Die Weinwelt wird weiblicher
Zwei Frauen, die „Bock auf Wein“ haben
Doris Emmerich-Koebernik begrüßt ihre Gäste mit einem Gläschen ihres 2014er Rieslingsekts Grand Reserve.
Cordula Sailer-Röttgers

Als Frau ein Weingut übernehmen? „Das kannst du auch“, dachte sich Doris Emmerich-Koebernik. Und machte es. Bei ihrer Winzerausbildung saß die heute 70-Jährige noch als einzige Frau in der Berufsschule. Inzwischen ist auch ihre Tochter im Betrieb.

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Immer mehr Frauen ergreifen einen Beruf in der Weinbranche. Das Deutsche Weininstitut (DWI) hat das zum Anlass genommen, um mehr als ein Dutzend Journalistinnen und Journalisten zu einer Rundreise durch die Anbaugebiete Rheinhessen, Nahe und Mosel einzuladen. Die Ziele: Weingüter mit starken Frauen, die Wein machen, neue Geschäftskonzepte umsetzen und Geschichten erzählen können, wie sie nur das Leben schreibt.

Vorab ein Blick in die Statistik: In den Bachelorstudiengängen rund um das Thema Wein, so das DWI, waren im Wintersemester 2024/25 fast die Hälfte (46 Prozent) der 169 neu eingeschriebenen Studierenden an deutschen Hochschulen Frauen. Lag der Frauenanteil im Studienbereich Weinbau/Oenologie nach Angaben der Hochschule Geisenheim dort im Jahr 2014 noch bei 26,6 Prozent, waren es 33,8 Prozent im Jahr 2023.

Frauenanteil in der Winzerausbildung nimmt zu

Und auch der Anteil der Frauen in der Winzerausbildung ist laut DWI gestiegen. Das Weininstitut hat die Neuverträge zur Winzerausbildung der vergangenen zehn Jahre ausgewertet, die vom Bundesinstitut für Berufsbildung erfasst werden. Danach lag der Anteil weiblicher Auszubildender im Fünfjahreszeitraum von 2014 bis 2018 bei durchschnittlich 22,5 Prozent. Im Zeitraum von 2019 bis 2023 kletterte dieser Durchschnittswert auf 30 Prozent.

Dass die Weinbranche weiblicher wird, dazu haben auch Frauen wie Doris Emmerich-Koebernik beigetragen. Sie empfängt an einem sonnigen Donnerstagmittag die Reisegruppe des Deutschen Weininstituts. Schauplatz: die Vinothek des Familienweinguts Emmerich Koebernik in Waldböckelheim, Kreis Bad Kreuznach, im Anbaugebiet Nahe.

„Es muss immer der beste Jahrgang unseres Lebens sein.“
Winzerin Doris Emmerich-Koebernik

„Es muss immer der beste Jahrgang unseres Lebens sein“, verrät Doris Emmerich-Koebernik einen Arbeitsgrundsatz. Gerade schenkt sie ihren Gästen einen trockenen, feinperligen 2014er Rieslingsekt aus – mehr als 100 Monate auf der Hefe gelagert. Das Weingut führt Emmerich-Koebernik gemeinsam mit ihrem Mann Ernst Günter Koebernik und Tochter Christiane Koebernik. Recht schnell landet die Seniorchefin mit den Journalisten beim Thema: Wie kam sie dazu, Winzerin zu werden?

Zunächst einmal stammt die 70-Jährige aus dem Waldböckelheimer Weingut. Doch dass eine Frau ein Weingut übernimmt, war vor ein paar Jahrzehnten keine Selbstverständlichkeit. Das zeigt eine prägende Kindheitserinnerung: Wenn damals Gäste ankamen, „waren wir immer gern dabei – die haben von den Städten erzählt und uns eine Tafel Schokolade mitgebracht“, erzählt Doris Emmerich-Koebernik. Vier oder fünf Jahre alt seien sie und ihre Zwillingsschwester damals etwa gewesen. Nach kurzer Zeit hätten jedoch alle Gäste dasselbe zu ihren Eltern gesagt: „Jetzt braucht ihr noch einen Nachfolger“, wiederholt die Seniorchefin die Worte von einst und fügt hinzu: „Mich hat das von Anfang an dermaßen getroffen, dass ich mir gesagt habe, das kannst du auch.“

Der Wunsch: Möglichst schnell Winzerin werden

Als ihr Vater sie später aufs Gymnasium schicken will, ist sie zunächst dagegen. „Dann habe ich gesagt: Nein, ich geh’ nicht aufs Gymnasium, ich muss sofort Winzerin werden“, erzählt Doris Emmerich-Koebernik von der Beharrlichkeit ihres jüngeren Ichs. Der Kompromiss mit dem Vater: Sie geht doch aufs Gymnasium, aber nur bis zur Mittleren Reife, dann will sie eine Ausbildung zur Winzerin machen.

