RZ-INTERVIEW mit Horst Seehofer: Schwarz-gelb in Bayern und im Bund

Plenarsitzung im Landtag
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: DPA

Elf Monate vor den Wahlen in Bayern und im Bund läuft CSU-Chef Horst Seehofer langsam zur Höchstform auf. Im Interview mit unserer Zeitung lehnt er eine Frauenquote ab, wirbt für eine PKW-Maut und distanziert sich von den Grünen.

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Elf Monate vor den Wahlen in Bayern und im Bund läuft CSU-Chef Horst Seehofer langsam zur Höchstform auf. Im Interview mit unserer Zeitung lehnt er eine Frauenquote ab, wirbt für eine PKW-Maut und distanziert sich von den Grünen.

Warum stellen Sie plötzlich die Studiengebühren infrage?

Bayern ist jetzt in der Lage, das Aufkommen der Studiengebühren aus seinem Haushalt zu finanzieren, ohne die Studenten heranziehen zu müssen. In unserer finanziell glänzenden Situation, wo wir sogar alle Schulden zurückzahlen können, ist es der Bevölkerung kaum zu erklären, dass Bayern von seinen Studenten Gebühren verlangt und das Land Berlin mit unserem Geld aus dem Länderfinanzausgleich die Studenten von den Gebühren befreit.

Ihr Wissenschaftsminister von der FDP bezweifelt, dass der Wegfall der Studiengebühren voll kompensiert wird durch Haushaltsmittel.

Dafür kann doch niemand besser sorgen als der, Minister, der selbst in der Verantwortung ist, nämlich der Wissenschaftsminister. Mir ist es mit der Abschaffung der Studiengebühren sehr ernst. Und sie werden abgeschafft: von der Volksvertretung oder vom Volk.

Sind Sie nicht allzu fix eingeschwenkt auf das Nein zu Studiengebühren, nachdem sich zu Beginn des Wahljahres 2013 ein bayerisches Volksbegehren gegen die ungeliebten Gebühren abzeichnet?

Man muss als verantwortlicher Politiker doch auf veränderte Situationen reagieren. Neu ist, dass wir uns mittlerweile den Ersatz der Studiengebühren aus dem Haushalt leisten können.Und nicht länger hinzunehmen ist dass wir immer mehr an andere Bundesländer zahlen, die dann mit unserem Geld ihre Studenten von den Studiengebühren entlasten.

Es wird aber ein großer Entwurf der Union, nämlich mittels Studiengebühren mehr Qualität an den Hochschulen zu bringen, zu Grabe getragen.

Ich möchte, dass niemand in Bayern sagen kann: Mein Kind kann nicht zur Uni, weil ich kein Geld dafür habe. Auch die allein erziehende Mutter muss in der Lage sein, dass ihr Kind studiert Wenn Bildung das wichtigste Rüstzeug ist, muss ein Staat auch den Kindern aus bescheidenen Verhältnissen die Chance bieten, gebührenfrei zu studieren. Es geht immerhin um tausend Euro im Jahr. Die FDP, die für die Beibehaltung der Studiengebühren ist, will, wegen zehn Euro (!) pro Quartal die Abschaffung der Praxisgebühr..

Soll jetzt die Krankenschwester via Steuern die Studiengebühr-Freiheit des Chefarzt-Kindes bezahlen?

Stimmt ja nicht. Was ist das für ein Vergleich! Für die Krankenschwester ist doch entscheidend,, ob ihr eigenes Kind gebührenfrei studieren kann. Man zieht ja auch nicht den Vergleich, das mit den Steuern von kleinen Leuten auch das Abitur der Kinder gut situierter Familien mit bezahlt wird.

Glauben Sie, dass der ins Gerede gekommene Peer Steinbrück Kanzlerkandidat der SPD bleiben wird?

Ich kenne Peer Steinbrück aus der gemeinsamen Zeit in der großen Koalition, und deshalb habe ich schon vor Monaten gesagt: Nicht er, sondern Sigmar Gabriel wäre für die Union der gefährlichere SPD-Kanzlerkandidat. Also: Hoffentlich hält die SPD an Steinbrück fest.

Warum halten Sie Steinbrück für einen vergleichsweise leichten Gegner?

Leichte Gegner gibt es nicht. Steinbrück hat Talent, Aufsehen zu erregen, aber er hat nicht dasselbe Talent für Substanz in der Politik.. Ich kenne ihn wirklich gut.

Wie stehen Sie zu schwarz-grünen Regierungen?

Ich will, dass wir weiter mit den Liberalen die Regierung bilden – auf Bundesebene sowie in Bayern.

Und wenn es nicht reicht?

Dann müssen sich Demokraten zusammen setzen und eine Lösung finden.

Die Entscheidung der Grünen für die moderate Spitzenkandidatin Göring-Eckardt ist für Sie kein Signal für schwarz-grüne Optionen?

Nein. Es gibt ja jetzt die Trittin-Grünen. Trittin bestimmt bei den Grünen die Schlagzahl: Vergemeinschaftung der Schulden in Europa, Zwangs-Einheitsschule, Drogenfreigabe, Steuererhöhungen, von der Einkommen- bis zur Erbschaftsteuer. Ich sage deshalb zu Schwarz-Grün: Nichts als Trockenschwimm-Übungen.

