Mannheim

Das Schlusswort des Richters

Urteil und Begründung im Kachelmann-Prozess dauerten etwa eine Stunde. Im Schlusswort wendet sich der Vorsitzende Richter, Michael Seidling, an Prozessbeobachter, Verfahrensbeteiligte und die Medien.

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Mannheim – Urteil und Begründung im Kachelmann-Prozess dauerten etwa eine Stunde. Im Schlusswort wendet sich der Vorsitzende Richter, Michael Seidling, an Prozessbeobachter, Verfahrensbeteiligte und die Medien:

„Wir sind überzeugt, dass wir die juristisch richtige Entscheidung getroffen haben. Befriedigung verspüren wir dadurch jedoch nicht. Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin mit einem möglicherweise nie mehr aus der Welt zu schaffenden Verdacht, ihn als potenziellen Vergewaltiger, sie als potenzielle rachsüchtige Lügnerin. Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin aber auch mit dem Gefühl, ihren jeweiligen Interessen durch unser Urteil nicht ausreichend gerecht geworden zu sein. Bedenken Sie, wenn Sie künftig über den Fall reden oder berichten, dass Herr Kachelmann möglicherweise die Tat nicht begangen hat und deshalb zu Unrecht als Rechtsbrecher vor Gericht stand. Bedenken Sie aber auch umgekehrt, dass Frau (...) möglicherweise Opfer einer schweren Straftat war. Versuchen Sie, sich künftig weniger von Emotionen leiten zu lassen. Unterstellen Sie die jeweils günstigste Variante für Herrn Kachelmann und Frau (...) und führen Sie sich dann vor Augen, was beide möglicherweise durchlitten haben. Nur dann haben Sie den Grundsatz „in dubio pro reo“ verstanden. Nur dann kennt der Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht nur Verlierer, sondern neben dem Rechtsstaat auch Gewinner.“