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Bad Kreuznach

April, April! Ein Kaiman in der Nahe – Scherze im „Oeffentlichen“ vom „Atomium“ bis zur Kreuznacher Schwebebahn

Von Harald Gebhardt
1965: die neue „Rotenfels-Seilbahn“. Fotos: Jacky Ingenbrand und Willi Gebhard/Archiv Oeffentlicher Anzeiger
1965: die neue „Rotenfels-Seilbahn“. Fotos: Jacky Ingenbrand und Willi Gebhard/Archiv Oeffentlicher Anzeiger Foto: Sammlung Schaller

April, April: Hätten Sie's gewusst? Am 1. April 1896 erscheint im „Oeffentlichen“ unter der Überschrift „Glücklicher Fang“ der erste nachgewiesene Aprilscherz: Schiffer entdeckten kurz nach 6 Uhr morgens an der großen Badebrücke zwei Körper im Wasser – ein stattlicher Rehbock, dem ein riesiger Wolf folgte. Die wackeren Schiffer bedachten den Meister Isegrimm dermaßen mit ihren „Kreuznacher Schälbengeln“, dass er seine räuberische Seele, noch bevor er festen Boden unter seine Füße bekam, unter den wuchtigen Streichen aushauchte. Der Bericht endet vielsagend-verräterisch mit den Worten: „Wenn diese Wolfsgeschichte nicht wirklich passiert wäre, wäre schwer daran zu glauben.“

Lesezeit: 4 Minuten
In seinem neuen Buch „April, April! Aprilscherze im Oeffentlichen Anzeiger von 1896 bis 2020“ ist der Kreuznacher Autor Rolf Schaller, der unter anderem über Kreuznacher Brücken und Briggelcher geschrieben hat, der Geschichte der Aprilscherze im „Oeffentlichen“ nachgegangen. „Es war eine alte Idee“, erzählt er. Sie entstand vor ein paar Jahren, ...
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Kapriolen der Stadtgeschichte als Aprilscherze verpackt

Unterhaltsam, ein Schmunzeln auf den Lippen und teils ungläubig 120 Jahre (Bad) Kreuznacher Stadtgeschichte kennenlernen, das ermöglicht die Broschüre von Rolf Schaller „April, April“.

Lokale Ereignisse und Entwicklungen spiegeln sich in den zusammengetragenen Aprilscherzen ebenso wider wie überregionale und globale Strömungen. Bekannte und originelle Persönlichkeiten aus (Bad) Kreuznach bevölkern die Geschichten ebenso wie Straßen und Plätze, beliebte Einrichtungen, seien es Hotels, Gaststätten, Warenhäuser, Anlagen oder städtische Institutionen.

Lokalkolorit wird sinnig verknüpft mit fantastischen Themen wie der Errichtung einer Schwebe- und Untergrundbahn oder einer Bergbahn, einem Tierpark oder einem Hotelgroßbau auf dem Kauzenberg, dem Fund von Goldschätzen und der Aussicht auf Petrodollars in einer Stadt, die einmal eine Straßenbahn besaß und über eine Kuhherde verfügte, die Kindern Milch lieferte, an antiken Grabfunden reich ist und Badegäste aus aller Welt beherbergte – da scheint vieles nicht unmöglich!

Manch heimlicher, unausgesprochener Wunsch nimmt in den Geschichten Gestalt an, zum Beispiel technische Entwicklungen, die als Bedrohung empfunden werden, durch eine Übersteigerung ad absurdum zu führen und so beherrschbar zu machen, Exotisches als Mummenschanz zu entlarven, Gesellschaftskritik anzubringen, die Globalisierung und den Verlust von Identität zu thematisieren, Obrigkeiten lächerlich zu machen und letztlich die Lust, Menschen bewusst in die Irre zu führen und dies völlig legitim, schwarz auf weiß gedruckt in der Zeitung, außerhalb der Fastnachtszeit – Kapriolen der Stadtgeschichte, verpackt als Aprilscherze.

Franziska Blum-Gabelmann

Rolf Schallers Top drei

Schallers Aprilscherz-Favoriten:

1908 lancierte die Redaktion einen der schönsten und fantasievollsten Beiträge überhaupt: „Elektrizität kiloweise: ‚Elektrisches Wasser‘ als Ersatz für Petroleum“. Die Inbetriebnahme des Kreuznacher Elektrizitätswerks lag gerade zwei Jahre zurück.

1912 kaufen italienische Händler alte Konservendosen auf (Italienisch-Türkischer Krieg um Libyen).

1925 bestand einer der Aprilscherze nur aus einem einzigen Satz, der es aber in sich hatte: „Die Stadtverordneten sind sich darüber einig, eine Straße zur Warnung für künftige Geschlechter ‚Dr.-Wiener-Straße‘ zu nennen.“ Hintergrund war geballte Orts- und Zeitgeschichte: der Kreuznacher Separatistenputsch und die Affäre Dr. Wiener.

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