Berlin

Dieses Jahr sind noch mehr Pollen unterwegs

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So eingepackt, würde wohl gern mancher Allergiker derzeit der Natur begegnen: mit Schutzanzug und Feinstaubmaske sicher vor den Pollen. Hier zu sehen ist die beifußblättrige Ambrosia, die das weltweit stärkste Pollen-Allergen enthält. Biologen plädieren seit Jahren dafür, ihre weitere Ausbreitung zu verhindern. Foto: dpa

Rund 17 Millionen Menschen können sich hierzulande an blühenden Sträuchern und grünenden Bäumen so gar nicht erfreuen. Sie leiden an einer Pollenallergie, tränenden, juckenden Augen und laufender Nase -und das in diesem Jahr noch viel schlimmer als gewohnt.

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Berlin – Rund 17 Millionen Menschen können sich hierzulande an blühenden Sträuchern und grünenden Bäumen so gar nicht erfreuen. Sie leiden an einer Pollenallergie, tränenden, juckenden Augen und laufender Nase – und das in diesem Jahr noch viel schlimmer als gewohnt.

„Normalerweise fliegen Hasel- und Erlenpollen schon zwischen Weihnachten und Neujahr“, erklärt Allergologe Wolfgang Wehrmann im Gespräch mit unserer Zeitung. „Jetzt, durch den ungewöhnlich kalten und langen Winter, sind sie erst seit circa zwei Wochen in der Luft.“ – dafür aber in umso stärkerer Konzentration: „Die Bäume holen das quasi nach. Sie schütten jetzt das aus, was sie in einem warmen Winter schon im Dezember und Januar losgeworden wären.“

Alle zwei Jahre mehr Pollen

Hinzu kommt, dass manche Bäume alle zwei Jahre besonders viele Pollen produzieren. „Mastjahr“, nennen das die Experten. In diesem Jahr trifft das besonders auf die Birke zu.

„Bereits über viele Jahre zeigt sich ein Rhythmus, wonach jedes Jahr mit einer geraden Zahl mit einem erheblichen Baumpollenflug verbunden ist, in den darauf folgenden, ungeraden Jahren sind dagegen deutlich weniger Baumpollen in der Luft vorzufinden“, beschreibt Horst Müsken von der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst das Phänomen. Die genauen Gründe für diese Erscheinung sind bislang nicht geklärt. Experten suchen die Erklärung vor allem in der Biologie. Sie vermuten, dass sich einige Bäume nach einem Jahr der starken Pollenproduktion im nächsten Jahr schlichtweg „erholen“ müssen.

Pollen fliegen länger

Erholen wird sich ein Großteil der Allergiker nicht so schnell können. Denn da die Pollen in diesem Jahr später losgeflogen sind, bleiben sie auch länger. Bis in den Hochsommer setzen die Bäume noch Pollen frei, gefolgt von Gräsern, Kräutern und Getreiden (siehe Pollenkalender unten).

Vor allem die in diesem Jahr so pollenreiche Birke macht nach den Beobachtungen der Experten immer mehr Allergikern zu schaffen. „Sie hat sich in den letzten Jahren zu einem der Leitallergene entwickelt“, erklärt Wolfgang Wehrmann. Auf ihre Pollen reagieren mittlerweile fast genauso viele Menschen allergisch, wie auf Gräserpollen.

Ob der Frühjahrsschnupfen auf eine Pollenallergie zurückzuführen ist oder nicht, ist gar nicht so einfach festzustellen. „Die klassischen Symp-tome sind juckende, tränende Augen, Niesreiz, eine laufende Nase und Atembeschwerden“, erklärt Wehrmann. Manchmal kommen Kopfschmerzen und Heiserkeit hinzu. „Das ist anfangs alles sehr leicht mit einem Infekt zu verwechseln.“ Als Allergie identifiziert ist die wichtigste Maßnahme für Pollengeplagte, die Allergieauslöser so weit wie möglich zu meiden. Von Allergiekarenz sprechen die Fachärzte in diesem Fall. „Das ist theoretisch das Beste, was Allergiker machen können“, erklärt Wehrmann. „Aber es ist praktisch unmöglich.“

Die Pollen austricksen

Mit ein paar Tricks lässt sich der Kontakt mit den lästigen Pollen aber deutlich verringern: So sollten die Fenster nachts entweder ganz geschlossen bleiben oder aber mit pollendichten Netzen versehen werden. Außerdem hilft es, sich jeden Abend zu duschen und die Haare zu waschen, um die Pollen vom Körper zu entfernen. Spaziergänge sind für Pollenallergiker nach Regengüssen, wenn die Pollen am Boden liegen, und bei Windstille am angenehmsten. Und generell gilt: In der Stadt ist der Pollenflug früh morgens am geringsten, auf dem Land fliegt am Abend nach 18 Uhr weniger durch die Luft.

Allen, die sich nicht zu Hause einigeln und ihren Tagesablauf nach der Wettervorhersage richten wollen, rät Mediziner Wehrmann zu einer frühzeitigen symptomatischen Behandlung. „Antihistaminika gibt es in der Apotheke als Nasenspray oder in Tablettenform sogar ohne Rezept zu kaufen“, sagt er. Hilft aber auch das nicht, sollte in jedem Fall ein Allergologe aufgesucht werden.

Der kann auch helfen, den Heuschnupfen endgültig loszuwerden: mit einer Hypersensibilisierung, bei der das Immunsystem des Körpers langsam an die allergieauslösenden Stoffe gewöhnt wird. In über 80 Prozent der Fälle sind die Patienten ihre lästige Pollenallergie danach los. Die Behandlung nimmt allerdings zwischen drei und fünf Jahren in Anspruch.