Warschau

Rassistische Gesänge, Pyrotechnik: UEFA greift durch

Bengalos
Kroatische Fans warfen Feuerwerkskörper auf das Spielfeld. Foto: Gerry Penny

Die UEFA greift durch! Egal, ob rassistische Gesänge, verbotene Fahnen oder Pyrotechnik: Die Europäische Fußball-Union muss sich so intensiv wie nie zuvor mit den unschönen Seiten des sportlich bislang so begeisternden Spektakels auseinandersetzen.

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Seit dem Auftakt der EM in Polen und der Ukraine vergeht kaum ein Tag ohne neue Verfahren, Ermittlungen oder Urteile durch den Kontrollausschuss. Vor den entscheidenden Spielen in der Gruppe A am Samstagabend, die das Aus von Gastgeber Polen und Geheimfavorit Russland besiegelten, mahnte sogar UEFA-Präsident Michel Platini die Fans zu einem fairen Auftreten an. Sie sollten sich «würdig und respektvoll verhalten», schrieb der Franzose in einer Presseerklärung. Der Großteil der Anhänger habe dies bislang auch getan, betonte Platini – und forderte das auch für die weiteren EM-Tage ein.

Dennoch lautet die Bilanz der UEFA während des ersten EM-Drittels: neun Verfahren gegen Nationalverbände, vier Urteile und drei Ermittlungen wegen Rassismusvorwürfen. Das Vorgehen der UEFA mutet strenger und kleinlicher an als in der Vergangenheit.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) musste 10 000 Euro Geldstrafe zahlen, weil einige Anhänger im Spiel gegen Portugal Papierkugeln auf den Rasen geworfen hatten. Die Portugiesen wiederum wurden zu einer Buße von 5000 Euro verurteilt, weil sie zu spät zum Anpfiff der zweiten Halbzeit aus ihrer Kabine gekommen waren. Vor dem letzten Vorrundenspieltag der Gruppe B drohte der europäische Dachverband dem DFB sogar mit Sanktionen, weil die Abschlusspressekonferenz vor dem Spiel gegen Dänemark ohne Bundestrainer Joachim Löw geplant war.

Doch bei der UEFA heißt es, dass es vor Turnierbeginn keine Anweisung gegeben habe, besonders hart und kompromisslos vorzugehen. «Das ist der normale Gang unseres Disziplinar- und Kontrollausschusses. Wenn etwas passiert, wenn wir auf etwas aufmerksam gemacht werden oder auch wenn wir Medienberichte lesen, handeln wir», sagte ein mit der Sache befasster UEFA-Offizieller.

Am härtesten traf die strenge UEFA-Gerichtsbarkeit bislang den russischen Verband. Nach Zwischenfällen beim EM-Auftaktsieg gegen Tschechien (4:1) muss der RFS den Abzug von sechs Punkten in der Qualifikation zur EM 2016 fürchten. Die Strafe wurde zur Bewährung bis zum Ende der Qualifikation ausgesetzt. Die Geldbuße von 120 000 Euro klingt zwar hoch, ist für den RFS aber verschmerzbar.

Die UEFA demonstrierte unmissverständlich, dass die Strafen je nach Schwere der Vergehen ausgesprochen werden. So hatten in diesem Fall russische Anhänger nicht nur Feuerwerkskörper auf das Feld geworfen und im Fanblock beleidigende Spruchbänder gezeigt. Auch hatten etwas 30 betrunkene Fans mehrere Ordner attackiert und vier von ihnen verletzt. Der Vorfall wurde auf einem Amateurvideo festgehalten und war daher schnell und eindeutig abzuurteilen.

Deutlich mühsamer und differenzierter sieht die Aufklärungsarbeit der UEFA bei den sich häufenden rassistischen Ausfällen aus. Nachdem schon vor Turnierbeginn polnische Fans mit Urwaldgeräuschen das Training der Niederländer störten, konnte der Verband diesen Vorfall lediglich «verurteilen». Während des Turniers jedoch heizten weitere rassistische Zwischenfälle die Diskussion um das Maß an Fremdenfeindlichkeit bei den EM-Gastgebern Polen und Ukraine an.

In den Fällen Mario Balotelli und Theodor Gebre Selassie hat die UEFA bislang nur Untersuchungen eingeleitet. Der Italiener Balotelli und der Tscheche Gebre Selassie sollen von Zuschauern beleidigt worden sein. Auch der angebliche Bananenwurf während der Partie Italien gegen Kroatien am Donnerstag in Posen hat bislang noch kein offizielles Disziplinarverfahren nach sich gezogen. Die Übeltäter sind oft schwer ausfindig zu machen in der Masse der Fans; Gebre Selassie selbst tat die Beleidigungen als «nichts Besonderes» ab.

Der kroatische Verband jedoch muss sich wegen rassistischer Gesänge seiner Fans in der Italien-Partie am Dienstag vor dem Disziplinar- und Kontrollausschuss verantworten. Die Kroaten gelten als «Wiederholungstäter»: Wegen des Zündens von Feuerwerkskörpern im Spiel gegen Irland wurden sie bereits zu 25 000 Euro verurteilt.

Fast schon amüsant mutet im Gegensatz dazu der Fall Bendtner an. Wegen einer Werbe-Aufschrift auf seiner Unterhose ermittelt die UEFA gegen den dänischen Stürmerstar Nicklas Bendtner. Ein Urteil wird am Montag nach dem letzten Gruppenspiel gegen Deutschland erwartet.