Nicole Mieding hat's ausprobiert: Das kleinste Barriquefass der Welt

Auf ein Glas mit Pinocchio Foto: frei

Wer Winzer werden will, muss Lehrgeld zahlen: Auf ein Glas mit Pinocchio.

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Pinocchio? Das war doch ein Holzscheit, der unvermittelt zu sprechen anfing. Was Tischler Anton, wegen seiner Säufernase „Meister Kirsche“ genannt, so verschreckte, dass er ihn seinem Freund, dem Schnitzer Geppetto schenkte. Der fand Gefallen an dem groben Klotz und schuf daraus eine Puppe, die, kaum hatte er sie Pinocchio getauft, ihm eine Menge Ärger einbrachte. Vor allem, indem sie ihm Lügen erzählte, die ihre Nase in die Länge wachsen ließen. Nun wollen wir nicht hoffen, dass die vorliegende Geschäftsidee auf einem Lügenmärchen basiert: Die „Pinocchio Barrique Bottle“ verspricht, das kleinste und kräftigste Barriquefass der Welt zu sein. Es hat die Form einer Weinflasche, fasst aber nur knapp deren Inhalt – 0,7 Liter. In weniger als 20 Tagen will sie aus einem jungen einen gereiften Tropfen machen, der schmeckt, als habe er viele Jahre im Fasskeller verbracht.

Versuch: Für den beschleunigten Reifeprozess im Do-it-yourself-Verfahren stehen drei Toasting-Varianten zur Wahl: natural (unbehandelte Eiche), medium (abgeflämmt) und charred (also verkohlt). Die Frage, wie intensiv die Fassinnenseite mit Feuer abgeflämmt wurde, entscheidet darüber, wie stark das Holz sein Aroma an den Inhalt abgibt. Für den Anfang wählen wir die goldene Mitte und füllen Pinocchio wie geraten mit warmem Wasser, damit das Holz seine Poren öffnet und der Wein atmen kann. 12 Stunden später schütten wir etwas aus, was die Farbe von Cognac hat, nach Kohle riecht und nicht wirkt, als sollte man es trinken. Jetzt darf der Wein rein. Nicht einfach, weil die Holzpulle nicht den kompletten Inhalt fasst und sich der Füllstand nicht erkennen lässt. Beim Umfüllen läuft einiges daneben, ein weiterer Teil wird in den kommenden Tagen über das Holz verdunsten und muss nachgefüllt werden. Pinocchio mag alles, was mehr als 12 Volumenprozent Alkohol hat. In kühler, nicht zu trockener Umgebung sollten reife Weine dann bis zu drei Wochen lagern, für Bier und Spirituosen genügt eine Woche.

Kostprobe: Wir versuchen den eingefüllten Merlot aus dem Supermarkt (4,79 Euro) erstmals wie vorgeschlagen nach 15 Tagen und stellen fest: Ganz schön viel Schwund. Etwa ein Fünftel des Inhalts ist verdunstet, der Rest schmeckt, als hätte man sich die Zähne mit Grillkohle geputzt. Hatte vielleicht schon beim Winzer im Holz gebadet. Also wegschütten und alles nochmal. Zum Glück hat Pinocchio keinen Lieblingswein geschluckt. Der kann ohnehin kaum besser werden. Ein schlechter Wein wird's durch das Bad im Holz aber auch nicht, wie der Zweitversuch mit einem Tempranillo aus dem Rioja zeigt. Der Zwei-Euro-Neunzehn-Wein verklebt den Gaumen mit einem Gout von verkohlten Kirschen und ist ebenfalls untrinkbar.

Fazit: Wer daheim Winzer spielen will, muss Lehrgeld zahlen, sich über Versuch und Irrtum an die optimale Lagerzeit herantasten und dabei berücksichtigen, dass die Holzflasche mit jeder Verwendung weniger Geschmack abgibt. Besser ist wohl, diesen Job erfahrenen Kellermeistern zu überlassen. Bis zu 20 Mal kann Pinocchio befüllt werden, dann taugt die hübsche Holzflasche (69 Euro, www.pinocchiobarrique.com) nur noch als Dekoration. Ein Dasein, das ihr Erfinder übrigens vorhergesehen hat: Auf Wunsch rüstet er sie zur Hängeleuchte um. Schöne Idee. Und günstiger, als drei Kisten Wein in den Abfluss zu gießen.

Alle bisherigen Folgen gibt es unter ku-rz.de/ausprobiert