Wer den Niederberger Dennis Graf glücklich machen will, der stellt ihn in eine Halle, in der Geräte und Greifarme etwas zusammenbauen. „Wenn ich Maschinen sehe, die tackern, dazu zwei, drei Roboter, die durch die Gegend fahren, da geht mir das Herz auf.“
Dennis Graf ist Spitzenkandidat der Freien Wähler Koblenz bei der Bundestagswahl und arbeitet in Vollzeit als Maschinenbaukonstrukteur in einem Koblenzer Unternehmen. Sein Job ist es, analytisch und zugleich kreativ zu überlegen, welche Teile in Produktionsabläufen sinnvoll wie zusammengesetzt werden können, sodass letztendlich alles reibungslos ineinandergreift.
Warum der 45-Jährige, der erst im Sommer bei den Freien Wählern eintrat, in die Bundespolitik gehen will? Dorthin, wo keine Maschinen passgenau arbeiten, sondern Menschen mit eigenen Köpfen und Ansprüchen agieren, wo Ampelkoalitionen platzen, weil Rädchen A nicht mehr zu Rädchen B und C passen mag?
„Ich will mein Wissen als ganz normaler Mensch einbringen“, sagt der 45-Jährige beim Treffen im Adaccio am Goerresplatz. „Viele Politiker in der oberen Liga im Bundestag wissen gar nicht mehr, was hier unten in der Kommune los ist, wenn man hier leben muss.“ Und Parteien seien oft eingefahren, nicht mehr innovativ. „Ich bringe frischen Wind rein“, sagt Graf, wenngleich er weiß, dass seine Chance gen null tendiert, ein Berlinticket zu ergattern. Die Freien Wähler rangieren in Wahlumfragen bei 1,8 Prozent, wären damit raus. Zudem steht Graf eh nicht auf der Landesliste, er ist neu und noch unbekannt.
„Ich sage im Gegensatz zu anderen: Wir bezahlen und investieren, indem wir Schulden machen – aber eben mit einem Return of Invest.“
Dennis Graf, Spitzenkandidat der Freien Wähler
Der Koblenzer, dunkle Haare, blaue Augen, fröhlicher Blick, am linken Daumen ein dicker Silberring, bestellt Cappuccino mit Hafermilch. Er packt den kleinen Doppelkeks aus, der neben der Tasse liegt: „Ich müsste mehr Sport machen“, sagt er, fasst sich an den Bauch und lacht. „Dafür bleibt aktuell keine Zeit.“ Wahlkampf eben.
Graf ist neu in der Politik, hat aber schon von klein auf mit seiner Mutter viel diskutiert. Er liebt es, Unbekanntes zu erfahren, sich Meinungen einzuholen, um zu einer eigenen zu finden, sagt der 45-Jährige.
Er hatte schon immer viele Ideen und konnte gut reden. Im vergangenen Jahr überlegte er, sich politisch zu engagieren. „Man kann nicht immer nur meckern, sondern soll es selbst besser machen.“ Die Freien Wähler überzeugten ihn im Kommunalwahlkampf. „Sie sind im Vergleich zu anderen relativ neutral“, fänden trotz verschiedener Ansichten der Mitglieder intern Kompromisse. Das passt zu Graf. „Leben und leben lassen“, ist sein Motto. Weil es keine Schnupperkurse gab, trat er in die Partei ein – wurde wenig später deren Spitzenkandidat.

Im Adaccio ist der Keks zerkaut, und Graf sagt, dass in Berlin offenbar niemanden mehr das normale Leben der Menschen interessiere: „Für den ein oder anderen von uns sind 50 Euro viel Geld.“ Er selbst hat Angst um seine Rente – und weiß, dass es vielen so geht. „Wo sind die schlüssigen Konzepte?“, fragt er.
Graf vermisst generell, dass wichtige gesellschaftliche Anliegen und Investitionen von der Bundesregierung mit Weitsicht auf Jahrzehnte geplant werden – unabhängig von Wahlperioden. „Man will heute oft sehr schnell ein Ergebnis der Investition sehen, aber das ist nicht zielführend.“ Um Dinge in Deutschland voranzubringen, müsse auch die Schuldenbremse zumindest für investigative Ausgaben gelockert werden, meint Graf.
Grafs Formel: f ördern, fördern, fördern
Addiert man seine Vorschläge, die noch folgen, kommt man auf die Formel: fördern, fördern, fördern. Der 45-Jährige betont: „Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren kaputtgespart, oder besser gesagt, sich mit Investitionen zurückgehalten.“ Deshalb entstand ein großer Sanierungsbedarf bei Brücken, Schulen, Straßen. „Ich sage im Gegensatz zu anderen: Wir bezahlen und investieren, indem wir Schulden machen – aber eben mit einem Return of Invest.“
Jeder Euro, der in Bildung, Weiterbildung, in Unternehmen, in Betreuung und Integrationshilfe für Flüchtlinge, in Infrastruktur und Gesundheit gesteckt wird, sei eine Investition, die sich für das Land auszahlt, Folgekosten vermeidet und zu mehr Wohlstand beitrage: besser ausgebildete Jugendliche und somit Fachkräfte, gesunde Firmen, integrierte und arbeitende Ausländer, die in die Steuersysteme einzahlen, gesündere Bürger und so weiter.

