Von krummen Gurken und bleihaltigen Buntstiften
So bizarr die „Gurkenverordnung“ auch scheinen mag, wirtschaftlich hatte sie ihre Berechtigung: Gerade Gurken können nicht nur leichter zu Salat verarbeitet werden, sie passen vor allem auch besser in die Transportkisten als ihre krummen Kameraden. Für den Handel war die Verordnung also ein Segen. Dem Spott und dem Unverständnis, den die Regelung beim Rest der Bevölkerung hervorrief, trotzte die Kommission ganze 20 Jahre lang – bis 2009, als die Verordnung schließlich außer Kraft trat. Zu groß schien der Imageschaden, den sie der EU zugefügt hatte. Die Abschaffung wollte Brüssel stolz als Symbol für Bürokratieabbau verkaufen, doch so richtig scheint das nicht geklappt zu haben. Viele EU-Bürger sind immer noch der Meinung, dass die Regelung weiterhin besteht. Tatsächlich blieb auch das Comeback der „krummen Gurken“ in unseren Supermärkten aus. Der Großteil der Händler orientiert sich nämlich weiterhin an dem genormten Krümmungsgrad – so bizarr es auch klang, es hatte ja seinen Sinn.
„EU verbietet Buntstifte und Wasserfarben“ titelte am 27. Januar 2017 die „Bild“-Zeitung. Richtig, aber dafür auch weniger skandalös wäre der Titel „EU schützt Kinder vor Blei“ gewesen. Denn tatsächlich hat die EU die Grenzwerte das Schwermetall in Kinderspielzeug verschärft.Doch wie kam das Gerücht, es gebe ein Verbot von Buntstiften und Wasserfarben, zustande? Rund 30 Prozent dieser Malutensilien sowie Fingerfarben entsprachen damals noch nicht den verschärften Grenzwerten – anders als der Großteil von Spielwaren. Die Hersteller mussten also den Bleigehalt in diesen Produkten senken – von einem gänzlichen Verbot konnte keine Rede sein. Auslöser der schärferen Richtwerte war übrigens nicht der „Regulierungsirrsinn aus Brüssel“, sondern neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die zeigten, dass der Stoff für Kinder gefährlicher ist als angenommen. Entschieden haben die neuen Grenzwerte auch nicht allein die „Brüsseler Bürokraten“ – sowohl die Mitgliedstaaten als auch das Europaparlament stimmten der Verschärfung der Grenzwerte zu.
Jasmin Kohl