Rheinland-Pfalz

Am Warntag wird es lauter: Kommunen haben wieder mehr Sirenen installiert

Von Birgit Reichert
Auch im Ahrtal werden am heutigen Warntag Sirenen – wie hier in Rech – losheulen. 85 neue Anlagen wurden dazu installiert, weitere sollen folgen. Die Flutkatastrophe im Juli 2021 war der Auslöser, das bestehende Warnsystem zu überdenken.
Auch im Ahrtal werden am heutigen Warntag Sirenen – wie hier in Rech – losheulen. 85 neue Anlagen wurden dazu installiert, weitere sollen folgen. Die Flutkatastrophe im Juli 2021 war der Auslöser, das bestehende Warnsystem zu überdenken. Foto: Thomas Frey/dpa

Der Warntag am heutigen Donnerstag ist auch vielerorts der Tag der Rückkehr der Sirenen. Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz haben nach der verheerenden Flut im Sommer 2021 mit teils zu späten Warnungen neue Sirenen aufgebaut, um die Bevölkerung besser alarmieren zu können.

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„Es reicht nicht, nur auf Apps zu setzen“, sagt der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD). „Die Erfahrung hat gezeigt: Wir brauchen auch die Sirene auf dem Dach.“ Der laute Heulton mache jedem klar, dass Alarm herrsche.

Im Trierer Stadtteil Ehrang, in dem Mitte Juli vergangenen Jahres Hunderte Häuser unter Wasser standen, sind seit Kurzem drei neue Sirenen am Start. Sie werden mit einem auf- und abschwellenden Heulton zu hören sein, wenn am bundesweiten Warntag um 11 Uhr ein Probealarm ausgelöst wird – ebenso wie 85 neu installierte elektronische Warnsirenen im Ahrtal, wo bei der Flut 134 Menschen getötet und Tausende Häuser verwüstet wurden.

Ahrflut hat Umdenken ausgelöst

Bei einem Testlauf der neuen Sirenen im Kreis Ahrweiler im November habe es „bei einigen wenigen“ noch kleinere Probleme gegeben, die aber nun behoben sein sollten, sagte die Sprecherin des Kreises in Ahrweiler. Zu den 85 neuen Sirenen kämen noch weitere hinzu. Andere Sirenen, die es in nicht flutbetroffenen Gebieten noch gebe, seien zur Alarmierung der Feuerwehren gedacht und würden am Warntag nicht ausgelöst.

Die Jahrhundertflut habe ein Umdenken ausgelöst, sagt der Leiter des Trierer Amtes für Brand-, Zivilschutz und Rettungsdienst, Andreas Kirchartz. Die Fachwelt sei sich schon länger einig gewesen, dass Sirenen noch mal aufgebaut werden müssten. Aber jetzt erst seien die notwendigen Gelder von Bund, Land und Kommunen „freigesetzt“ worden. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe zum Umdenken beigetragen, sagt der Chef der Trierer Berufsfeuerwehr.

So funktioniert das Cell Broadcast.
So funktioniert das Cell Broadcast.
Foto: dpa

Sirenen spielten im Mix von mehreren Warnmitteln eine hervorgehobene Rolle. „Man kann mit ihnen in sehr kurzer Zeit sehr große Bereiche warnen“, sagt Kirchartz. Und vor allem könnten Sirenen Menschen aufwecken: Über das Handy und Warn-Apps sei das schwerer möglich. „Ein Handy macht so oft ‚Bing‘ am Tag.“ Die Sirenen sollten die Bürger alarmieren, dass eine Gefahr droht – und dass sie sich informieren sollten.

Sirenen sind bundesweit vielerorts nach dem Ende des Kalten Krieges abgebaut worden, weil man glaubte, sie nicht mehr zu benötigen. Nach früheren Angaben des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gab es bis 1993 in ganz Deutschland rund 80.000 Sirenenstandorte. Davon wurden rund 40.000 abgebaut – 2018 teilte das Amt mit, bundesweit seien noch 15.000 Sirenen in der Lage, ein Warnsignal zu senden.

Heute sind Sirenen wieder begehrt. Der Bund unterstützt die Länder bei der Aufstellung neuer Sirenen und der Modernisierung alter Sirenen mit einem Förderprogramm. Aber die Abdeckung ist noch lückenhaft, sodass am Warntag nicht überall Sirenen heulen werden.

Die Kommunen sind aber dran. „Alle wollen Sirenen“, sagt Kirchartz. Auch in Mainz und Ludwigshafen werden neue Sirenen installiert oder bestehende Systeme umgerüstet. In Koblenz sind in den vergangenen zwei Jahren 26 Anlagen errichtet worden, die auch am Warntag getestet werden, wie ein Sprecher sagt. „Leider sind wir durch Lieferschwierigkeiten ausgebremst worden und haben es nicht geschafft, alle 46 Sirenen aufzustellen.“ Es gebe derzeit eine „sehr hohe Nachfrage nach Sirenen, während die Zahl der Hersteller überschaubar ist“.

Das Land hat Kreisen und Städten rund 8,7 Millionen Euro für den Kauf von 750 neuen elektronischen Sirenen bewilligt. Gut die Hälfte des Geldes davon stammt vom Bund. Nach Ansicht von Innenminister Michael Ebling (SPD) soll das Sirenenförderprogramm verstetigt werden. Eine „verstärkte Bitte“ habe die Innenministerkonferenz an den Bund gerichtet, sagt er.

Für ihn stehe „außer Frage“, dass es bundesweit einen weiteren Ausbau der Warnmittel brauche. Zum Warntag hätten rund 30 Kommunen im Land gemeldet, mit Sirenenwarnungen oder Lautsprecherdurchsagen dabei zu sein. In Rheinland-Pfalz waren von der Flut insgesamt rund 65.000 Menschen betroffen.

Gewarnt wird auf vielen Kanälen

Die neuen Anlagen werden meist auf Dächern und Masten angebracht. In Trier-Ehrang seien sie bei einem Testlauf jeweils 200 bis 400 Meter gut zu hören gewesen, hieß es von der Stadt Ende November. In der Moselstadt gab es Sirenen bereits seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr. Bis 2024 seien insgesamt 52 weitere Standorte geplant. Rund 1 Million Euro nimmt die Stadt für das Sirenennetz in die Hand.

Am Warntag wird die Probewarnung auch über andere Kanäle ausgelöst: über Radio und Fernsehen, über Warn-Apps wie Nina und erstmals über das Cell-Broadcast-Verfahren. Dabei geht eine Benachrichtigung an jedes Handy, das zu diesem Zeitpunkt Empfang hat. Entwarnung ist gegen 11.45 Uhr.

Der Warnmittelmix sei wichtig, sagt der Fachbereichsleiter Katastrophenschutz im Landesfeuerwehrverband Rheinland-Pfalz, Jens Thiele, in Landau. Gehe die Warnung über viele Wege raus, steige die Chance, mehr Menschen zu erreichen. „Wichtig ist, dass eine Warnung durch ein bestimmtes, unverwechselbares Signal Aufmerksamkeit erzeugt und danach ergänzende Informationen übermittelt werden.“

Künftig könnten im Mix noch Lautsprecherdrohnen dazu kommen. Sie seien sicherlich eine „eine interessante technische Alternative oder Ergänzung“, sagte Thiele. Die Technik sei aber noch „nicht vollends ausgereift und vor allem nicht in den Gemeinden vorhanden“.