Mainz

Tätowierer bringen Mainz zum Summen

Herke Kranenborg tätowiert einem Kunden einen sogenannten "Tamonten". So heißt ein Gott in der buddhistischen Mythologie.
Herke Kranenborg tätowiert einem Kunden einen sogenannten "Tamonten". So heißt ein Gott in der buddhistischen Mythologie. Foto: picture alliance / dpa

Mehr als 100 Tätowierer treffen sich bei der zweiten Tattoo-River-Expo in der Rheingoldhalle. Die Mainzer Rhein-Zeitung sprach mit Organisator Thommy Köhler über das Programm, seine Leidenschaft für Kunst auf nackter Haut und über Tattoo begeisterte 89-Jährige.

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Mainz – Thommy Köhler liebt Tattoos. Seit rund 35 Jahren ist der Mitbegründer des Berufsverbands DOT (Deutsche Organisierte Tätowierer) im Geschäft, betreibt die drei South-West-Studios in Mainz, Nidda und Hanau und organisiert derzeit die zweite Tattoo-River-Expo in Mainz.

Von Freitag bis Sonntag summen die Nadeln von mehr als 100 Tätowierern in der Rheingoldhalle. Die Mainzer Rhein-Zeitung sprach mit ihm über die anstehende Messe, über seine Leidenschaft für Kunst auf nackter Haut und über Tattoo begeisterte 89-Jährige.

Mainzer gelten als sehr verliebt in ihre Stadt. Haben Sie schon mal „Weck, Worscht und Woi“ tätowiert?

Als Schriftzug noch nicht, Brötchen, Fleischwurstringe und Flaschen aber schon. Allerdings nicht speziell mit Mainzer Bezug.

Ist hier ein guter Ort für die Szene? Gemeinhin verbindet man Mainz eher mit weinseliger Gemütlichkeit als mit Kunst auf nackter Haut.

Ja, das stimmt, und es könnten gern ein paar mehr Besucher kommen als beim Auftakt. Doch wir sind sehr optimistisch, denn das bunte Tattoo-Völkchen verbreitet sich wie ein Virus auf der ganzen Welt. Ich arbeite seit mehr als 30 Jahren in dem Gewerbe, und Tätowierungen sind so gefragt wie nie.

Was haben Sie aus dem Auftakt 2011 gelernt?

Wir wollten einen schönen Sommerevent veranstalten, denn die meisten Conventions sind von Herbst bis Frühjahr. Doch auch dieses Jahr macht das Wetter nicht so richtig mit, man kann sich auf den Sommer nicht mehr verlassen. Wir sind am Überlegen, mit der Expo in den Herbst zu gehen, um Besucher nicht vor die Wahl stellen zu müssen: Zur Tattoomesse zu gehen oder das endlich mal gute Wetter draußen auszunutzen, weil es vorher Wochen lang schlecht war.

Es gibt diverse Wettbewerbe bei der Messe. Was erwartet einen bei den „Crazy Tattoos“?

Das sind total verrückte Tätowierungen. Da gibt es jedes Mal Überraschungen, auch für uns. Ich habe in 20 Jahren Tattoo-Convention in Frankfurt, die ich auch veranstalte und die eine der größten ihrer Art ist, viel gesehen. Doch die Leute erstaunen uns immer wieder mit Ideen, etwa mit einem Elefantenkopf auf dem Bauch, bei dem der Rüssel in 3D tätowiert direkt darunter hängt. Oder Mister Cool Ice, der völlig Tattoo verrückt ist und eine nach hinten hängende Sonnenbrille auf die Glatze gestochen hat.

Was macht einen guten Tätowierer aus und wie kann ein Kunde sicher gehen, dass er ein gutes Studio erwischt hat?

Wenn ein Studio dem Verband DOT (Deutsche Organisierte Tätowierer) angehört, ist das schon sehr gut. In dieser Organisation unterwerfen wir uns in Absprache mit dem Gesundheitsamt strengen Auflagen bei Hygiene und Qualität. Was die Kunst selber angeht: Da sind die Geschmäcker verschieden. Ich kann den Leuten nur raten, eine Vorauswahl von Studios im Internet zu treffen und sich dann bei drei oder vier Studios vor Ort ein Bild zu machen, wie sauber und gut sie arbeiten.

