Bremen

Glücksatlas: Zu hohe Erwartungen bergen Gefahr der Enttäuschung

Bloß nicht zu streng mit sich sein – das rät die Bremer Glücksforscherin Hilke Brockmann allen, die gute Vorsätze für 2013 gefasst haben. Ehrgeizige Ziele sollte man trotzdem ruhig ins Auge fassen, sagt die Soziologie-Professorin von der privaten Jacobs University in einem Interview zum Jahreswechsel.

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Denn mit der richtigen Einstellung könnte das allein schon glücklich machen. Wichtig sei es auch, seine Zeit mit guten Freunden zu verbringen, Sport zu treiben und viel zu schlafen. Mit dem neuen Jahr verbinden wir oft große Hoffnungen. Wir wünschen uns zum Beispiel mehr Erfolg im Job oder dass es mit der Liebe endlich klappt. Kann das überhaupt glücklich machen?

Das sind hohe Erwartungen, und wenn sich diese nicht erfüllen, ist das enttäuschend. Das kann unglücklich machen. Man sollte schon Ambitionen haben. Das hilft, sich zu orientieren, sich auszurichten. Aber man sollte sich nicht zu sehr grämen, wenn man nicht alle Ziele erreicht.

Also besser nicht zu viel erwarten und keine guten Vorsätze fassen?

Dagegen spricht nichts, solange man tolerant für Enttäuschungen ist. Mit Erwartungen sind Gefühle wie Vorfreude verbunden, die auch schon glücklich machen. Sich seine Ziele auszumalen, kann sehr erfreulich sein, und auf dem Weg dahin kann man schon das eine oder andere Positive erleben.

In Deutschland geht es uns verglichen mit Menschen in anderen Ländern doch richtig gut. Müssten wir nicht viel glücklicher sein?

Ich glaube, der Vergleich mit vielen Ländern in Südeuropa macht uns schon klar, wie privilegiert wir zur Zeit sind und wie gut wir bisher durch die Finanzkrise gesteuert sind. Aber natürlich vergleicht man sich nicht mit der Lebenssituation im Kongo oder in Afghanistan, sondern mit seinem persönlichen Umfeld. Da gibt es immer eine Möglichkeit, sich benachteiligt oder als Versager zu fühlen.

Was sind die Voraussetzungen für ein glückliches Leben?

Jeder Mensch hat sein eigenes Glücksrezept, aber die Zutaten ähneln sich. Runtergebrochen sind diese: Haben, Lieben, Sein – wobei der Schwerpunkt auf den letzten beiden liegt. Bei den Grundbedürfnissen ist mehr zu haben gut, also wenn man nicht frieren oder hungern muss. Aber auf dem Niveau befinden sich viele in unserer Gesellschaft nicht, und dann ist immer mehr zu haben nicht so befriedigend, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.

Ein dickes Konto oder ein schickes Auto machen also nicht glücklich?

Besitz hat keinen nachhaltigen Effekt auf unser Wohlbefinden – noch 1000 Euro mehr oder ein noch größeres Auto, das ist kein lang anhaltender Glücksbringer. Wovon man aber nie genug bekommen kann und wo der Nutzen nie abnimmt, das sind soziale Beziehungen, das sind Freunde, das Miteinander in Gemeinschaft. Das andere ist – was mit Sein überschrieben werden kann – etwas Sinnvolles zu machen, sich als Teil eines größeren Ganzen zu empfinden. Dass es nicht egal ist, ob man da ist oder nicht.

Die neuen Medien und Techniken machen es leichter, Beziehungen mit vielen Menschen rund um den Globus zu pflegen. Sind wir dank Facebook und Co. glücklicher?

Ich glaube, kurzfristig gesehen ist das durchaus angenehm, Leute über soziale Netzwerke wiederzufinden und sich ohne großen Aufwand austauschen zu können. Die Frage ist aber, wie viel Zeit man aufwendet, diese virtuellen Kontakte zu pflegen – Zeit, die einem dann in der realen Welt fehlt. Wie sich das in der Summe verhält, ist schwer zu sagen.

Ist Glück denn auch eine Frage des Alters?

Ja, besonders glücklich sind die ganz Jungen und die Alten. Im mittleren Alter sinkt die Glückskurve ab – trotz der vielen sozialen Beziehungen, der familiären Situation und des gesellschaftlichen Status. Das ist eine Frage der Referenzpunkte: Wie stark vergleichen sich die Leute mit anderen, und wie stark sind sie aufgerieben zwischen den vermeintlichen Möglichkeiten und den Zwängen?

Was ist Ihr Tipp für ein kleines Glücksgefühl?

Lange schlafen, Sport machen, anderen nah sein. Das ist etwas, das man selbst gut im Griff hat. Viele Dinge, die glücklich machen, kann man eben nicht beeinflussen. Deshalb sollte man sich von den ganzen Glücksratgebern auch nicht verrückt machen lassen.

Von Irena Güttel