Berlin

Hintergrund: Die Sicherungsverwahrung

Anders als eine Freiheitsstrafe dient die Sicherungsverwahrung nicht der Sühne der Schuld. Vielmehr soll die Bevölkerung vor gefährlichen Tätern geschützt werden, die ihre Haftstrafe abgesessen haben, aber im juristischen Sinn kein Fall für die Psychiatrie sind.

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Berlin. Anders als eine Freiheitsstrafe dient die Sicherungsverwahrung nicht der Sühne der Schuld. Vielmehr soll die Bevölkerung vor gefährlichen Tätern geschützt werden, die ihre Haftstrafe abgesessen haben, aber im juristischen Sinn kein Fall für die Psychiatrie sind.

Die Sicherungsverwahrung ist das allerletzte Mittel für besonders gefährliche Täter. Voraussetzung für die Anordnung ist, dass psychiatrische Gutachter den Täter auch weiterhin als gefährlich einstufen.

Geregelt wird die Sicherungsverwahrung durch Paragraf 66 des Strafgesetzbuches (StGB). Danach kann das Gericht bei gefährlichen Straftätern mit dem Urteil eine anschließende Sicherungsverwahrung anordnen (primäre Sicherungsverwahrung). Oder es hält die Möglichkeit einer Anordnung offen (vorbehaltene Sicherungsverwahrung). Juristisch äußerst umstritten ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Sie ist seit 2004 möglich, wenn sich eine besondere Gefährlichkeit erst nach der Verurteilung herausstellt.

Ein Richter kann – etwa bei verurteilten Sexualverbrechern – die Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen. Hierzu müssen in der Haft aber neue Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit hinweisen. Das ist äußerst schwierig. Mit dem neuen Gesetz soll die nachträgliche Sicherungsverwahrung nun im Grundsatz abgeschafft werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden saßen zum 31. März 2009 insgesamt 491 Menschen in Sicherungsverwahrung. Der überwiegende Anteil waren Sexualstraftäter (248). Wegen Raubes und Erpressung saßen 100 Täter in Sicherungsverwahrung, weitere 80 wegen Gewaltdelikten. Nachträglich wurde die Sicherungsverwahrung nach Angaben des Bundesjustizministeriums nur bei gut einem Dutzend Menschen angeordnet.

Die Politik ist sich über die Notwendigkeit einer Reform einig, weil das Regelwerk wegen vieler Verschärfungen und Ergänzungen sehr kompliziert und zum Teil widersprüchlich geworden ist. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Dezember 2009 erhöhte den Handlungsdruck: Bis 1998 war die Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre befristet. Der Gesetzgeber hob die Frist aber später auf. Daraufhin wurde die Sicherungsverwahrung für einige noch vor 1998 verurteilte Täter rückwirkend verlängert.

Laut EGMR-Urteil ist das unzulässig. Einige Täter kamen deshalb in den vergangenen Monaten frei, darunter ein Sexualverbrecher, der nach seiner Freilassung im November in Duisburg ein zehnjähriges Mädchen angegriffen haben soll. Zudem bemängelten die Straßburger Richter, dass die Sicherungsverwahrung in Deutschland bislang nicht von einer Haftstrafe zu unterscheiden sei. dpa