Hannover

Fernsehduell: In 60 Minuten zum Unentschieden

Vom Fußball verstehen beide Spitzenmatadore im niedersächsischen Wahlkampf etwas. Deshalb: Wenn Ministerpräsident David McAllister (CDU) und Herausforderer Stephan Weil (SPD) ihr hochpolitisches Hannoveraner Lokalderby im NDR-Fernsehen ehrlich einschätzen, werden sie wie wohl die meisten der rund 320 000 Zuschauer (bei 6,2 Millionen Wahlberechtigten am kommenden Sonntag) bilanzieren: nach der ersten Halbzeit 1:0 für McAllister; nach einer Stunde (dieses Spiel dauerte nicht 90, sondern bloß 60 Minuten), eher ein 1:1 Unentschieden.

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Erst nachdem Moderator Andreas Chichowicz abgepfiffen hatte, entspannten sich die Gesichter der beiden politischen Gegner.

Und von ihren jeweiligen Trainerbänken bei CDU und SPD erhoben sich die Interpreten des Kampfes und versuchten eifrig, ihre parteipolitische Voreingenommenheit kundzutun: CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe pries McAllister als souverän, sympathisch und bodenständig; SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel lobte die Solidität, Sachlichkeit und landespolitische Beschlagenheit seines Parteifreundes. Ein politik- und medienwissenschaftlicher Beobachter von der Uni Hannover fand, McAllister sei es sehr gut gelungen, die Stammwähler der CDU, vor allem diejenigen, die auf dem Land zu Hause sind, für die Union zu gewinnen. Weil hingegen habe beim jüngeren städtischen Publikum punkten können. Fazit: kein klarer Sieger.

Immerhin: McAllister gönnte sich am Schluss einen Gag, als er meinte: „Und wenn Sie die CDU bisher noch nie gewählt haben, probieren Sie es doch mal aus.“ Dass einige Beobachter dem Amtsinhaber attestierten, hauchdünn die Nase vorn gehabt zu haben, lag vor allem an dem Schnitzer, der dem SPD-Spitzenmann zu Beginn unterlaufen war. Weil leistete sich bei der wiederholt gestellten Frage: „Wie hältst du's nach der Wahl mit der Linkspartei?“ einen Stellungsfehler und blieb unentschlossen. McAllister bezeichnete das als verräterisch, auf der CDU-Trainerbank kam Freude auf.

In der zweiten Spielhälfte zeigte Weil, was ihn auszeichnet: dass er die sachliche Auseinandersetzung mit dem Ministerpräsidenten über landespolitische Themen nicht zu scheuen braucht, dass er, wie man heute sagt, die Auseinandersetzung mit dem Regierenden „auf Augenhöhe“ führen kann. Was der Herausforderer vermissen ließ, waren schneidige Attacken.

Dafür wirkte er bei manchen Beiträgen, etwa zur Bildungs- und Sozialpolitik, souverän und locker, und McAllister setzte eine missbilligende Miene auf, in der man einen Hauch von Überheblichkeit erkennen konnte. Der CDU-Matador hatte im Vergleich zum SPD-Herausforderer von Beginn an leichteres Spiel, weil er mit einer aus seiner Sicht Topnachricht ins Match gehen konnte: dass nämlich laut ARD-Wahlumfrage aus dem lange Zeit sicheren Vorsprung von Rot-Grün gegenüber Schwarz-Gelb eine Woche vor der Entscheidung ein Beinahe-Gleichstand geworden ist – 40 Prozent für die CDU, 5 Prozent für die FDP, 33 Prozent für die SPD und 13 für die Grünen. Mit Blick auf Sonntag, 18 Uhr, könnte mansagen: Entschieden ist das Spiel noch nicht.

Michael Bröcker