Gotthard-Tunnel öffnet: Sorge vor Lärm
Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube betont: Der Neubau „stärkt den wichtigsten europäischen Güterverkehrskorridor von den Nordseehäfen an die italienische Küste“. Auf diesem Korridor sind pro Jahr mehr als eine Milliarde Tonnen Fracht unterwegs. In Prognosen wird mit einer Verdoppelung bis zum Jahr 2030 gerechnet.
Ab 2020 könnten viel mehr Züge in Deutschland rollen
Allerdings ist die neue Gotthard-Strecke nur der erste Schritt auf dem Weg, mehr von diesen Gütermassen von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Denn es fehlen noch leistungsfähige Zubringerstrecken in Italien, der Schweiz und nicht zuletzt in Deutschland. Als wichtiges Verbindungsstück nach Süden ist auf Schweizer Gebiet der 15 Kilometer lange Ceneri-Tunnel im Bau. Er soll 2020 betriebsbereit sein.
Deutlich länger wird es dauern, bis die 182 Kilometer lange deutsche Zubringerstrecke Karlsruhe-Basel (Rheintalbahn) komplett ausgebaut ist, über die fast der gesamte Güterverkehr aus dem Norden in die Schweiz kommt. Frühestens 2035, so der jetzige Stand, wird der Abschnitt viergleisig befahrbar sein. „In Deutschland sind die Planungen nicht erreicht worden, wir sind mit dem eigenen Zeitplan in Verzug“, stellt der Ministerialdirigent im Wiener Bundesverkehrsministerium, Hugo Gratza, fest. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) betont allerdings, dass die Rheintalbahn das mit Abstand größte Ausbauprojekt im neuen Bundesverkehrswegeplan 2030 ist. „Mehrere Abschnitte wurden fertiggestellt oder sind im Bau.“
Mittelfristig werden also wohl mehr Züge durchs Rheintal donnern. Der Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises, Burkhard Albers, rechnet mit einer Zunahme um 30 Prozent. Das rheinland-pfälzische Verkehrsministerium kann diese Prognose nicht bestätigen und verweist auf die noch anstehenden Ausbaumaßnahmen. „Entscheidend für die theoretisch mögliche Zahl der Güterzüge ist die Kapazität der Gleisstrecke.“ Hinzu komme, dass der Güterverkehr stark von der Konjunktur abhängig ist. Die Bahnbetreiber planen deshalb eher kurzfristig, langfristige Vorhersagen seien so „nur äußerst schwer möglich“.
Land will alternative Güterstrecke
Aus Sicht des Landes ist aber eine alternative Güterzugstrecke zur Entlastung des Mittelrheintals „unabdingbar“. Im Gespräch ist eine Verbindung von Mainz-Bischofsheim nach Troisdorf. „Rheinland-Pfalz erwartet, dass in den weiteren vereinbarten Gesprächen zu dem Projekt zwischen den beteiligten Ländern und dem Bund Möglichkeiten gefunden werden, die alternative Güterzugstrecke noch in den vordringlichen Bedarf aufzunehmen“, heißt es in Mainz.
Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz fordert eine Alternativtrasse. „Mit der Inbetriebnahme des Gotthard-Tunnels im Dezember wächst der Druck, den Schienengüterverkehr über eine leistungsfähige Umfahrung am Mittelrheintal vorbeizubewegen.“ Schon jetzt leide neben den Anwohnern die gesamte regionalwirtschaftliche Entwicklung des Tals unter dem Bahnlärm.
Das Mainzer Verkehrsministerium betont, das Land unterstütze auch Lösungen, die kurzfristiger zur Lärmminderung beitragen. Dazu gehört die Umrüstung von Güterwagen auf lärmarme Bremsen. Ab Ende 2016 soll die Hälfte der in Deutschland eingesetzten Güterwagen entsprechend umgerüstet sein. Ab Ende 2020 dürfen dann „auf Grundlage eines noch zu schaffenden Gesetzes“ keine lauten Güterwagen mehr in Deutschland eingesetzt werden. Zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen an den beiden Strecken im Tal sollen „rasch umgesetzt“, die vom Bund angekündigte Nachsanierung bereits lärmsanierter Streckenabschnitte aufgrund verschärfter Grenzwerte „alsbald begonnen“ werden.