Zwischenstopp bei einer Reise mit dem Deutschen Weininstitut: die Vinothek des Weinguts Emmerich Koebernik in Waldböckelheim.
Cordula Sailer-Röttgers

In den Schulferien macht sie damals ein Praktikum im Labor der Weinbauschule in Bad Kreuznach – und beschließt danach, dass sie eine Winzerlehre in der dortigen Kellerei machen will. Der Kellermeister, der bis zu diesem Zeitpunkt noch nie eine weibliche Auszubildende hatte, sagt schließlich zu. „Er hat gesagt, gut, ich kenne dich, wir können das machen“, erzählt Emmerich-Koebernik. In der Berufsschule war die damals 16-Jährige die einzige Frau, später in der Technikerschule hatte sie noch eine Mitschülerin.

Auch wenn sie eine Vorreiterin als Auszubildende in der Kellerei war. Weniger akzeptiert habe sie sich nie gefühlt. „Da hab ich überhaupt nie ein Problem gehabt, dass ich nicht anerkannt wäre, weil ich eine Frau bin“, betont Doris Emmerich-Koebernik. Sie wollte keine Extrawurst, habe alles gemacht „wie die Jungs“, habe die Fässer und den Boden geschrubbt. Auch später habe sie als Frau nie Akzeptanzprobleme gespürt.

Müssen Frauen für Anerkennung mehr leisten als Männer?

Eine Winzerin aus Rheinhessen hatte der DWI-Reisegruppe tags zuvor gesagt, als Frau müsse man sich mehr beweisen, immer das Quäntchen mehr geben. Darauf angesprochen, scheint Doris Emmerich-Koebernik das Gefühl nicht ganz fremd zu sein. „Bei sämtlichen Ausbildungen habe ich mir gesagt, du musst besser sein wie die Jungs“, berichtet sie. Verlangt habe das aber niemand von ihr. „Ich wollte von mir aus gut sein.“ Auch als sie 1974 zur 26. Deutschen Weinkönigin gekrönt wird, habe sie sich von Fachfragen nicht aus der Bahn werfen lassen. „Dass eine Frau Ahnung hat von Wein, hat den Leuten imponiert.“

Ehrgeiz und Begeisterung für ihren Beruf – etwas, was sich die 70-Jährige bewahrt hat. Das wird deutlich, als sie ihre Gäste mit in den Keller des Familienweinguts nimmt. Die Sprache kommt auf einen Grauburgunder: geerntet 2018 mit 118 Grad Oechsle. Viele hätten gesagt: „Den trinkt niemand mit so viel Alkohol“, berichtet Emmerich-Koebernik. Sie habe dagegen gleich gedacht: „Der kriegt schon mal gleich eine Champagnerhefe, damit er trocken wird.“ Denn wer wolle einen lieblichen Grauburgunder?

Doris Emmerich-Koebernik führt durch den Keller des Weinguts. In diesen Holzfässern reifte ein preisgekrönter 2018er Grauburgunder heran.
Cordula Sailer-Röttgers

Doch es nütze nichts, wenn ein so „dicker Kamerad“ in einem kalten Edelstahltank liege. „Der braucht was Kuscheliges“, betont die Winzerin. „Also haben wir ein Holzfass machen lassen, das getoastet worden ist.“ Nach der Gärung siedelt der Grauburgunder in das eigens für ihn angefertigte Holzfass um. Am Ende hat der Wein 15,5 Volumenprozent Alkohol. „Aber das Holz hat das so abgepuffert, dass er einfach nur gut war.“ Der Grauburgunder sahnte eine Goldmedaille bei der Austrian Wine Challenge (AWC) Vienna ab.

Druck auf ihre beiden Töchter ausgeübt, was die Übernahme des Weinguts angehe, habe sie nie, betont Doris Emmerich-Koebernik. Ihre ältere Tochter sei Ärztin geworden, ihre jüngere Tochter habe von sich aus den Weg in die Weinbranche angetreten. Doch auch bei ihren Töchtern hätten Gäste im Weingut noch die Feststellung getätigt, dass jetzt noch ein (männlicher) Nachfolger fehle. „Ich habe dann gesagt: Wissen Sie was, wir haben gute Mädels.“

Tochter Christiane steigt 2012 in den Betrieb mit ein

Ihre Tochter Christiane Koebernik hat in Geisenheim internationale Weinwirtschaft studiert. 2012 ist die heute 39-Jährige in den elterlichen Betrieb eingestiegen. Die Familie bewirtschaftet 15 Hektar Weinberge. 80 Prozent der Weine werden über den Direktvertrieb verkauft. Der Betrieb setzt vor allem auf Riesling- und Burgundersorten.

