Flüchtlingspolitik: Ist das das Ende von Schengen?

Symbolbil.
Symbolbil. Foto: dpa

Jene Flüchtlinge, die per Zug zu Tausenden durch Ungarn und Österreich hindurch direkt nach München gereist sind, haben bei den Menschen in Bayern eine herzliche Aufnahme gefunden – zugleich aber hektische diplomatische Aktivitäten zwischen Berlin, Wien und Budapest ausgelöst. Denn damit sind offenkundig zwei weitere Länder zu jenen hinzugestoßen, denen schon seit Langem vorgeworfen wird, sich über einschlägige EU-Verpflichtungen hinwegzusetzen: Griechenland und Italien.

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Nach dem sogenannten Dublin-Übereinkommen sollen Asylbewerber in dem Land registriert und betreut werden, in dem sie erstmals EU-Boden betreten. Nutzen Flüchtlinge die fehlenden Grenzkontrollen, um auch in Deutschland Schutz zu beantragen, können die Behörden die Erstaufnahmeländer auffordern, diese Menschen zurückzunehmen.

Im vergangenen Jahr verschickte Deutschland mehr als 35 000 derartiger „Ersuchen“, acht Jahre zuvor waren es noch weniger als 5000. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres geschah dies bereits mehr als 24 000-mal. Allerdings sind die Zahlen derer, die tatsächlich zurückgeschickt werden, erheblich niedriger. Im vergangenen Jahr standen etwa 9102 „Ersuchen“ an Italien nur 782 „Überstellungen“ gegenüber. Ungarn sollte nach deutschem Wunsch 3913 Flüchtlinge zurücknehmen, in Wirklichkeit waren es 178. Wegen der prekären Verhältnisse in Griechenland unternimmt Deutschland nicht einmal mehr den Versuch, Antragsteller nach Athen zu schicken. Grundlage ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2011.

Für Verwirrung sorgte eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, künftig Syrer grundsätzlich nicht mehr wegzuschicken. Daraufhin ließen Ungarn und Österreich Flüchtlinge vom Budapester Bahnhof aus ungehindert nach Deutschland reisen. Die Vizepräsidentin des EU-Parlamentes, die Österreicherin Ulrike Lunacek, meinte daraufhin: „Dublin ist tot – und das ist auch gut so.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, dass das Dublin-Verfahren weiterhin gelte. Das Auswärtige Amt versucht nachdrücklich, das den EU-Partnern klarzumachen. Immer mehr deutsche Politiker verweisen darauf, dass ein Ende von Dublin auf ein Ende von Schengen hinauslaufe. Das bedeutet: Nur wenn die klaren Regeln zum Umgang mit Flüchtlingen eingehalten werden, kann es auch bei den offenen Grenzen nach dem Vertrag von Schengen bleiben. Noch zögern auch CSU-Innenpolitiker, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen auf die Tagesordnung zu setzen. Doch die Unionsfraktion begrüßte die Ankündigung Italiens, an der Grenze zu Österreich zu kontrollieren.

Und Unionsvize Hans-Peter Friedrich erinnerte an die Erfahrungen aus den verstärkten Grenzkontrollen während des G 7-Gipfels, als den Fahndern viele Kriminelle ins Netz gingen: „Wir brauchen mobile Einheiten, die punktuell an den Grenzen ohne Vorankündigung kontrollieren können.“

Zeitlich begrenzt lässt der Schengen-Vertrag Grenzkontrollen zu, etwa bei Großveranstaltungen. Will ein Staat längere Zeit die offenen Grenzen einschränken, muss er das begründen, die EU einschalten und diese das intensiv beobachten. Friedrich kritisierte gleichzeitig, dass von Deutschland selbst momentan „viele missverständliche Signale“ ausgingen. „Im europäischen Ausland stößt auf Unverständnis, dass wir die Attraktivität Deutschlands für Asylbewerber erhöhen, beispielsweise durch die Einführung der Gesundheitskarte und die Auszahlung von Bargeld, und zugleich darüber klagen, dass wir nicht alle Flüchtlinge aufnehmen können“, erklärte der CSU-Politiker.