Worin liegt für Sie die Faszination am Tätowieren?

Darin, dass jeder Mensch seine persönliche Freiheit ausleben kann. Manche Leute, die vielleicht nicht so sprachgewandt oder etwas schüchtern sind, sehen hier einen guten Weg sich mitzuteilen.

Wie viele Tattoos haben Sie in Ihrem Leben schon gestochen – und gibt es welche, an die Sie sich besonders erinnern?

Nach fast 30 Jahren, die ich tätowiert habe, kann ich beim besten Willen keine Anzahl nennen. Das Tattoo, das mich am meisten beeindruckt hat, ist in meinem Hanauer Laden entstanden. Da kam eine Oma von 89 Jahren zu mir. Ich dachte erst, die hätte sich verlaufen. Doch sie wollte sich unbedingt einen Jugendwunsch erfüllen, bevor sie diese Erde verlassen muss. Sie sagte, dass sie das im Dritten Reich nicht machen konnte, dass sie aber Tattoos bei Amerikanern und Soldaten immer bewundert habe. Sie hat sich einen kleinen Fisch auf die Schulter stechen lassen.

Die Tätowierer reisen aus den USA, Mexiko, Indonesien und halb Europa an. Welche sind besonders berühmt?

Da die Mainzer Tattoo-Expo noch in den Kinderschuhen steckt, ist hier noch nicht – wie etwa in Frankfurt – die Weltelite vertreten. Aber es sind zum Beispiel Craigy Lee aus England, Andy Engel und Body Electric dabei. Außerdem American Tattoo aus den USA und Monkey Tattoo aus Borneo, der ganz traditionell mit der Hand tätowiert.

Wie kommt es, dass Sea Shepherd, eine Organisation zum Schutz der maritimen Tierwelt, dabei ist?

Ein Freund, der mir bei der Organisation hilft, ist Mitglied bei Sea Shepherd. Da ich seit Jahren in Frankfurt Peta unterstütze, hatte er die Idee, dass man Sea Shepherd in Mainz supporten sollte. Das finde ich sehr gut. Man kann heutzutage der Welt nicht genug helfen.

Im Programm findet man auch original polynesische Stammestänze. Bei Polynesien denken die meisten wohl an Blütengirlanden und „Meuterei auf der Bounty“. Was weiß man über den Ursprung der Tätowierkunst?

Die Kunst ist Tausende Jahre alt. Eismensch Ötzi hatte schon Tattoos. Die meisten glauben, dass das traditionelle Tattoo aus der Südsee kommt. Ich war aber gerade in Taiwan auf einer Messe und habe dort gehört, dass auch Chinesen den Anspruch erheben, das Tätowieren schon seit Tausenden von Jahren zu betreiben. Wir werden es wohl nie ganz genau herausfinden.

Die Fragen stellte Alexandra Schröder


Kurzinfos zur Messe: Mehr als 100 internationale Tätowierer treffen sich bei der zweiten Tattoo-River-Expo von Freitag bis Sonntag, 10. bis 12. August, in der Mainzer Rheingoldhalle.Fans von Tattoos und Piercings können den Meistern bei der Arbeit zusehen oder sich bei Schmuck-, Textil- und Zubehörhändlern versorgen. Es gibt Airbrush, Muay-Thai-Kämpfe, Breakdance, polynesische Stammestänze und jede Menge Musik mit Sniperdogs, Breitenbach und Martin Kesici. Außerdem ist eine Ausstellung von amerikanischen Autos und Motorrädern. Am Freitagabend steht die große After-Show-Party mit Tattoo-Ball in der Rheingold Riverside Bar an. Eintritt und Öffnungszeiten: Tageskarte 17,50 Euro, Wochenendticket 48 Euro, Freitag von 15 bis 22 Uhr, Samstag von 12 bis 22 Uhr und Sonntag von 12 bis 20 Uhr. Mehr Infos: www.tattoo-expo-mainz.com.