Steuerzahlerbund: Neues Wahlrecht wird teuer – Präsident sieht Mehrkosten von bis zu 120 Millionen Euro

Berlin Das neue Wahlrecht könnte dazu führen, dass der Bundestag auf bis zu 800 Abgeordnete anwächst. Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Rainer Holznagel, warnt vor einem viel zu teuren und kaum noch handlungsfähigen Parlament. Die Chance, das Wahlrecht zukunftsweisend zu reformieren, wurde aus seiner Sicht verpasst.

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Das Interview mit Rainer Holznagel:

Was kostet das neue Wahlrecht den Steuerzahler Ihren Berechnungen zufolge?

Noch steht nicht fest, wie viele Abgeordnete es denn werden. Wir rechnen aber mit Mehrkosten zwischen 60 und 120 Millionen Euro, je nachdem, ob es 700 oder aber bis zu 800 Abgeordnete sind. Es ist für den Steuerzahler definitiv ein teures neues Wahlrecht.

Zu teuer?

Viel zu teuer. Es werden damit erhebliche Mehrkosten in Kauf genommen, und es wurde die Chance verpasst, das Parlament weitreichend zu reformieren und zu verkleinern. Weniger ist in diesem Fall eindeutig mehr: Schon jetzt ist das Parlament mit seinen 620 Abgeordneten kaum handlungsfähig. Eine Reform hin zu weniger Abgeordneten wäre zukunftsweisend gewesen, nicht nur in finanzieller Hinsicht.

Deutschland hat mehr als 80 Millionen Einwohner, andere Länder haben gemessen an ihrer Einwohnerzahl doch noch erheblich größere Parlamente …

Wenn man die reine Zahl betrachtet, zählt der Bundestag schon jetzt zu den größten Parlamenten der Welt. Darüber hinaus haben wir ja auch noch Landtage und Kreistage. Wir haben damit eine gigantische Mandatsstruktur in Deutschland. Das trägt nicht gerade dazu bei, dass Politik effizienter wird. Außerdem wird diskutiert, ob künftig noch mehr in Brüssel entschieden werden soll, gleichzeitig schaffen wir in Deutschland mehr Abgeordnete – das ergibt doch keinen Sinn.

Wie wirkt sich das auf die Akzeptanz des Parlaments beim Bürger aus?

Die Steuerzahler reagieren missmutig, wenn sie in den Nachrichten sehen, dass nur ein paar Dutzend Abgeordnete im Plenum sitzen und der Debatte folgen. Gleichwohl wissen die Steuerzahler, dass ein Großteil der Arbeit außerhalb des Parlaments geleistet wird und die nicht Anwesenden deshalb nicht zwangsläufig faul sind. Trotzdem: Die Bevölkerung hat kein besonders gutes Bild von unserem Parlament. Das neue Wahlrecht führt auch in dieser Hinsicht nicht zu einem besseren Demokratieverständnis.

Der Bundestag wächst seit Jahrzehnten
Foto: Bundeswahlleiter

Was wäre denn Ihr Vorschlag für eine bessere Reform des Wahlrechts gewesen?

Der Bundestag muss sich verkleinern und seine Entscheidungen beschleunigen. Wir sind der Ansicht, dass 500 Abgeordnete ausreichen. Dazu müsste man die Wahlkreise in Deutschland neu zuschneiden.

Politik ist komplexer geworden, und die Abgeordneten brauchen heute sehr viel Fachwissen. Wäre es da nicht ein Widerspruch, weniger Parlamentarier zu haben?

Gleichzeitig würden wir den Abgeordneten mehr Mitarbeiter und damit mehr Fachwissen zugestehen, damit endlich Waffengleichheit zwischen Bundesregierung und Bundestag herrscht. Im Augenblick besteht hier ein Ungleichgewicht. Die Regierung hat ein Heer von Beamten, den Parlamentariern fehlt Fachpersonal.

Wäre das dann nicht bloß eine Umschichtung von Kosten?

Nein, jeder Abgeordnete erhält ja auch eine Entschädigung, Sachleistungen, Dienstreisen, Pensionen und so weiter. Das sind bei 620 Abgeordneten schon jetzt 366 Millionen Euro pro Jahr.

Ist denn mit dem neuen Wahlrecht das letzte Wort gesprochen?

Viele sind unzufrieden damit, auch viele Abgeordnete halten es für einen schlechten Kompromiss. Für diese Bundestagswahl wird es sicher so angewendet. Und danach wird es umso schwieriger, von eventuell 800 Abgeordneten auf 500 zu schrumpfen. Das wird ein schmerzlicher Eingriff. Deshalb sucht der Bund der Steuerzahler schon jetzt das Gespräch mit den Fraktionen. Wir wollen, dass sie Farbe bekennen.

Das Gespräch führte Rena Lehmann