Prozess Überraschung für gekündigten Leiter des Medizinischen Dienstes: Gericht will neu verhandeln
Wurde MDK-Chef doch zu Unrecht gefeuert? Gericht will neu verhandeln
Der gekündigte Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, Gundo Zieres.
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Rheinland-Pfalz. Im jahrelangen und inzwischen wohl auch millionenschweren Streit zwischen dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) und dem 2013 gekündigten MDK-Geschäftsführer Gundo Zieres (50) gibt es eine faustdicke Überraschung: Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eröffnet aufs Neue die mündliche Hauptverhandlung, wie unsere Zeitung erfahren hat. Dabei hielt es der Senat noch im Oktober 2017 für denkbar, dass der Rausschmiss doch wirksam war.

Dreyer als Zeugin?

„Aber offenbar waren die Argumente der Zieres-Anwälte so gewichtig, dass das OLG wieder in die Sache einsteigt und nicht – wie angekündigt – am 7. Februar das Urteil verkündet. Das Verfahren ist jetzt wieder offen“, heißt es im Umfeld des Ex-MDK-Managers erfreut. Völlig offen ist dabei auch, ob möglicherweise die frühere Sozialministerin und heutige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sowie ihr Nachfolger und heutiger SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer als Zeugen nach Koblenz reisen müssen. Dies hängt vom Lauf des Verfahrens ab, in dem zunächst neue Stellungnahmen der Streithähne fällig werden.

Der komplexe Fall kommt im Oktober 2013 ins Rollen: Der MDK setzt Zieres vor die Tür. Die Vorwürfe: Pflichtverletzungen und zu hohe Bezüge. Der Paukenschlag im August 2016: Das Landgericht Mainz erklärt alle Kündigungen, auch die von 2015 und 2016, für nichtig. Zieres erhält als einstiger Topmanager weiter 75 Prozent seiner Bezüge von schätzungsweise 170.000 Euro pro Jahr. Auch sein Dienstwagen muss alle drei Jahre gegen einen neuen ausgetauscht werden, entscheidet das Landgericht. Dennoch will Zieres mehr – die alte Aufgabe zurück und das volle Gehalt. Dagegen wehrt sich der MDK. Damit landet der Fall vor dem OLG.

Hier kommt Senatsvorsitzende Ingrid Metzger in dem auch emotional aufgeheizten Verfahren zum Schluss, dass nach vorläufiger Bewertung der fristlose Rausschmiss im Oktober 2013 möglicherweise doch wirksam sein oder in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden könnte. Sie bewertet ausführlich einzelne MDK-Vorwürfe. Eine Tankrechnung, Buchgeschenke oder anderes rechtfertigen für sich vielleicht noch keine Kündigung. Aber in der Summe könne der Arbeitgeber zum Schluss kommen: „Jetzt ist es genug!“ Die Richterin legt beiden Seiten dringend ein Vergleich ans Herz, ansonsten spreche sie ihr Urteil.

Zur Einigung zwischen MDK und Zieres ist es nicht gekommen. Und das OLG will nun weitere Fakten prüfen und auch klären, ob umstrittene Vorgänge mit Chefetagen des Sozialministeriums abgesprochen oder gar gewollt waren – etwa ein später als zu großzügig kritisiertes Prämiensystem.

Vertrag wasserdicht?

Das OLG beschäftigt sich auch mit dem Vertrag von Zieres, der 1998 kommissarisch zum MDK kam und anschließend Geschäftsführer wurde. Nach der Argumentation von Zieres ist bereits im Jahr 2000 mit dem kompletten Verwaltungsrat vereinbart worden, dass er wie sein Vorgänger nur fristlos mit Angabe von handfesten Gründen entlassen werden kann. Das Aufsichtsgremium habe immer – auch in den Jahren danach – einen starken, quasi unkündbaren Manager haben wollen. Schließlich soll der MDK die Interessen der Versicherten gegenüber den Kassen vertreten – etwa bei der Entscheidung über Pflegestufen. Ein Nachschieben von Kündigungsgründen sei vertraglich stets ausgeschlossen worden, wie auch das Landgericht Mainz geurteilt hat.

Das OLG hat sich im Oktober auch kritisch mit Leistungszulagen auseinandergesetzt, von denen Tarifbeschäftigte wie Beamte profitierten, obwohl für sie unterschiedliche Vergütungsregeln gelten. Richterin Metzger geht damals noch davon aus, dass sich Zieres offenbar zum Schaden des MDK über rechtliche Vorgaben hinweggesetzt und Rüffel des Landesprüfdienstes nur abgemildert dem Verwaltungsrat vorgelegt hat. Aber Zieres hält dagegen: Es herrschte immer totale Transparenz bei einer Praxis, die auch von der Ministeriumsspitze abgesegnet gewesen sei.

Denn historisch wechselten die Beamten des früheren „vertrauensärztlichen Dienstes“ zum MDK. Die Beamtenverhältnisse sind inzwischen ein Auslaufmodell. Aber die Staatsdiener hätten auch mit einem Haustarifvertrag den übrigen Beschäftigten gleichgestellt werden sollen. Ob dem so war und sich Zieres womöglich auf einen politischen Freibrief von höchster Stelle berufen kann, will das OLG nun noch einmal prüfen. Dazu erwartet man Nachweise und konkrete Belege wie Angaben zu Roß und Reiter. Außerdem soll der MDK den kompletten Bericht des Landesprüfdienstes 2013/14 vorlegen. Wann erneut in Koblenz verhandelt wird, ist offen.

Von unserer Chefreporterin Ursula Samary

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