Berlin

Die Bischöfin der Herzen kehrt zurück

Frontfrau der Kirche: Margot Käßmann wird heute in ihr Amt als Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 eingeführt, auch weil die Kirche von ihrer Beliebtheit profitieren will.
Frontfrau der Kirche: Margot Käßmann wird heute in ihr Amt als Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 eingeführt, auch weil die Kirche von ihrer Beliebtheit profitieren will. Foto: DPA

Die Kirche rollt ihr den roten Teppich aus: In einem Festgottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wird Margot Käßmann heute in ihr neues Amt als Botschafterin für das 500-Jahre-Reformationsjubiläum 2017 eingeführt. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, wird der Theologin (53) das herausgehobene Amt übertragen.

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Der Wirbel ist nicht ohne Grund: Die Kirche will von der Popularität Käßmanns profitieren, die auch mehr als zwei Jahre nach ihrer Alkoholfahrt und dem Rückzug aus Spitzenämtern ungebrochen ist. An Käßmann sind in dem neu geschaffenen Amt große Erwartungen gerichtet: Öffentlichkeitswirksam soll sie für das Jubiläum werben und den Beitrag der Reformation zur Entwicklung von Kirche, Staat und Kultur veranschaulichen, erklärte die EKD.

Von der charismatischen Sympathieträgerin verspricht sich die evangelische Kirche die nötige Aufmerksamkeit für ihr wohl wichtigstes Ereignis seit Jahren. Außerdem soll Käßmann außerhalb der Kirche Sponsoren und ideelle Unterstützer für das Jubiläum und seinen Vorlauf gewinnen. Schon als die bundesweit beliebte und medienpräsente Bischöfin von Hannover und damalige EKD-Chefin zurücktrat, gab es schnell Rufe nach einer Rückkehr. Kirchenmitarbeiter riefen sie zu einer erneuten Kandidatur als Bischöfin auf, und auch ihr Nachfolger an der EKD-Spitze, Präses Schneider, betonte, dass Käßmann eine wichtige Stimme im deutschen Protestantismus bleiben solle. Auch für andere Ämter wurde sie zwischenzeitlich gehandelt – nach Horst Köhlers Rücktritt kurzzeitig sogar als mögliche Bundespräsidentin. Unterdessen nahm sich die Theologin eine Auszeit an einer US-Universität und übernahm dann eine einjährige Gastprofessur an der Uni Bochum.

Was aber macht das Phänomen Käßmann aus – dieser Frontfrau der Kirche mit einem gewissen Hang zur Selbstdarstellung? „Mit Integrität und missionarischer Begabung füllt sie wie weiland Martin Luther Kirchen und Vortragssäle und versucht, in den Menschen die Fackel evangelischer Frömmigkeit zu entzünden“, heißt es im Klappentext ihres jüngsten Buches. Größenwahnsinnig sei sie nicht, sagt Käßmann lachend zu dem Vergleich mit dem Reformator. Fakt aber ist: Viele ihrer inzwischen mehr als 80 Bücher landen auf Bestsellerlisten, ihre Auftritte ziehen Massen an.

„Sie scheint immer genau das zu treffen, was die Leute bewegt, und das auf eine sehr zugewandte Art“, sagte vor Kurzem die Lektorin eines anderen ihrer Bücher. „Sie redet nicht über die Leute hinweg, sie redet mit den Leuten“, meinte der Buchhändler neben ihrer langjährigen Predigtkirche in Hannover. Käßmann ist für die Menschen eine moralisch integre Instanz, die komplexe Sachverhalte einfach ausdrücken kann, charakterisierte sie der ehemalige EKD-Sprecher Christof Vetter.

Der Thesenanschlag des Reformators Martin Luther (1483-1546) gegen den Ablasshandel an die Schlosskirche in Wittenberg am 31. Oktober 1517 gilt als Beginn der weltweiten Reformation. Die Planungen für das Jubiläum laufen bereits seit Längerem, der Bund hat insgesamt rund 35 Millionen Euro an Unterstützung zugesichert, die unter anderem in die Sanierung des Schlosses in Wittenberg fließen sollen. Käßmanns neuer Amtssitz ist unterdessen in der EKD-Vertretung in Berlin. Ihr Büro dort ziert bereits eine ein Meter hohe Luther-Figur aus Plastik – sie war 2010 Teil einer umstrittenen Aktion der Kirche mit 800 der Figuren auf dem Wittenberger Marktplatz.

Von Michael Evers