Berlin

Abdel-Samad: Herzblut für das Thema fehlt

Der ägyptische Politikwissenschaftler und Autor Hamed Abdel-Samad hält die Islamkonferenz für viel besser als ihren Ruf. In den Ministerien gebe es inzwischen ausgewiesene Islamexperten. Abdel-Samad, der ein Buch mit dem Titel „Der Untergang der islamischen Welt“ geschrieben hat, war als Jugendlicher Mitglied der konservativen Muslimbrüder in Ägypten.

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Während seines Studiums in Deutschland kam er zu der Überzeugung, dass sein Glaube sich reformieren und an die Bedürfnisse der Menschen in der modernen Welt anpassen müsste, damit Fortschritt in den muslimischen Ländern möglich wird. Seit drei Jahren ist er Mitglied der Islamkonferenz, nimmt aber auch an der sogenannten kritischen Islamkonferenz teil, die nächste Woche ebenfalls in Berlin tagt.

Das Interview:

Wie fällt Ihre Bilanz der Islamkonferenz aus?

Wir befinden uns immer noch in einem Prozess. Einige Projekte haben sich inzwischen auch verselbstständigt, das ist gut. Die Bundesländer haben manches in Eigenregie umgesetzt, wie etwa muslimischen Religionsunterricht und die Ausbildung von islamischen Theologen. Bei anderen Themen wie der Prävention von Extremismus und Antisemitismus haben wir genug diskutiert. Aber es sind keine wichtigen Projekte daraus entstanden. Die Ideen sind da, aber es hapert noch an der Umsetzung.

Ist die Islamkonferenz zu Recht als reine Rederunde kritisiert worden?

Nein, denn eigentlich ist die Runde eine sehr effektiv arbeitende Gruppe. Die staatlichen und die muslimischen Teilnehmer sind inzwischen richtig zusammengewachsen. Viele Mitarbeiter aus den Ministerien sind zu echten Islamexperten geworden, das ist ein großer Gewinn. Man muss sich bewusst machen: Die Islamkonferenz ist ein weltweit einmaliges Forum. Nirgendwo sonst sitzen staatliche Vertreter und Vertreter konservativer und liberaler muslimischer Verbände an einem Tisch. Aber kann man damit allein nach sieben Jahren bereits zufrieden sein?

Man darf nicht ungeduldig sein. Vieles, was bisher geleistet wurde, wird auch nicht gesehen. Ich jedenfalls freue mich sehr, daran teilzunehmen.

Warum nehmen Sie dann auch an der kritischen Islamkonferenz teil, die erst nächste Woche tagt?

Der Titel ist ja eine offene Kritik an der Konferenz des Innenministers, oder nicht? Beide Konferenzen sind wichtig. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass wir bei der kritischen Islamkonferenz über die gleichen Themen diskutieren wie bei dieser. Dort sind wir allerdings freier und können Kritik auch mal undiplomatisch formulieren. Die Islamkonferenz unter Leitung des Innenministeriums diskutiert sehr theologiebezogen über den Islam. Wenn wir aber in Deutschland über den Islam sprechen, dann müssen auch Menschenrechte eine Rolle spielen. Die kritische Islamkonferenz grenzt sich deutlich ab von muslimfeindlichen Tendenzen in Deutschland. Aber wir wollen dort stärker in einen gesellschaftlichen Diskurs treten, statt nur über das Verhältnis von Staat und Islam sprechen.

Der Innenminister hat gesagt, der Islam gehöre für ihn nicht zu Deutschland. Wie hat das die Konferenz beeinflusst?

Ich sehe das genauso wie Herr Friedrich und kann das als Schriftsteller und Historiker auch sagen. Er aber sollte das als Innenminister nicht sagen. Ich fand es falsch, dass der damalige Bundespräsident Christian Wulff sagte, der Islam gehöre zu Deutschland. Genauso fand ich es falsch, dass der Innenminister sich in dieser Art und Weise äußerte. Es ist doch nicht die Aufgabe eines Politikers, eine Religion ein- oder auszuschließen. Ein Politiker ist für alle Menschen in seinem Land zuständig – und für den Zusammenhalt in einer Gesellschaft. Ich würde es mit Angela Merkels Worten sagen: Beide Äußerungen waren „nicht sehr hilfreich“.

Braucht es weitere Konferenzen?

Unbedingt. Aber sie sollte direkt im Kanzleramt angesiedelt sein. Innenminister Wolfgang Schäuble war mit Herzblut dabei. Das ist zuletzt eher etwas verloren gegangen. Man sollte allerdings auch nicht die Expertise, die sich nun über viele Jahre aufgebaut hat, leichtfertig weggeben. Außerdem wäre es gut, wenn es ein konkretes politisches Projekt gäbe, das von der Islamkonferenz ausgeht.

Das Gespräch führte Rena Lehmann