AOK-Report: Geringe OP-Erfahrung – hohes Risiko

Wer sich im Krankenhaus in die Obhut eines Arztes begibt, hofft auf die bestmögliche Versorgung. Die Zahlen des Wissenschaftlichen Dienstes der AOK sind allerdings ernüchternd.

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von Philipp Jacobs und Rena Lehmann

In deutschen Krankenhäusern gibt es jährlich rund 19 000 Todesfälle aufgrund von Behandlungsfehlern. Etwa 40 Prozent davon wären nach Einschätzung der Experten im Krankenhaus- Report 2014 vermeidbar. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt dagegen vor einer Verunsicherung der Patienten durch den Report.

„Nie hatten wir höhere Sicherheitsstandards in den Kliniken. Sie können sich im internationalen Vergleich sehen lassen“, sagt Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Die AOK-Experten kommen zu einem anderen Schluss: Gemessen an der Zahl der vollstationären Behandlungen in deutschen Krankenhäusern von 19 Millionen Fällen gehen zwar „nur“ 0,1 Prozent tödlich aus.

Dies sei allerdings ein trauriges, weil gleich bleibendes Niveau. Die größten Komplikationen treten laut Report bei der Medikation und der Hygiene auf. Aus den rund 19 Millionen stationären Krankenhausaufenthalten ergeben sich jährlich gut 50 Millionen Behandlungen, in denen operative Eingriffe vorgenommen wurden.

„Das Risiko ist dann besonders hoch, wenn es kompliziert wird und viele Menschen beteiligt sind“, sagt Forschungsleiter Max Geraedts. Der Mainzer Gesundheitsminister Alexander Schweitzer schlussfolgert, dass man „das notwendige Reformgesetz zur Qualitätsverbesserung in der gesundheitlichen Versorgung nicht auf die lange Bank schieben kann“.

Patientensicherheit müsse „sehr ernst“ genommen werden. Bei ihren Erhebungen greift die AOK indes nicht auf aktuelle Zahlen zu. Die Daten stammen vom Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) aus dem Jahr 2007.

Die Autoren des AOK-Reports werten die damalige Studie als ausreichend, um aktuelle Schlussfolgerungen zu ziehen.

Desinfektionsrate von nur 50 Prozent

In vielen Fällen ist eine falsche Arzneimittelgabe Ursache für Komplikationen. Doch vor allem gegen die Ansteckung mit gefährlichen Krankenhauskeimen könnte man etwas unternehmen. „Händedesinfektion wird nicht so häufig durchgeführt, wie es sein sollte“, sagt Geraedts. Laut Report liegt Deutschland in Bezug auf das Vorkommen von Krankenhauskeimen lediglich im „günstigen Mittelfeld“.

So erreichen manche Krankenhäuser nur eine Desinfektionsrate von 50 Prozent. Heißt: In nur fünf von zehn Fällen, in denen eine Desinfektion der Hände nötig war, wurde sie angewendet. Auch die Erfahrung der Ärzte schlägt sich im Krankenhaus-Report nieder. Je mehr Operationen in einem bestimmten Bereich in einem Haus durchgeführt werden, desto geringer ist das Risiko, dass etwas schiefgeht.

Beispiel Hüftgelenkersatz: Die Krankenhäuser, die die wenigsten Hüftgelenksoperationen durchführen, haben ein um 37,5 Prozent höheres Komplikationsrisiko als jene Krankenhäuser, die häufig operieren. „Das Überangebot bei bestimmten Indikationen nimmt zu“, kritisiert der geschäftsführende Vorstand des AOK-Bundesverbandes, Uwe Deh. Statt alle Operationen vor Ort anzubieten, müssten Standorte „modernisiert“ werden.

Statt 2000 Häusern, die Hüftoperationen durchführen, sollen 1500 genügen.

Risiko liegt teilweise nahe null

Auch bei der Behandlung von Frühgeborenen wirkt sich Erfahrung positiv aus. 60 000 Babys kommen in Deutschland vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt. Besonders gefährdet sind sie, wenn sie weniger als 1250 Gramm wiegen.

In Krankenhäusern, die jährlich mindestens 45 Frühgeburten durchführen, liegt das Risiko von Komplikationen fast bei null. Liegt die Geburtenanzahl nur bei 15 oder darunter, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Frühgeborenen sterben, um 87 Prozent höher. Deh fordert deshalb die „Spezialisierung der Krankenhäuser“.

„Wir haben eine Krankenhausstruktur, die sehr viel Geld falsch einsetzt“, sagt er. Die Krankenhäuser weisen die Kritik zurück. Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein- Westfalen (KGNW) etwa erklärt: Das ungelöste Problem sei nicht mangelnde Qualität, sondern die unzureichende finanzielle Ausstattung der Häuser. Der Dachverband der deutschen Krankenhäuser (DKG) unterstreicht, dass die Bereitschaft der Krankenhäuser, Qualität und Sicherheit weiterzuentwickeln, nie größer war als heute.

„Die AOK ist nur wieder auf der Suche nach einem Schuldigen. Dabei sind es die Krankenkassen, die zu wenig Geld für die Behandlung von Patienten zur Verfügung stellen“, meint auch Dr. Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer. Zu einer neuen Krankenhauslandschaft bleibt Landesminister Schweitzer allerdings vage: „In einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz brauchen wir die Krankenhausstandorte, um eine bedarfsgerechte, flächendeckende, gute stationäre Versorgung in allen Regionen gewährleisten zu können“, sagt er.

Die Häuser müssten sich allerdings „einem Wandel anpassen“. In den vergangenen Jahren hätten sich bereits manche Träger für eine Fusion oder Spezialisierung entschieden. In Rheinland-Pfalz gibt es 100 Krankenhäuser.