Mainz

Im Kirschgarten ist die Kreativität versteckt

Vielfalt zeigen auch die handelnden Personen im gemütlichen Geschäftsviertel Kirschgarten (von links): Christian Wessing (Cape-House), Manfred Stöckl (Schmuck), Uwe Linde (Druckerei), Rolf K. Weber-Schmidt (Galerie Mainzer Kunst), Katja Laun (Altstadtcafé), Gisela Dittmar (sitzend, Schokophonie), Anna-Sabina Schömmer (Wohn schön), Nina Bräunig (Tandaradei), Susanne Unckrich-Kunwar (Natur-in-Form), Susan Weber (Baghi-Lifestyle), Gabriele Lehnert (Altstadt Galerie), Barbara Strohschnitter (Carmelotta) und Kerstin Bröckl (Schneiderei Hotvolée).
Vielfalt zeigen auch die handelnden Personen im gemütlichen Geschäftsviertel Kirschgarten (von links): Christian Wessing (Cape-House), Manfred Stöckl (Schmuck), Uwe Linde (Druckerei), Rolf K. Weber-Schmidt (Galerie Mainzer Kunst), Katja Laun (Altstadtcafé), Gisela Dittmar (sitzend, Schokophonie), Anna-Sabina Schömmer (Wohn schön), Nina Bräunig (Tandaradei), Susanne Unckrich-Kunwar (Natur-in-Form), Susan Weber (Baghi-Lifestyle), Gabriele Lehnert (Altstadt Galerie), Barbara Strohschnitter (Carmelotta) und Kerstin Bröckl (Schneiderei Hotvolée). Foto: Harry Braun

Wer durch die Altstadt spaziert, kann viele Besonderheiten entdecken. Wer sich etwas abseits der großen Besucherströme bewegt, findet Vielfalt gerade dort, wo er sie vielleicht gar nicht vermutet hat: wie etwa in den Geschäften im Bereich hinter der berühmten Kirschgartenfassade.

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Altstadt – Wer durch die Altstadt spaziert, kann viele Besonderheiten entdecken. Wer sich etwas abseits der großen Besucherströme bewegt, findet Vielfalt gerade dort, wo er sie vielleicht gar nicht vermutet hat: wie etwa in den Geschäften im Bereich hinter der berühmten Kirschgartenfassade.

Glas, Gravuren, Schmuck, Möbel, Stoffe, Wein, Galerien: Dies alles findet der Flaneur, der sich in die Schönbornstraße, in die Heringsbrunnengasse, die Badergasse, ins Hollagässchen oder den Weihergarten „verirrt“.

So bleibt eine Passantin spontan am Schaufenster von „Tessuto“ stehen, in dem die Inhaberin Dagmar Wolf italienische Stoffe verkauft: „Die Palmenmotive haben mir gut gefallen. Kann ich die mal sehen?“ Klar, dafür steht die 52-Jährige ja in ihrem Geschäft. Um die Kunden individuell und in aller Ruhe zu beraten.

„Hier kann man prima schlendern, entspannen und sich inspirieren lassen“, beschreibt Wolf das Ambiente ihres Viertels. Und setzt hinzu: „Qualität zahlt sich aus.“ Derweil verabschiedet sich die Kundin: „Ich komme wieder, wenn ich etwas mehr Zeit habe.“

Der Bereich hinter dem Kirschgarten ist voller „versteckter Kleinode“, schwärmt Susan Weber von Baghi-Lifestyle. Hier gibt es Yoga-Sachen und ähnliches. Um aus diesem „Versteck“ herauszukommen, haben sich 30 Einzelhändler des Quartiers Ende 2009 zum Verein „Altstadtviertel Kirschgarten“ zusammengeschlossen. „So haben wir immer Geld in der Kasse und können auch kurzfristig Aktionen auf die Beine stellen“, berichtet Galeristin Gabriele Lehnert. „Die Kooperation ist zugleich auch kreativ bereichernd für jeden Einzelnen“, erläutert Uwe Linde von der gleichnamigen Druckerei.

„Wir werden oft übersehen“, bedauert Juwelier Manfred Stöckl. So sei das Viertel selbst in einer Studie des Geografischen Instituts der Johannes Gutenberg-Universität über die Käuferströme in der Innenstadt nicht mal in der dazu gehörigen Skizze aufgeführt worden. Und die Stadt handele auch nicht gerade flexibel, kritisieren Doris Wolf und Susan Weber.

Sie fänden es gut, wenn die Stadt am Kirschgarten mit einer Stele auf das Viertel mit seinen Geschäften hinweisen würde. Aber dort verweise man auf die „Gestaltungssatzung“, die für die gesamte Innenstadt gilt und solche Werbeschilder nicht gestattet.

„Viele Touristen kommen bei uns vorbei, aber zu wenige Mainzer“, bedauert Susan Weber. Der kleine Fußweg zum Quartier Mayence ist beliebt bei den Gästeführern und den Besuchern. Aber nicht nur bei ihnen, ergänzt sie Nase rümpfend: „Ich weiß inzwischen, welche Haufen zu welchem Hund gehören.“ Denn einige Hundebesitzer aus der Nachbarschaft gehen hier abends noch mal Gassi mit ihren Lieben. „Das ist eine Kack- und Pinkelecke“, schimpft Stöckl. Lehnert lenkt das Gespräch wieder in Richtung Kooperation: „Der Zusammenschluss hat sich durchaus schon positiv ausgewirkt. Wir werben gegenseitig füreinander und wir werben miteinander.“

So ziehen die meisten Einzelhändler eine positive Bilanz des „verkaufsoffenen Sonntags“, bei dem man aber nicht nur auf den Tagesumsatz achten dürfe. „Man macht auf sich aufmerksam, das wirkt sich auf lange Sicht aus.“

Susan Weber ist skeptischer: Obwohl drei junge Frauen Yoga-Vorführungen präsentierten, „verirrte“ sich kaum jemand ins Hollagässchen – obwohl der direkte Weg unter dem Torbogen des Kirschgartens genau dorthin führt. Armin Thomas