Berlin

„Pro Gauck“-Initiator: 2010 hatten sich viele mit ihm nicht beschäftigt

Lange Zeit war er der Liebling der Netzgemeinde – und mit seiner Nominierung zum Kandidaten schien es sich zu drehen für Joachim Gauck. Christoph Giesa, der die Solidarisierungswelle Pro Gauck 2010 losgetreten hatte, wundert sich über Kritik noch nicht. Viele hatten sich damals mit der Person Gauck gar nicht beschäftigt, sagt er. Zugleich zweifelt er, ob sich über Facebook politischer Druck noch so wie damals aufbauen lässt.

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Berlin – Lange Zeit war er der Liebling der Netzgemeinde – und mit seiner Nominierung zum Kandidaten schien es sich zu drehen für Joachim Gauck. Christoph Giesa, der die Solidarisierungswelle Pro Gauck 2010 losgetreten hatte, wundert sich über Kritik noch nicht. Viele hatten sich damals mit der Person Gauck gar nicht beschäftigt, sagt er. Zugleich zweifelt er, ob sich über Facebook politischer Druck noch so wie damals aufbauen lässt.

Spiegel Online thematisiert, dass sich Gaucks Gegner im Netz sammeln und der Hashtag #NotmyPresident bei Twitter Furore macht, bei Facebook gibt es Gruppen wie „Nein zu einem Bundespräsidenten Gauck“ oder „Gauck: Nein, Danke“. Hat sich die Stimmung gedreht gegen den Mann, der für so viele Menschen der bessere Präsident war? Reine Zahlen sprechen eine andere Sprache – und viel von der Kritik ist schon widerlegt.

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Schnell verklungene Aufregung: Die Kurve zeigt Tweets mit Gauck und Tweets mit dem Zusatz Notmypresident am Rosenmontag.
Foto: topsy.com/Screenshot

Im Netz bekam Gauck von einigen Nutzern schnell das Etikett angehängt, für Vorratsdatenspeicherung zu sein und Sarrazin verteidigt zu haben. Ein vorschnelles Urteil, wie Blogger Patrick Breitenbach detailliert vorführt. Verkürzte, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, im Netz zudem noch stärker zugespitzt: „Wie das Netz den bösen Gauck erfand“, macht Cicero daraus – und zerlegt die Kritik ebenso.

Es gibt aber die Menschen, die sich 2010 der Facebook-Gruppe „Wir für Gauck“ mit rund 40.000 Mitgliedern und der Initiative angeschlossen hatten und nun an Gauck mäkeln. Tweets mit dem Hashtag #Notmypresident„ ebbten aber nach der ersten Erregung schnell wieder ab – und die kritischen Facebook-Gruppen dümpeln eher dahin. Sinneswandel hier und da ist aber keine Überraschung für Christoph Giesa, früherer rheinland-pfälzischer Landesvorsitzender der Jungen Liberalen und 2010 Gründer der Pro Gauck-Bewegung im Netz: “Man hört natürlich ganz schnell ein paar Misstöne, die eher auftreten, wenn es nur einen [aussichtsreichen] Kandidaten gibt, und man sich nicht für und gegen einen entscheiden muss.„ 2010 habe er auch “mit gewissem Amüsement verfolgt, dass sich Leute für Gauck engagiert haben oder ihn gut fanden, die vielleicht gar nicht so genau wussten, wo er steht.„ Für Gauck zu sein, sei 2010 auch die Chance gewesen, Schwarz-Gelb eins auszuwischen und vielleicht einen CDU-Kandidaten zu verhindern.

Und wie steht es mit Gaucks Positionen, und wie sehr ist der voraussichtliche Präsident bereit, Ansichten zu überdenken? “Man darf nicht vergessen, der Mann ist eben kein Berufspolitiker, und deshalb hat er vielleicht schon mal Sachen gesagt, die nicht so geschliffen waren„, sagt Giesa. Aus dem Zusammenhang gerissene Sätze von jemandem, der in keinem öffentlichen Amt ist und nebenbei etwas gefragt wird, dürfe man nicht so hoch bewerten. “Gauck ist auch mit Sicherheit kein Spezialist für Vorratsdatenspeicherung und mit Sicherheit kein Spezialist für die Occupy-Bewegung. Das sind Themenfelder, die er sich in Zukunft erarbeiten muss, was er aber auch wird, wenn er einen großen Stab von Mitarbeitern hat. Und wenn der Mann eines ist, dann ist er lernfähig.„

Nichtsdestotrotz: “Gauck wird in den nächsten fünf Jahren rundum allen mindestens einmal auf die Füße treten wird, er ist auch mir schon thematisch auf die Füße getreten.

Wenn ich aber weiß, jemand ist Demokrat und definitiv nicht korrumpierbar, dann darf der von mir aus auch jede Position vertreten. Damit kann ich besser umgehen als mit jemandem, der meine Position hat, von dem ich aber weiß, dass er das nicht aus Überzeugung tut.„

Die Gauck-Gruppe bei Facebook hat Giesa am Montag geschlossen, “weil einfach zu viel Müll gepostet wird. Das Problem hatten wir 2010 nicht.„ 2010 sei die Gruppe unheimlich mächtig geworden, weil es damals das erste Mal war, das im Netz so was gemacht wurde, und weil daraus auch offline viel entstanden ist. Gauck hatte sich danach auch mit einem Video auf YouTube bedankt:

Bei Facebook habe sich seit der Guttenberg-Geschichte im Negativen etwas verändert, so Giesa. “Man merkt, das ganze viele Leute mit technischen Möglichkeiten – die haben dann hundert Accounts – einen dann mit Müll zuschütten. Man wird dem kaum Herr. Ich mache im Moment ein Fragezeichen an Facebook als Kampagnen-Plattform, wenn man die Problematik nicht in den Griff bekommt."

Lars Wienand

Wieso Giesa die aus der Facebook-Gruppe hervorgegangene Bürgerbewegung für den Präsidentenmacher hält: Am Dienstag in der Rhein-Zeitung