Ähnlich wie ihre Mutter sagt Christiane Koebernik: „Ich habe nie gefühlt, dass ich in der Weinbranche anders behandelt wurde als ein Mann.“ Beim Termin mit der DWI-Reisegruppe konnte sie nicht dabei sein, antwortet aber per E-Mail auf die Anfrage unserer Zeitung. Sie habe auch nicht das Gefühl, dass man als Frau besser sein müsse, um in der Branche ernst genommen zu werden. Aber: „Da hat sich sicher einiges verändert im Laufe der Zeit.“

Christiane Koebernik ist auch Jägerin. Weißwein zu Wildgerichten "passt hervorragend", sagt sie.
Peter Bender/Weingut Emmerich Koebernik. Peter Bender

Mit ihrem Eintritt in den Betrieb bringt Koebernik neue Ideen mit, macht vieles anders – „und meine Eltern sind den Weg mitgegangen“, schreibt sie. Der Firmenauftritt habe sich komplett gewandelt, die Etiketten oder auch die Webseite. Eine neue Vinothek wurde gebaut, eine Qualitätspyramide aus Guts-, Terroir- und Lagenwein eingeführt. Und: Christiane Koebernik hat eine neue Weinlinie geschaffen: „Bock auf Wein“.

„Die ,Bock auf Wein’-Linie wurde von Christiane kreiert, nachdem sie ihre Jägerprüfung gemacht hatte“, erzählt Mutter Doris Emmerich-Koebernik. Die Jagd als Inspirationsquelle also – und so findet sich der Rehbock nicht nur im Namen, sondern auch auf den Flaschen-Etiketten. Zur Linie gehören unter anderem der Riesling „Bock auf Riesling“, die Cuvée „Bock auf Weiss & Grau“ aus Weiß- und Grauburgunder, teils im Holzfass ausgebaut, sowie das „Böcklein“.

Bei der Weinlinie „Bock auf Wein“ ist der Name Programm

Letzteres werde gern von den Waldböckelheimern verschenkt, weil es auch so schön zum Ortsnamen passe, erzählt Emmerich-Koebernik. „Das Böcklein“, ein feinherber Riesling mit Nahe-Mineralik passe etwa gut zu Sushi und schärferen Speisen. Aber insgesamt ist der Name der Weinlinie auch Programm, wie Tochter Christiane unserer Zeitung schreibt: „Die Kombi Weißweine zu Wildgerichten passt hervorragend.“

Verkosten darf die Journalisten-Gruppe auch eine spezielle Köln-Edition aus der „Bock auf Wein“-Linie: „Bock auf Rut & Wiess“, einen Spätburgunder „Blanc de Noir“. „Dieser Blanc de Noir hat jetzt 9 Gramm Fruchtsüße“, erklärt Emmerich-Koebernik, „und schmeckt nicht zu trocken, aber auch nicht zu süß – er hat eine schöne eingebundene Säure.“

„Es muss in jedem Fall eine gewisse Emotionalität im Wein stecken, sonst wird das nichts.“
Doris Emmerich-Koebernik übers Weinmachen

Eine Marke wie „Bock auf Wein“ zu haben, sei heute wichtig, sagt die Seniorchefin – sichtlich stolz auf die Ideen ihrer Tochter. Auch die Leistungen ihres Mannes für das Weingut lässt Emmerich-Koebernik bei der Weinprobe nicht unerwähnt. Außerdem brauche es gute Mitarbeiter für gute Qualität. Über das Familien-Dreigestirn im Weingut sagt sie: „Wir machen das gemeinsam.“

Tochter Christiane Koebernik ist selbst zweifache Mutter – und das Muttersein im Winzerberuf, schreibt sie unserer Zeitung, „ist ohne die sogenannte Großfamilie schwierig“. Daher sei sie froh, dass ihre Eltern noch so aktiv sind. Ob Frau, ob Mann – in der Familie Emmerich-Koebernik scheint Teamarbeit zum Erfolgsrezept zu gehören.

Machen Frauen einen anderen Wein als Männer?

Doch von einem (älteren) Herrn auf die „zwei Mädels“ ihrer Christiane angesprochen, erlebte Doris Emmerich-Koebernik ein Déjà-vu. Er sagte: „Jetzt braucht ihr aber noch einen Bub.“ Aus Emmerich-Koeberniks Sicht braucht es etwas anderes: „Viele starke, gute Frauen, die das nicht einfach so über sich ergehen lassen.“

Die Weinprobe im Hause Emmerich Koebernik neigt sich dem Ende. Doch die Teilnehmer treibt noch eine Frage um: Machen Frauen anderen Wein als Männer? Gute Weine bräuchten gute Winzer. „Ob das jetzt eine Frau ist oder ein Mann, ist unerheblich“, meint Emmerich-Koebernik. Aber: „Es muss in jedem Fall eine gewisse Emotionalität im Wein stecken, sonst wird das nichts.“

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