Nicole Mieding hat's ausprobiert: Dampfen ist das neue Rauchen

Gegen Raucherhusten ist nun angeblich ein Kraut gewachsen. „Rauchen, nein danke – let's seng“ wirbt die Regensburger Firma Seng Vital. Wobei „Seng“ nicht etwa für Kokeln, sondern das gleich lautende Wort für Mönch auf Mandarin steht. Damit ist auch schon gesagt, was einem die neuen Seng Vital Sticks angeblich bieten – nämlich asiatische Milde und Gelassenheit.

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Nicole Mieding testet elektrische Kräuterzigaretten

Befürworter von blauem Dunst kann es ja ohnehin kaum noch geben. Die letzten verbliebenen Nikotinjunkies versuchen sich derzeit von ihrer Sucht mittels E-Zigaretten zu entwöhnen. In Zeiten gesunder (bisweilen fast suchthafter) Selbstoptimierung ist zur Sublimierung die Technisierung der Zigarette weit vorangeschritten. Nun also der „aroma Vaporizer“ (sic!), die angeblich gesunde Alternative zum Rauchen. Kein Nikotin. Kein Teer. Keine Asche. Stattdessen Kräuter aus kontrolliertem Anbau. Das hört sich doch gut an.

Die Verpackung hat eindeutig den körperbewussten, weiblichen Teil der Bevölkerung im Visier: Die elektrischen Kräuterzigaretten, die keine sind, sehen aus wie eine Schminkstiftkollektion in Karnevalsfarben. Je nach Geschmacksrichtung joggen junge, schlanke Frauen bauchfrei am Strand („sporty“:), zeigen makellose Haut-Haare-Zähne-Nägel („beauty“) oder machen Yoga zum Sonnenuntergang („relax“). Lediglich Blau scheint sich auch für Jungs anzubieten: Die Aromen Lavendel und Minze stehen für den Typ „vital“, der durchtrainiert auf einem Jetski übers Wasser prescht.

Der erste Zug zeigt, warum das so ist: An einem Kajalstift nuckeln höchstens Teenager, allenfalls noch Metrosexuelle in aller Öffentlichkeit. Die Vorstellung, auf einem Kuli zu kauen, hält bis zum Augenblick des Inhalierens, weil an der Spitze des „Beauty“-Sticks dann anstelle von Glut ein violettes LED-Licht aufglimmt. „Relax“ leuchtet grün, „sporty“ orange und „vital“ blau, jeweils passend zur Stiftfarbe. Raucher kommen damit nicht weit, wohl doch eher ein Modeaccessoire.

Beim Inhalieren stellt sich aber doch eine Illusion von Rauchen ein. Luft wird pfeifend durch den Stift gesaugt. Am Gaumen und im Rachenraum entwickeln sich je nachdem Frucht- oder Kräuternoten. Ein Aromenmix, der beim Ausatmen als weißer Rauch entweicht. Ja, doch, dieses Tun hat meditative Züge. Denkt man beim Paffen, während man auf einer Art Saunaaufguss kaut. Kein falscher Eindruck, bei der Geschmacksrichtung „relax“ qualmt man Ylang Ylang, Rosmarin und Salbei in Form verdampfter ätherischer Öle und natürlicher Aromen.

Die Reichweite der Verdampfer schlägt jede Stresszigarette um Längen: Erst nach 500 Zügen, gern in Etappen, haucht der elektrische Glimmstängel sein Leben aus. Einfach wegwerfen darf man ihn nicht. Entsorgt wird er wie Elektromüll über die kommunale Sammelstelle.

Preis: Knapp 10 Euro kostet ein „Genuss-Stick“ für Gesundheitsbewusste, im Viererpack wird's günstiger. Der Gegenwert ist ein reines Naturprodukt, der Inhalt besteht zu 100 Prozent aus organischen Kräutermixturen. Vernebelt wird auf der Basis organischen Alkohols und nicht wie bei E-Zigaretten mit dem möglicherweise schädlichen Propylenglycol.

Fazit: Zum Ersatz für Zigaretten taugen die Aromensticks nicht, dazu fehlen Tabak und Nikotin. Die Sticks sind eine Instantaromatherapie für Hand- oder Hemdbrusttasche. Die Aromen haften lang am Gaumen und wabern als süßlicher Wohlfühlnebel durch den Raum. Schön und sportlich macht das Dampfen sicher nicht. Aber doch gelassen. Ein spaßiges Lifestyle-accessoire. Fühlt sich an wie Räucherstäbchen paffen.