Mendig

Einsturzgefahr in Mendig? – Wirbel um die Hohlräume

Gefüllter Gewebestützpfeiler mit temporärer Schalung: "Von den insgesamt 193 aufgenommenen Hohlräumen wiesen 37 eine hohe und 9
Gefüllter Gewebestützpfeiler mit temporärer Schalung: "Von den insgesamt 193 aufgenommenen Hohlräumen wiesen 37 eine hohe und 9 eine sehr hohe Gefährdung auf", teilte das Landesamt für Geologie und Bergbau mit. Foto: Landesamt für Geologie un

Viele Bürger von Mendig leben über eine hohlen Unterwelt. Jahrhundertelang bauten hier Bergleute Basalt ab. Nun stufen Experten die Einsturzgefahr in einem kleinen Gebiet als hoch ein. Das Land Rheinland-Pfalz will daher teure Folgeuntersuchungen finanzieren. Panik kommt in dem Städtchen aber nicht auf.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Viele Bürger von Mendig leben über eine hohlen Unterwelt. Jahrhundertelang bauten hier Bergleute Basalt ab. Nun stufen Experten die Einsturzgefahr in einem kleinen Gebiet als hoch ein. Das Land Rheinland-Pfalz will daher teure Folgeuntersuchungen finanzieren.

Die Vorstellung, mit dem eigenen Haus in der Tiefe zu versinken, ist nicht schön. Am Mittwochabend teilte das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium mit, das zuständige Landesamt beurteile die Einsturzgefahr der Hohlräume unter einem Teil des Eifelstädtchens Mendig „als hoch, teilweise sogar als sehr hoch“. Viele mochte dies an den Erdfall im thüringischen Schmalkalden erinnern: 2010 verschwanden dort ein Auto, Garagenteile und ein Stück Garten in einem 15 Meter tiefen Krater. Könnte so etwas auch in Mendig passieren, das nach jahrhundertelangem Basaltabbau nach Angaben des Rathauses „die größten unterirdischen Lavakeller der Erde“ besitzt?

Im November 2010 tat sich mitten in einem Wohngebiet in Schmalkalden in Thüringen ein Krater auf. Ein Auto rutschte in der Nacht zum Montag in den Schlund, zudem Teile einer Straße und von Garagen. Der Erdrutsch in Schmalkalden war nicht der erste seiner Art. In den vergangenen Jahren gab es gleich mehrere. Einige endeten katastrophal...

dpa

2. Januar 2000: In Bochum-Wattenscheid verschluckt ein 40 Meter tiefer Tagesbruch zwei Autogaragen. Das Loch hat bergbauliche Ursachen.

dpa

3. März 2009: In Köln stürzt das Magazingebäude samt Lesesaal des Historischen Archivs der Stadt ein. Dabei wurden rund 90 Prozent des Archivguts verschüttet. Zwei Menschen sterben. Die Ursache: eine Baustelle der Nord-Süd-U-Bahn.

dpa

18. Juli 2009: Bei Nachterstedt/Sachsen-Anhalt rutschen rund 350 Meter einer alten Abraumkippe eines Braunkohletagebaus in den Concordiasee. Mehrere Häuser werden mitgerissen. Drei Menschen sterben.

dpa

25. Juli 2009: Auf der A 45 bei Siegen gähnt ein 11 Meter tiefes Loch in der Autobahn. Ursache ist ein altes Bergwerk unter dem Straßenverlauf.

dpa

1. November 2010: In der südthüringischen Kleinstadt Schmalkalden entsteht über Nacht ein riesiger Krater von rund 40 mal 35 Metern. 15 Häuser werden evakuiert. Als natürliche Ursache des Erdfalls werden Auswaschungen vermutet.

dpa

Das Landesamt für Geologie und Bergbau informierte am Mittwochabend in einer Einwohnerversammlung vor Ort über die Ergebnisse eines Pilotprojekts mit einem 3-D-Scanning mit Millionen von Messstellen. Die parallel verschickte Pressemitteilung des Ministeriums nannte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Mendig, Jörg Lempertz (CDU), danach „ein bisschen irreführend“. Denn als tatsächlich einsturzgefährdet gelte alleine ein kleines unbewohntes Gelände eines Bergbauunternehmens. Keine akute Gefahr bestehe für zwei Wohnareale – diesen sollen nun aber regelmäßig überwacht werden.

Lempertz hatte aber auch noch Grund zur Freude: Mit seiner Bitte an das Land, eine 1,4 Millionen Euro teure und fünf Jahre lange Folgeuntersuchung zu finanzieren, rannte er plötzlich offene Türen ein. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) diesen Wunsch erfüllen will. „Sicherheit geht vor“, betonte sie. „Hohlräume finden und für Absicherung sorgen, das ist das Ziel der Landesregierung.“ Nun sollen Experten weitere Bereiche im Norden der Kleinstadt geotechnisch unter die Lupe nehmen.

Dort stehen Häuser auf einem Säulenwald. In einem erkalteten Lavastrom ließen in früheren Jahrhunderten Bergleute unter Tage beim Abbau des Basalts für Mühlsteine, Wellenbrecher und Bauwerke alle 30 Meter einen Pfeiler stehen, damit die Decke nicht herunterkrachte. „Das waren schon kluge Kerle, auch bei der Vorsorge“, urteilte der ehemalige Finanzminister Gernot Mittler (SPD), der in Mendig seit seiner Geburt lebt.

„Es gibt jetzt keine Panik. Die Leute beobachten die Entwicklung seit langem mit großer Sorgfalt. Sie kennen sich genau aus unter Tage. Das sind keine Hasardeure.“ Mehr als 30 Jahre lang saß Mittler auch im Stadtrat. „Wir haben immer wieder gelassen über die Hohlräume diskutiert.“ Beim Bau neuer Straßen beispielsweise seien eben alte Höhlen gefüllt oder abgestützt worden.

Vor eineinhalb Jahrhunderten, als es noch keine elektrischen Kühlanlagen gab, hatten Brauereien die Felsengewölbe entdeckt, die im Sommer wie im Winter eine konstante Temperatur von fünf Grad haben. 28 Betriebe siedelten sich im 19. Jahrhundert im kleinen Mendig an, um auch im Sommer kühles Bier feilbieten zu können.

Heute können hier Besucher gleichsam in ein geologisches Bilderbuch hinuntersteigen. „Zehntausende Menschen besuchen jährlich diese einmalige Sehenswürdigkeit und erleben so hautnah die geschichtliche Entwicklung sowie die Erzeugnisse der Eifelvulkane“, teilte Verbandsbürgermeister Lempertz mit. Das Vulkanmuseum sei sicher.

Jens Albes