Die EU-Kommission hat sich auf Initiative von Justiz-Kommissarin Viviane Reding überraschend auf eine Frauenquote von 40 Prozent für Aufsichtsräte geeinigt. Bringt das der Quote den Durchbruch?

Kein Bayerischer Ministerpräsident hat so viele Frauen in seiner Partei und in der Staatsregierung in führende Positionen gebracht wie Horst Seehofer.

Die EU zielt auf die private Wirtschaft, die offenbar noch Nachhilfe braucht.

Auch wenn ich eine Frauenquote in der CSU eingeführt. habe, so ist es doch ein Unterschied, so etwas in der eigenen Familie zu machen, oder es Dritten aufzubürden. Europa hat im Moment wirklich andere Aufgaben als sich mit einer Frauenquote für Aufsichtsräte zu beschäftigen. Für dieses Thema ist sind die Kommission und Europa nicht zuständig. Die Bundesregierung muss dies ablehnen. Im Übrigen ist die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern wichtiger.

Die EU-Kommissarin Reding argumentiert, in den vergangenen zehn Jahren ist in der Wirtschaft nichts passiert. Deshalb müssen die Unternehmen zu ihrem Glück gezwungen werden.

Die Kommission soll sich nicht in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Wir müssen mit aller Macht den Euro stabilisieren und die grassierende Arbeitslosigkeit in den Schuldenländern bekämpfen. Da hat die Kommission genug zu tun. Wir befinden uns in Europa in einer Rezession, und die Antwort der Kommission ist die Frauenquote. Da platzt mir doch die Hutschnur.

Auch der deutsche Vertreter, der Christdemokrat Oettinger hat zugestimmt.

Das hilft ja nichts, auch der kann irren.

In der Euro-Krise kann sich das insolvenzgefährdete Griechenland kaum aus eigener Kraft aus dem Sumpf ziehen. Brauchen wir direkte Hilfen aus dem Haushalt, wie es derzeit in der Bundesregierung diskutiert wird?

Ich werde das für die CSU ablehnen. Ich habe immer die Auffassung vertreten: Hilfen nur gegen Auflagen. Das hat uns bei der Krisenbewältigung in den vergangenen drei Jahrengeleitet. Es war richtig und es gilt auch für die Zukunft – auch in Griechenland.

Sehen Sie wirklich eine Trendwende in den Krisenstaaten?

Die wirtschaftliche Situation hat sich insgesamt in Europa verschlechtert. Das macht es für diese Länder noch schwieriger, aus der Schuldenkrise zu kommen. Deshalb kann man darüber reden, ob sie mehr Zeit erhalten.. Und wir müssen bei allem Nachdruck für Sparen und Reformen darauf achten, dass die Politik mehr auf das Wirtschaftswachstum Rücksicht nimmt.

Sie waren schon strenger mit den Schuldnerstaaten. Was hat Sie zur europapolitischen Taube gemacht?

In allen meinen Reden betone ich das Bekenntnis zu Europa. Die CSU war immer die Partei Europas. Und daran hat sich nichts geändert. Ich selbst halte die europäische Einigung für die genialste Friedens-Idee nach dem Kriege.

Da klingen Ihre Kabinettsmitglieder wie Finanzminister Markus Söder anders. Brauchen wir jetzt mehr oder weniger Europa?

Wir brauchen das richtige Europa:Ein Europa, das sich um die wichtigen Dinge kümmert, ein Europa der Bürgernähe und ein Europa der Transparenz. , Dafür kämpfe ich. Wenn aber die EU so etwas wie der Frauenquote oder eine Tachographenpflicht einführen will, der Mittelständler vorschreibt, wie lange sie am Steuer sitzen dürfen, müssen sie mit meinem energischen Widerstand rechnen..

Wie stark ist die CSU eigentlich noch? In der Koalition hat sie nach jahrelangen Diskussionen das Betreuungsgeld durchgesetzt, über das die Zeit schon hinweggegangen war.

Da irren Sie. Das Betreuungsgeld ist aktueller denn je. Die CSU macht langfristige Politik.. Gegen alle Widerstände haben wir einen wichtigen Punkt bei der Kinderbetreuung gesetzt. Die Eltern sollen frei entscheiden können, ob sie eine öffentliche oder private Kinderbetreuung in Anspruch nehmen oder die Kinder zu Hause aufziehen.

Selbst Ihr Bundesland Bayern ist viel moderner als Sie es glauben machen. Es hat die höchste Zahl an Kita-Plätzen und den höchsten Anteil an berufstätigen Frauen in Westdeutschland.

Bayern ist ein moderner und liberaler Freistaat. Dazu gehört, dass wir nicht nur für die Familien etwas tun, die Kita-Plätze brauchen, sondern für alle Familien. Dafür ist das Betreuungsgeld.

Mit einem anderen Politik-Ziel, der Pkw-Maut für ausländische Kraftfahrer sind Sie gescheitert?

Nein. Die Verkehrsinvestitionen, die notwendig sind, auf der Schiene, auf der Straße und auf dem Wasser, sind ohne eine Pkw-Maut für Autobahnen nicht zu finanzieren. Deshalb wird die Maut für Straßenbenutzer aus dem Ausland früher oder später kommen, spätestens in der nächsten Legislaturperiode, wenn wir wieder ein Mandat des Wählers bekommen. Davon gehe ich fest aus.