Berlin

Koalition feiert sich nur ein bisschen

Koalitionsgipfel
Bundeskanzlerin Merkel, der bayerische Ministerpräsident Seehofer und Wirtschaftsminister Rösler nach dem Treffen der Koalitionsspitzen. Foto: Maurizio Gambarini

Der Laune von Christian Lindner nach zu urteilen hat die FDP einen außerordentlich erfolgreichen Sonntagabend erlebt. Von schönen Erfolgen im Koalitionspoker sprach der Generalsekretär, von Steuergerechtigkeit mit liberaler Handschrift. Doch hinter den Kulissen beklagen prominente Parteifreunde Lindners bitter, dass beim Kuhhandel im Kanzleramt für die FDP wenig herausgekommen sei.

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Berlin – Der Laune von Christian Lindner nach zu urteilen hat die FDP einen außerordentlich erfolgreichen Sonntagabend erlebt. Von schönen Erfolgen im Koalitionspoker sprach der Generalsekretär, von Steuergerechtigkeit mit liberaler Handschrift. Doch hinter den Kulissen beklagen prominente Parteifreunde Lindners bitter, dass beim Kuhhandel im Kanzleramt für die FDP wenig herausgekommen sei.

Denn das schwarz-gelbe Modell für mehr Steuergerechtigkeit könnte im Bundesrat von der Opposition beerdigt werden. Die Union – allen voran der notorisch knauserige Finanzminister Wolfgang Schäuble – könnte damit leben, die schwer angeschlagene FDP weniger. SPD-Chef Sigmar Gabriel spielte am Montag genüsslich auf diese Konstellation an: „Herr Schäuble kann sich auf uns verlassen!“ Legt Schwarz-Gelb aber weiteres Geld auf den Tisch, werden auch Gabriel und die rot-grün geführten Länder vielleicht noch schwach.

FDP-Chef Philipp Rösler stehen so oder so unruhige Wochen bevor. Am nächsten Wochenende wartet auf ihn die Konfrontation mit den „Euro-Rebellen“ beim Sonderparteitag in Frankfurt. Mitte Dezember wird das Ergebnis des Mitgliederentscheids über die Euro-Politik verkündet. Sollte Rösler wider Erwarten verlieren, stünde die Partei vor einer echten Zerreißprobe.

Zudem wächst mit jeder Umfrage die Zukunftsangst bei Bundestagsabgeordneten und in den Landesverbänden. Die sächsische FDP hält den Steuerkompromiss für viel zu schwach; sie hätte am liebsten den „Soli“ abgeschafft oder reduziert, weil das der Bund allein gekonnt hätte. Kritisch sehen einige auch den von Rösler und Gesundheitsminister Daniel Bahr eingefädelten Handel, das neue Riester-Modell bei der Pflege (FDP: „Pflege-Bahr“) gegen die Zustimmung zum Betreuungsgeld der CSU zu tauschen.

Intern heftigen Gegenwind bekommt Rösler aus dem hohen Norden. Der Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki will dort bei der Landtagswahl im Mai die FDP „aus dem Verschiss“ und ein zweistelliges Ergebnis holen. Kubicki profiliert sich schon jetzt auf Kosten der Parteispitze. Die jungen Gesichter von Rösler (38) und Lindner (32) strahlten in der Euro-Schuldenkrise für viele Bürger wohl zu wenig Sicherheit aus. Das erkläre auch den wachsenden Einfluss von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle (66): „Wir wünschen uns in schwierigen Lebenssituationen Menschen mit Lebenserfahrung, mit einer inneren Ruhe und Gelassenheit“, meinte der 59-jährige Kubicki.

Aus der CDU gab es eher nüchtern-zurückhaltende Bewertungen der Verhandlungen im Kanzleramt. Es sei ein „gut austarierter Kompromiss“. Für jeden im schwarz-gelben Bündnis sei etwas dabei, „aber es ist für niemanden ein Triumph“.

Aus dem Süden kamen ebenfalls eher leise Töne der Genugtuung – obwohl sich CSU-Chef Horst Seehofer mit seinem Lieblingsprojekt Betreuungsgeld gegen die FDP durchgesetzt und die FDP-Kernforderung nach einer obligatorischen privaten Zwangsversicherung für die Pflege verhindert hatte. Dafür musste der Bayer bei der Steuerreform zurückrudern – das von ihm mit Pauken und Trompeten abgelehnte Schäuble-Rösler-Konzept soll nun doch umgesetzt werden.

Für Angela Merkel dürfte der Koalitionsfrieden nur eine kurze Zeit zum Durchatmen bringen. Anfang kommender Woche fährt die CDU-Chefin zu einem Parteitag mit viel Zündstoff. Der Streit über die Zukunft der Hauptschule ist zwar entschärft, doch der Vorstoß zum flächendeckenden Mindestlohn und die Griechenland-Hilfen sorgen für große Unruhe an der Basis.

Von Tim Braune und Jörg Blank