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Zirkusfestival in Wiesbaden: Goldfische treffen im Hippie-Zelt auf Shakespeare

Wiesbaden - Shakespeare kann beim "European Youth Circus" ebenso zum Star in der Manege werden wie ein Goldfisch. Thematisch und stilistisch ist alles möglich bei dem renommierten Festival für Nachwuchsartisten, das noch bis zum 1. November in Wiesbaden läuft.

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Wiesbaden – Shakespeare kann beim „European Youth Circus“ ebenso zum Star in der Manege werden wie ein Goldfisch. Thematisch und stilistisch ist alles möglich bei dem renommierten Festival für Nachwuchsartisten, das derzeit noch bis zum 1. November in Wiesbaden vor ausverkaufter Manege läuft.

Alle zwei Jahre bietet das internationale Nachwuchsfestival „European Youth Circus“ einen Blick in die Zukunft der Artistik. Dieses Jahr präsentieren bis zum 1. November in Wiesbaden Teilnehmer aus 16 europäischen Ländern im Alter von 10 bis 25 Jahren faszinierende körperliche Fähigkeiten. Dazu zeigen sie sich äußerst ideenreich auf und an Trapezen, Seilen, Einrädern oder Schleuderbrettern. Entsprechend gut ist die Stimmung im bis auf den letzten Platz besetzen Zirkuszelt. Das Publikum aller Altersklassen staunt, lacht, träumt, jubelt und johlt.

Längst ist die Leistungsschau zum Pflichttermin für die Branche geworden. „Das Festival ist in der Zirkuswelt sehr berühmt“, sagt Jurymitglied Maria Sarach aus Moskau. 2008 stand die 20-Jährige noch selbst in der Manege ­ und gewann Bronze: „Das war ein besonderes Erlebnis, zum ersten Mal mit so vielen Artisten aus verschiedensten Ländern zusammen zu kommen“, erinnert sie sich: „Ich habe dadurch ein ganz anderes Gefühl für meine Arbeit bekommen.“

Geldpreise bis zu 2000 Euro und Sonderpreise in Form von Engagements winken den Gewinnern. Wichtiger seien aber, sich zu präsentieren und Kontakte zu knüpfen, sagte Sarach. Ein solches Festival sei die beste Gelegenheit für Artisten, um Arbeit zu finden.

Als Jury-Mitglied achtet sie vor allem darauf, dass „die Artisten neue Wege finden und nicht nur den Standard präsentieren“. Dieser Anforderung entsprechen viele der über zwei Dutzend Darbietungen. Dmitriy Zabunov aus Moldawien hat für seine Jonglage-Nummer das berühmte Shakespeare-Zitat „To Be Or Not To Be“ in hippe Musik gepackt. Tetiana Konobas aus der Ukraine präsentiert eine ebenso witzige wie poetische und innovative Nummer mit Gymnastikbällen.

Viele Teilnehmer stammen aus Zirkusdynastien. Für Geraldine Philadelphia geht die familiäre Tradition über 700 Jahre zurück, berichtet Moderatorin Natascha Berg, deren Karriere sie von Hessen aus mittlerweile bis nach Hollywood gebracht hat.

Andere kamen durch Schlüsselerlebnisse in der Kindheit zu ihrer Passion. „Als Sechsjähriger habe ich im Zirkus eine Schlappseilnummer gesehen. Wir saßen ganz hinten und ich meinte zu meinem Vater: Der Mann kann ja fliegen. Er verriet mir: Nein, der fliegt nicht, der läuft, über ein Seil“, erinnert sich der 24-jährige Norweger Christer Pettersen: „Ich habe das dann sofort selbst ausprobiert ­ und nie mehr damit aufgehört.“ Von 2005 bis 2008 besuchte er eine Zirkusschule in Belgien, wo er mit seinem Lehrer auch seine originelle Nummer mit einem Goldfisch als Partner entwickelte.

„Du weißt nie, was als nächstes passiert, musst jederzeit auf jede Art von Bewegung gefasst sein“, erklärt er die besondere Schwierigkeit seiner Disziplin. Von Mitte November bis Anfang Januar tritt er in New York beim Cirque Du Soleil auf. Über 250 Mal hat er bisher seine Nummer präsentiert, ein Mal ging es richtig schief: „Ich stolperte und stürzte, das Glas zerschellte auf dem Boden. Die Kinder schrien und hatten eine Riesenangst um den Fisch“, lacht er: „Natürlich ist es kein echter Fisch, aber er wirkt wie echt. Und genau darum geht es: Illusionen zu schaffen.“

Alle vier Wettbewerbs-Vorstellungen und zwei Preisträger-Galas in dem 1000 Zuschauer fassenden Zirkuszelt sind längst ausverkauft. Sarach lobt die perfekte Organisation und tolle Atmosphäre: „Jeder hilft jedem.“ Die Artisten hätten viel Zeit für die Vorbereitung in der Manege: „Eine Seltenheit bei internationalen Festivals.“

Außergewöhnlich ist auch, dass erstmals ein Regisseur für die professionelle Show verpflichtet wurde. „Die Enkel der Blumenkinder“ hat Alexandre Grimailo, Künstlerischer Leiter des bekannten Moskauer Zirkuszentrums, als Titel gewählt. „Die Leute haben genug von allem Offiziellen, es ist Zeit zurückzukehren zu den Wurzeln, zu Freundschaft, Frieden und Glück. Wir müssen alle wieder viel mehr Hippies sein“, erklärt er seine Idee, die er mit von einem Orchester live gespielter Musik umsetzt.

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- Programm

Festival (Dernsches Gelände, Wiesbaden)

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