Gemüse, Hustenbonbons und Schokokekse, Katzenfutter und Getränke. Hinter der Theke gibt es frische Brötchen und auch die Wurst dazu. Pendler bekommen dort schon morgens um 7 Uhr ihren Kaffee zum Mitnehmen, Rentner können ihre Lieblingsrätselzeitschrift bestellen. Noch bekommt Mirella Greco einen Existenzgründerzuschuss von der Arbeitsagentur. Das sind 300 Euro monatlich als Beitrag zur Sozialversicherung und das Arbeitslosengeld. Im kommenden März laufen die Zuschüsse aus. Spätestens dann muss Mirella Greco auf eigenen Füßen stehen. Doch die dunkelhaarige Frau mit dem offenen Lachen ist zuversichtlich: Die Menschen kommen zu ihr in das kleine Geschäft. An guten Tagen sind es 140 Kunden, an den weniger guten 80. Das entspricht noch nicht ganz den Zahlen, die sie erreichen muss, damit der Laden sich komplett trägt. „Aber ich kann meine Rechnungen bezahlen. Ich habe keine unruhigen Nächte“, sagt Greco. Eine Aushilfe auf 400- Euro-Basis kann sie sich im Moment auch noch leisten. Und überhaupt: Ums große Geld ging es der 39-Jährigen nie. „Klar muss sich der Laden tragen“, sagt sie. Die Hauptsache aber ist, dass sie wieder eine Arbeit hat, die ihr Spaß macht. Eine mit Verantwortung. „Und wenn dann am Ende noch ein bisschen was übrig bleibt, ist es noch schöner.“

Von unserer Redakteurin Angela Kauer