Wirtschaft: Bangen und Hoffen auf der Insel Zypern

Nikosia. „Es ist eine Katastrophe. Die haben uns die Lebensgrundlage weggenommen“, klagt ein Hotelier in Nikosia. In die Erleichterung darüber, dass der drohende Staatsbankrott abgewendet wurde, mischen sich bei vielen Zyprern Angst und Verzweiflung. Das Fernsehen sendet immer wieder die Aussage von Zyperns Finanzminister, dass die Euro-Finanzminister dem Land nun helfen wollen.

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Doch dass es wirklich so kommen wird, glaubt auf Zypern nicht jeder. „Hilfe? Ich sehe es kommen, wir werden bald wie die Griechen und die Spanier 30 Prozent Arbeitslosigkeit haben“, sagt der Filialleiter einer Bank im Zentrum der Hauptstadt Nikosia, bevor er sich abwendet, um den Geldautomaten wieder zu füttern. Seit eineinhalb Wochen sind die Banken inzwischen geschlossen – Bargeld gibt es nur am Automaten. Der Hotelier Giannis Sopholeous ist verzweifelt: „Wie soll ich mein Hotel reparieren, wenn zwangsweise das Geld halbiert wird, das ich auf der Bank habe“, fragt er.

Evangelia, die in einem Hotel im Zentrum Nikosias arbeitet, hat Angst um ihren Arbeitsplatz. „Die Negativschlagzeilen könnten auch die Touristen vertreiben“, fürchtet sie. Das Medienecho ist gespalten. „Katastrophale Erpressung durch die Troika (EU-EZB-IWF)“, lautet der Tenor in der kommunistischen Zeitung „Charavgi“. Die Kommunisten sind die zweitstärkste Kraft im Parlament.

„Thriller mit massiver Erpressung“, titelt die größte Zeitung Zyperns, „Fileleftheros“. Wie hoch die Zwangsabgabe bei der größten Bank Zyperns, der Bank of Cyprus, genau sein wird, ist noch unklar. „Fileleftheros“ berichtet, es würden wahrscheinlich 30 Prozent sein. „30 Prozent? Dafür habe ich 20 Jahre lang gearbeitet, und ich bin kein Russe, kein Oligarch und habe nur ein kleines Schuhgeschäft“, schluchzt der Inhaber eines Ladens an der zentralen Ledras-Einkaufsstraße von Nikosia.

Die konservative Presse reagiert zurückhaltend auf die nächtliche Krisensitzung: „Zwangsweises Abkommen“, titelt das konservative Blatt „Simerini“. Präsident Nikos Anastasiades habe keine andere Wahl gehabt: Rettung oder Sturz in den Abgrund. Übereinstimmend berichten alle Zeitungen, der erst vor einem Monat gewählte Staatspräsident sei während der Verhandlungen so wütend gewesen, dass er den Vertretern von Europäischer Union (EU), Weltwährungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) mit seinem Rücktritt gedroht habe, weil sie keinen seiner Vorschläge akzeptieren wollten.

Viele Zyprer bekommen in diesen Tagen E-Mails von Unternehmen, die versprechen, „binnen einer Stunde“ ein Konto in einem anderen großen und sicheren Euro- Land für sie zu eröffnen. Viele Insulaner fragen sich auch, ob und in welcher Form die Oligarchen aus Russland und der Ukraine tatsächlich von der Einigung betroffen sein werden – oder ob die ihr Geld nicht schon längst von der Mittelmeerinsel abgezogen haben.

Von Takis Tsafos