Berlin

Käßmann: Luther wird keine Heldenfigur

Der Popstar der Protestanten kehrt zurück: Als Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 wird Margot Käßmann heute wieder in ein kirchliches Spitzenamt eingeführt. Die bekannte und beliebte Theologin (53) soll für das Jubiläum werben – und dabei die Bedeutung des Reformators Martin Luther in der Gegenwart darstellen. Dabei will sie auch kritische Töne anschlagen.

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Was ist Ihre Aufgabe als Luther-Botschafterin?

Zunächst einmal ist der offizielle Titel „Botschafterin für das Reformationsjubiläum“. Und das ist mir auch ganz wichtig, denn die Reformation geht über die Person Luthers weit hinaus und reicht bis heute. Es geht um eine Bewegung, die von Glaubensüberzeugungen her gesellschaftliche und kirchliche Reformen in Gang gesetzt hat, die sich bis heute in Form von Freiheit, Menschenrechten und Demokratie zeigen.

Was ist Ihr Auftrag bis 2017?

Der Rat der EKD wünscht sich, dass ich als Frau der Kirche das, was Reformation an Inhalten trägt, nach außen kommuniziere in Predigten, Vorträgen, schriftlichen Beiträgen und auch im ökumenischen Gespräch. Ich sehe mich also als Kommunikatorin für den Rat der EKD.

Am Ende der Reformation stand die Kirchenspaltung. Können sich Protestanten und Katholiken bei dem Jubiläum wieder näherkommen?

Die Punkte, bei denen Luther mit seiner eigenen Kirche gehadert hat, sind geblieben, Kirchenverständnis, Ablass, Papsttum, Amtsverständnis, Priestertum aller Getauften und natürlich die Differenzen im Sakramentsverständnis. Das können wir nicht überspringen. Aber es ist das erste große Jubiläum nach diesem 20. Jahrhundert der Ökumene, wenn man den Beginn mit der Missionskonferenz in Edinburgh 1910 ansetzt. Die Frage ist: Wie schaffen wir es, 2017 nicht eine Spaltung zu feiern, sondern das Jubiläum auch ökumenisch zu begehen? Ich sehe das schon als einen Balanceakt, aber ich bin überzeugt: Er kann und wird gelingen! Zum einen ist zwar klar, dass aus einer Kirche zwei geworden sind. Dabei sind die Kirchen der Reformation nicht eine neue, das ist uns Evangelischen wichtig, sondern gleichermaßen wie die römisch-katholische Erbin Teil der einen Kirche, die sich vor 500 Jahren in zwei verschiedene Wege aufgespalten hat. Aber heute würde jeder Protestant oder Katholik auch sagen, wir sind uns in dieser säkularen Welt näher als gegenüber den Religions- und Kirchenfernen. Wir müssen es schaffen, das Jubiläum ökumenisch auszurichten, nicht rückwärts zu denken, sondern vielmehr nach vorn, das sind für mich die beiden zentralen Aufgaben.

Wird es auch Platz für einen kritischen Blick auf Luther geben?

Ich werde nicht diejenige sein, die Luther zur Heldenfigur macht. Wenn wir die Jubiläen der Vergangenheit betrachten, ob 1883 oder auch 1917, sehen wir, dass Luther sehr stark zum Tröster, ja teilweise zum Retter der Deutschen stilisiert wurde. Bei einem Jubiläum nach dem Holocaust werden vor allem Luthers furchtbare Entgleisungen gegenüber den Juden mit ihrer fatalen Wirkung sehr kritisch zu betrachten sein.

Wie geht es persönlich weiter?

Ich freue mich auf jeden Fall auf eine langfristige Perspektive bis 2017 in einer neuen Aufgabe. Eine gute neue Herausforderung im alten Kontext! Ich denke, dass in den zwei Jahren genug Distanz gewachsen ist, um das in aller Freiheit wahrzunehmen. Für mich ist es ganz schön, wenn mal wieder Normalität eintritt. Ich habe das Büro in Hannover geräumt, dann das in Atlanta und das in Bochum, und jetzt ist es mal gut! Eine gewisse Normalität und eine langfristige Aufgabe sind schöne Perspektiven. Ich bin in Berlin gut angekommen. Das sind mehrere Städte in einem, habe ich den Eindruck. Ich entdecke immer noch Neues.

Die Fragen stellte Michael Evers