Berlin

Paradoxe Verhältnisse

2008 hatten die Karlsruher Richter das bisherige Wahlrecht zum Bundestag für teilweise verfassungswidrig erklärt. Hier die wichtigsten Fragen auf einen Blick. Was bedeutet „negatives Stimmgewicht“?

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Berlin – 2008 hatten die Karlsruher Richter das bisherige Wahlrecht zum Bundestag für teilweise verfassungswidrig erklärt. Hier die wichtigsten Fragen auf einen Blick.

Was bedeutet „negatives Stimmgewicht“?

Damit ist ein rechnerischer Effekt im deutschen Wahlrecht gemeint. Danach kann bei Bundestagswahlen ein Gewinn an Zweitstimmen für eine Partei zum Verlust eines Abgeordnetenmandats führen. Das hat damit zu tun, dass die Zahl der Zweitstimmen in einem Bundesland ausschlaggebend für die Verteilung der Mandate auf die einzelnen – miteinander verbundenen – Landeslisten ist. Eine niedrige Stimmenzahl kann zur Folge haben, dass eine andere Landesliste vorrangig zum Zuge kommt.

Tritt eine solche Konstellation aber in einem Land ein, in dem eine Partei Überhangmandate gewonnen hat – also mehr Direktmandate, als ihr nach der Zweitstimmenzahl zustünden -, kann die Verlagerung eines Mandats auf eine andere Landesliste sogar günstig sein. Auch wenn weniger Zweitstimmen dazu führen, dass bei der parteiinternen Verteilung der Listenmandate eine Liste aus einem anderen Bundesland zum Zuge kommt, bleiben die Direktmandate gleichwohl erhalten. Unter dem Strich hat eine Partei damit – trotz Stimmenverlusten – ein Mandat gewonnen.

Wieso kommt es zu Überhangmandaten?

Solche Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland über die Erststimmen mehr Mandate direkt erobert, als ihr nach der Zahl der Zweitstimmen zustehen. Legt ein direkt gewählter Abgeordneter dieser Partei im Laufe der Legislaturperiode sein Mandat nieder, geht der Sitz verloren. Die Karlsruher Richter hatten schon im Februar 1998 entschieden, dass ausscheidende Gewinner von Überhangmandaten nicht durch Listennachrücker ersetzt werden dürfen.

Welchen Anlass hatte Karlsruhe, das Wahlrecht zu überprüfen?

Auslöser des Wahlprüfungsverfahrens war die Bundestagswahl 2005, gegen die zwei Wähler vor Gericht gezogen waren. Weil im Wahlkreis Dresden die Direktkandidatin der NPD gestorben war, wurde eine Nachwahl am 2. Oktober notwendig, zwei Wochen nach dem regulären Termin. Den Unionsanhängern unter den Dresdner Wählern hatten die übrigen Ergebnisse eine geradezu paradoxe Ausgangssituation beschert: Mit einer Zweitstimmenzahl von weniger als 41 225 konnte die CDU ein Mandat gewinnen, dagegen hätte ein Ergebnis über dieser Grenze für die Union einen Mandatsverlust bedeutet.