Kommentar: Wahl wird zu einem Referendum über den Trumpismus

Von Thomas Spang
Unser USA-Korrespondent Thomas Spang kommentiert
Unser USA-Korrespondent Thomas Spang kommentiert Foto: Archiv

Eine außer Kontrolle geratene Pandemie mit täglich mehr als 1000 Toten, die Sorge um Gewalt in einer tief gespaltenen Gesellschaft und dann auch noch ein Amtsinhaber, der sich nicht auf einen friedlichen Machtwechsel festlegt – das sind keine normalen Zeiten, kein normaler Präsident und keine normalen Wahlen. Die Amerikaner spüren, dass sie bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen an diesem Dienstag vor einer historischen Entscheidung stehen. Dabei lässt sich Leidenschaft auf beiden Seiten feststellen.

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Donald Trumps Fans preisen ihn für seine Steuerreform, die mit Konservativen gefüllten Richterbänke, die knallharte Politik gegen Asylbewerber, Einwanderer und Reisende aus islamischen Ländern. Sie applaudieren ihm für seinen Rückzug aus internationalen Organisationen wie dem Atomvertrag mit dem Iran und dem Pariser Klimaschutzabkommen.

Und sie begrüßen den Protektionismus im Handel. Joe Biden verkörpert für seine Anhänger das Versprechen einer Rückkehr zur Normalität. Der ehemalige Vizepräsident Barack Obamas verspricht, Anstand, Vernunft und Wahrheit zurück ins Weiße Haus zu bringen.

Auf ihm ruhen die Hoffnungen der Frauen in den Vorstädten, der Rentner und Minderheiten, aber auch der jungen Amerikaner, die Pandemie endlich unter Kontrolle zu bekommen. Sie trauen ihm eher zu, den strukturellen Rassismus zu überwinden, das Klima zu retten und die USA in die westliche Wertegemeinschaft zurückzuführen.

Bei diesen Wahlen geht es deshalb um mehr als um Programme. Dieser 3. November ist ein Referendum über den Trumpismus, der amerikanische Werte pervertiert hat. Für Europa steht die Nato und das transatlantische Verhältnis auf dem Spiel, das der Amtsinhaber zerrüttet hat. Die Umdeutung von Fakten, Trumps methodisches Lügen und seine Angriffe auf die Medien lassen für eine zweite Amtszeit Schlimmes erwarten.

Gänzlich unamerikanisch ist sein Hofieren von Autokraten, die Unterminierung demokratischer Institutionen, die Kriminalisierung politischer Gegner, die Hetze gegen Minderheiten und der offene Rassismus. Gefährlich ist, wie er vorhandene Gräben in der Gesellschaft vertieft und Gewalt schürt. Die Pandemie hat den Blick der Amerikaner für die Defizite des Präsidenten geschärft. Mit der totalen Kapitulation vor der Pandemie versagte Trump bei der Erfüllung seiner vordersten Pflicht: für die Sicherheit der Bürger zu sorgen.

Über all das werden die Wähler abstimmen. Mit der Erfahrung der vergangenen vier Jahre steht außer Frage, dass eine weitere Amtszeit Trumps im Weißen Haus die Vereinigten Staaten bis zur Unkenntlichkeit verändern wird. Die Alternative könnte an diesem 3. November nicht klarer sein. Entweder besiegeln die Wähler den Marsch in eine düstere Zukunft oder sie nutzen die Chance, als Nation zu gesunden: von Covid-19 und dem Trumpismus.

E-Mail: thomas.spang@rhein-zeitung.net