Im Gespräch spürt man, dass Graf zwar die parteipolitischen Positionen kennt, auf lokaler Ebene aber noch nicht überall trittsicher ist. „Ich bekomme einen Crashkurs in allem, aber es sind sehr viele Themen, die ich in kurzer Zeit bedienen muss.“ Dazu Vollzeitjob und Wahlkampf. Als es um die Buga und eine Priorisierung von Infrastrukturprojekten geht, sagt der 45-Jährige: „Da haben Sie mich erwischt!“ Er lacht. Generell hat er nur gehört, dass es an Transparenz unter den Kommunen mangeln soll.
Zu Wohnungsbau hat Graf indes eine Meinung: dass es nicht nur um sozialen Wohnungsbau gehen kann, sondern darum, unnötige Kosten zu senken und Bürokratie abzubauen. Für den Bau einer Dachgaube an seinem Haus habe es neun Monate gebraucht. „Formalitäten müssen digitalisiert und beschleunigt werden“, und Leerstände der Bima sollten genutzt werden. Gute Kommunikation sei wichtig, dafür will er sich einsetzen.
„Eine intensive Betreuung kostet Geld, und jeder, der integriert ist, hier arbeitet und Steuern zahlt, ist auch eine Investition in die Zukunft.“
Dennis Graf, FW-Spitzenkandidat zum Umgang mit Flüchtlingen
Die medizinische Versorgung sieht Graf weitgehend gesichert. Er begrüßt, dass in Koblenz ein Medizincampus mit dem Bundeswehrzentralkrankenhaus und dem Landeskrankenhaus entstehen soll, wo Nachwuchs ausgebildet wird. Graf meint, dass möglichst viele Krankenhäuser geöffnet bleiben müssen. „Kliniken und Notfallaufnahmen müssen in kurzer Zeit für jeden erreichbar sein.“
Sein Credo: „Gesundheit geht vor.“ Deshalb sollte auch der Bahnlärm im Mittelrheintal verringert werden: etwa durch mehr Schutzwände. Und Graf las über Forschungen: „Es ging um Gegenschallanlagen. Da sollten wir in Forschungen investieren.“ Private Maßnahmen sollten zudem über Förderung des Eigentümers unterstützt werden. „Sonst packt er es auf die Miete drauf.“
Graf: Kommunen sollen vom Bund finanziell unterstützt werden
Zur besseren finanziellen Ausstattung der Kommunen sagt er: „Wer Gesetze erlässt, muss auch die finanziellen Mittel bereitstellen.“ Er nennt die Flüchtlingsaufnahmen, die der Bund regelt und die die Kommunen überfordern. „Da muss Geld in die persönliche Betreuung der Flüchtlinge gesteckt werden.“
In der Migrationsdebatte ist Graf für „einen Mittelweg zwischen alles dicht machen und alles offen halten“. Der Koblenzer vermisst generell gemäßigte Haltungen. „Wo ist das Grau zwischen den Extremen?“ Integration gebe es nicht umsonst. „Eine intensive Betreuung kostet Geld, und jeder, der integriert ist, hier arbeitet und Steuern zahlt, ist auch eine Investition in die Zukunft.“ Für Schwerstverbrecher indes gilt: „Ab nach Hause.“ Abschiebung müsse schnell gehen, notfalls mit Druck auf die Länder, falls diese sich weigern, die Menschen zurückzunehmen.
Wirtschaft stärken mit besserer Förderung
Die Wirtschaft ankurbeln könne man, indem man Bürokratie abbaut und die Wege zwischen Behörden und Firmen vereinfacht. Und: „Firmen müssen ordentlich gefördert werden, um die erneuerbaren Energien zu integrieren.“ Energiepreise senken, zähle auch dazu. Dem Fachkräftemangel könne man durch „Weiterbildung und Migranten“ begegnen. Ein Transportfahrer kann auch Kfz-Mechaniker werden, meint Graf. Auch viele Migranten seien clever. „Die einen muss man machen lassen, andere an die Hand nehmen.“ Zudem sind Jugendliche besser als ihr Image, sagt Graf. „Die sind fleißig, die machen. Man muss sich aber auch um sie kümmern!“
Letztendlich hängt auch in der Politik alles mit allem zusammen – wie in einer Produktionsanlage. Das hat Graf erkannt. Wenn man etwas ändern will, führe das immer zu Problemen. „Wenn man ein Puzzleteil wegnimmt – was da alles dranhängt!“ Aber genau solche Herausforderungen mag er, um sie völlig neu zu denken.
Dennis Graf persönlich:
Dennis Graf ist 45 Jahre alt und lebt mit seiner Frau in Koblenz-Niederberg. Geboren wurde er in Schorndorf (Baden-Württemberg), zog 1992 nach St. Katharinen (Landkreis NR) und lebt seit 2008 in Koblenz. Als Jugendlicher machte er eine Ausbildung zum technischen Zeichner für Maschinen und Anlagenbau, ab 2016 bildete er sich drei Jahre lang weiter zum Maschinenbautechniker. Heute arbeitet Graf als Senior-Maschinenbau-Konstrukteur.
Politisch war er schon in der Jugend interessiert, aber nicht aktiv. Er fand früh Lego und dann zukunftsträchtige Umwelttechnik wie Wasserstoff interessant. Vor acht Monaten trat er bei den Freien Wählern (FW) ein, weil sie ihn bei der Kommunalwahl 2024 überzeugten. Er ist FW-D elegierter im Kreisverband Koblenz und Mitglied im Umweltausschuss der Stadt. Er liebt Pizza Funghi und hört breit gefächert Musik: von Hip-Hop über Klassik bis hin zu Techno. Urlaub macht er gern auf den griechischen Inseln. Beim Sport kann er entspannen, was aktuell zu kurz kommt.