Kritik Parkour

Kritik Parkour
Fast wie Vögel: Richie (Christoph Letkowski) und seine Kumpels beim Parkour-Laufen. Foto: DPA

Parkour, das ist eine dieser wilden, hippen Extremsportarten, die in den letzten Jahren Furore machten. Unzählige Clips bei YouTube künden davon, und auch Daniel Craig durfte im James Bond „Casino Royale“ schon in Parkour-Manier von Hindernis zu Hindernis hopsen.

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Parkour, das ist eine dieser wilden, hippen Extremsportarten, die in den letzten Jahren Furore machten. Unzählige Clips bei YouTube künden davon, und auch Daniel Craig durfte im James Bond „Casino Royale“ schon in Parkour-Manier von Hindernis zu Hindernis hopsen. Unter anderem geht es darum, Barrieren im urbanen Raum möglichst effizient zu überwinden. Nun schuf Regisseur Marc Rensing mit seinem Spielfilmdebüt „Parkour“ ein packendes Psychodrama. In der Hauptrolle brilliert der noch weitgehend unbekannte Christoph Letkowski. Von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden gab es für das Werk das Prädikat „besonders wertvoll“.

Affengleich bewegt sich Richie, der selbstständige Gerüstbauer, von Mauer zu Mauer, von Vorsprung zu Vorsprung, von Balkon zu Balkon. Keine Hürde, die von dem Parkour-Fan nicht mit Leichtigkeit genommen würde. Die Mitglieder der kleinen Gang, mit der Richie einen Großteil seiner Freizeit verbringt, erinnern mal an agile Comic-Helden, mal an die rennenden und springenden Protagonisten von Computerspielen.

In Liebesdingen indes macht es sich Richie unnötig schwer: Mit wachsender Eifersucht belauert er das Tun seiner hübschen Freundin Hannah. Diese steht kurz vor dem Abitur, hat es aber nicht so mit den mathematischen Formeln. Richie bittet Nonne, einen seiner Parkour- Kumpel, ihr Nachhilfe zu geben, verdächtigt seinen Freund dann aber, es auf Hannah abgesehen zu haben. Überhaupt hat er furchtbare Angst, seine Freundin könnte ihn nach dem Abitur verlassen, in einer anderen Stadt studieren.

Dazu gesellen sich Probleme bei der Arbeit, sein letzter Auftraggeber schuldet ihm Geld; obendrein noch dieser schreckliche Unfall, bei dem nicht klar ist, wieviel Schuld Richie daran trägt. Langsam aber sicher verliert er den Halt. Richie, der doch beim Parkour so behände eine Schwierigkeit nach der anderen meistert, ist vom eigentlichen Leben zunehmend überfordert, gerät schließlich in eine fatale Abwärtsspirale. Er steigert sich immer mehr hinein in seinen Wahn, bis er wirklich Gespenster sieht.

Christoph Letkowski, der muskulöse, teils animalisch anmutende Hauptdarsteller, wird flankiert von einem kongenialen Ensemble, dem neben Nora von Waldstätten („Falscher Bekenner“) als Richies Freundin auch Constantin von Jascheroff („Leroy“), Georg Friedrich („Nordwand“) sowie Arved Birnbaum („Emmas Glück“) angehören.

Selten strotzte ein deutscher Film so vor Energie und Leidenschaft, selten aber auch traf man zuletzt auf so glaubwürdige Tragik im jungen deutschen Kino. Die Konsequenz, mit der Regisseur Rensing, der als Koautor auch für das Skript verantwortlich zeichnet, die Geschichte vorantreibt, ist bemerkenswert. Eine pointierte Lichtdramaturgie und flotte Schnitte intensivieren den Eindruck. Auch begeistert, dass man dem jungen Liebespaar jede Geste der Zuneigung abnimmt.

Nora von Waldstätten, unlängst beim Filmfestival Max Ophüls Preis als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet, macht ihre Sache hervorragend. Christoph Letkowski kann man förmlich dabei zusehen, wie er in die Rolle des Richie hineinwächst. Zuletzt erinnert er ob seiner Leinwandpräsenz fast ein wenig an den jungen Robert De Niro. Schon jetzt ist „Parkour“, dieses Psychogramm einer großen Überforderung, eine der Überraschungen des Film-Jahres.

Matthias von Viereck