Berlin

Kubicki: Es war ungerecht und niederschmetternd

Die Partei muss sich ändern, sagt Wolfgang Kubicki (FDP) vor dem Sonderparteitag der FDP. Foto:
Die Partei muss sich ändern, sagt Wolfgang Kubicki (FDP) vor dem Sonderparteitag der FDP.

Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl im Herbst trifft sich die FDP am Wochenende zum Sonderparteitag. Doch nach Ansicht des designierten stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Wolfgang Kubicki darf sich die Partei nicht erst die Bundestagswahl 2017 als Ziel vornehmen.

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„Wir müssen möglichst jede Wahl gewinnen, damit nicht der Eindruck entsteht, die FDP habe keine Zukunft“, sagt Kubicki im Interview mit unserer Zeitung.

War das Bundestagswahlergebnis für die FDP einfach, niedrig und gerecht?

Es war nicht gerecht, es war niedrig, und einfach zu verarbeiten ist es schon gar nicht. Es ist niederschmetternd, bei 93 Abgeordneten und fünf Ministern von 15 auf unter 5 Prozent zu kommen.

Droht der FDP jetzt das Schicksal der DDR?

Nein, die DDR ist zusammengebrochen, weil es keine Zustimmung gab. Die Zustimmung zu den Positionen der FDP ist ja nach wie vor groß: 30 Prozent können sich vorstellen, eine liberale Partei zu wählen. Die FDP muss sich ändern, damit die Wähler aus diesem Potenzial wieder zu uns finden.

Aber bei den Umfragen tut sich nichts. Sie bleiben weit unter 5 Prozent.

Da kann ja auch noch nichts geschehen, weil wir erst am Wochenende eine neue Führung bekommen. Der Bundesvorstand ist zurückgetreten, die Minister sind nur noch geschäftsführend im Amt, halten sich mit Äußerungen zurück. Wenn wir uns personell neu aufgestellt haben, gehen mit Sicherheit auch die Umfragewerte wieder rauf.

Es liegt also an der Führung?

Es liegt immer auch am Personal: Köpfe transportieren Themen. Die machen die FDP nach außen sichtbar. Dahinter werden sich sicherlich wieder viele Menschen in Deutschland versammeln können.

Wie steht es um Ihre eigene Analyse, die Marke FDP sei in „Generalverschiss“ geraten?

Das war vor zwei, drei Jahren auch so. Wenn wir bei allen Wahlen unter 5 Prozent landen, dann muss das am Bild der FDP insgesamt liegen. Dieses großmäulige Auftreten, die nicht gehaltenen Versprechen und zum Schluss das jämmerliche Bild, mit mangelnder Souveränität in den Wahlkampf zu gehen, das hat die FDP vielen Menschen verleidet, und das Ergebnis haben wir dann am Wahltag bekommen.

Gäbe es eine gute Fee, die ihnen die Chance gäbe, 2009 mit 15 Prozent neu anzufangen, was würden Sie anders machen?

Wir würden unser Verhältnis zur Union anders gestalten und uns nicht mehr auf Prüfaufträge verlassen, durch die unsere Vorhaben auf die lange Bank geschoben werden. Wir würden ganz konkret festlegen, wie zum Beispiel die Steuerreform zu welchen Stichtagen in welchen Schritten umgesetzt wird. Wir waren einfach zu zurückhaltend und haben uns von der Union viel zu viel gefallen lassen. Das hat sich gerächt.

Können Sie sich erklären, warum der historische Rauswurf der FDP aus dem Bundestag mit so viel Häme begleitet wurde?

Für Spott hat sich die FDP ja geradezu angeboten, nicht nur bei Satiresendungen. Wer martialisch zu liefern verspricht und dann nichts bringt, der lädt zur Häme doch geradezu ein. Zum Schluss hatten wir nur noch eine mitleidheischende Wahlkampfführung. Da konnte das Echo nur entsprechend sein.

Bleibt für Wahlsieger Westerwelle nur der Weg in die Wüste?

Er war nicht nur der Wahlsieger von 2009, ihm hat die FDP viel mehr zu verdanken. Nach wie vor ist er ein begnadeter Redner, der ganze Säle mitreißen kann. Auch als Außenminister hat er sich viel Respekt erworben. Ich wünsche mir, dass er nach seiner angekündigten kontemplativen Phase auch wieder in die Parteiarbeit zurückkehrt. Wir brauchen jede Kraft, um uns auf dem Markt der Meinungen durchzusetzen, ganz besonders Guido Westerwelle.

Braucht die FDP inhaltlich ein neues Megathema?

Wir brauchen nicht ein einzelnes Thema, das die Medien mal kurz nach oben spielen. Wir müssen Lösungen für eine Vielzahl von Herausforderungen anbieten. Vermutlich werden die Antworten der Großen Koalition auf die wichtigen Fragen nicht ausreichen. Also: Wie gehen wir mit dem Fachkräftemangel durch intelligente Einwanderungspolitik um? Wie lösen wir die Aufstiegsgarantie durch gute Bildung ein? Wie sichern wir den Rechtsstaat in Zeiten von Big Data? Ich bin sicher, dass viele Menschen im Land ein liberales Lebensgefühl haben und selbst gestalten wollen. Das ist der Humus für die Liberalen.

Muss die FDP zur Europawahl nächsten Mai wieder da sein oder hat sie Zeit bis 2017?

Wir haben keine Zeit bis 2017. Nächstes Jahr sind elf Kommunal-, drei Landtags- und die Europawahlen. Jede Wahl ist jetzt eine Nagelprobe für die FDP. Nun gilt: Jeder ist für seine Region selbst verantwortlich, auf „die in Berlin“ kann man nicht mehr zeigen, denn die gibt es nicht mehr. Wir müssen möglichst jede Wahl gewinnen, damit nicht der Eindruck entsteht, die FDP habe keine Zukunft.

Die Fragen stelle Gregor Mayntz