Wenn ein Besucher nicht wüsste, dass es sich um das neue Landesmateriallager handelt, könnte er bei einer Stippvisite im Andernacher Rennweg auch meinen, bei einem Logistiker oder Baumarkt zu Besuch zu sein. Außen ein gräuliches Gebäude mit riesigen Rolltoren, die man ansonsten von großflächigen Paketzentren kennt. Innen meterhohe Regale, eins neben dem anderen aneinandergereiht. Auf ihnen liegen Dutzende Holzpaletten und Paketen. Der Inhalt der Päckchen: Schutzhandschuhe, Schutzmasken, Schutzanzüge.
Die genaue Ware liegt zum Begutachten auf zwei Tischen vor den Regalreihen bereit: in Plastik verpackte Schutzkittel, die man von Besuchen einer Krankenhaus-Intensivstation kennt, daneben eingetütete weiße Schutzanzüge, die das Personal von Corona-Testcentern vor fünf Jahren trug, auf dem anderen Tisch Einmalhandschuhe und Augenschutzbrillen. Im neuen Andernacher Landeszentrallager ist alles für eine neue Pandemie oder Seuche hinterlegt.

Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch sagt: Auch wenn man hoffe, dass es nicht passiere, sei man sich sicher, dass es eine neue Pandemie geben werde. Ob das in 5, 10 oder 50 Jahren der Fall sein wird, sei nicht sicher. Man wolle gewappnet sein. Deshalb treffe man mit dem Materiallager Vorsorge. Für den Fall der Fälle. Für die Bevölkerung.
Hoch erinnert in seiner Heimatstadt daran, dass auf Bundesebene derzeit wieder über das Thema Schutzmasken und deren Bestellung diskutiert werde. Der Landesgesundheitsminister spielt auf den Masken-Streit und die gegen den früheren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erhobenen Vorwürfe wegen der Corona-Maskenbeschaffung zu Pandemie-Beginn an. Am Anfang und während der Corona-Pandemie habe man feststellen müssen, dass alle Länder gleichzeitig Schutzausrüstung suchten, erinnert Hoch.

Das Schutzmaterial sei in einer solchen Lage nicht verfügbar oder in einer schlechten Qualität – bei horrenden Preisen, so der SPD-Politiker. Deswegen habe man sich entschieden, ein Landesmateriallager zu bauen. Alexander Wilhelm, Geschäftsführer des Landeskrankenhauses, das das Depot betreiben und verwalten wird, sagt: „Was Rheinland-Pfalz morgen braucht, lagert ab heute hier.“ Der Aufbewahrungsort solle ein Ort der Verlässlichkeit, der Effizienz und der Vorsorge sein.
„Was Rheinland-Pfalz morgen braucht, lagert ab heute hier.“
Alexander Wilhelm, Geschäftsführer des Landeskrankenhauses.
Im Landeszentrallager im Rennweg sollen künftig rund 10,1 Millionen Schutzhandschuhe und 5,4 Millionen Mund-Nasen-Schutze bereitliegen, außerdem etwa 1,6 Millionen FFP2-Masken und über 650.000 Schutzanzüge – und das auf rund 3.200 Quadratmetern Grundfläche. Der Wert der deponierten Ware: mehrere Millionen Euro. Beachtliche Zahlen.
Das Lager entstand in einem Jahr auf dem Grundstück des Landeskrankenhauses in Andernach. Für Andernach sprach laut Hoch die gute Lage und Anbindung, außerdem der Standort des Landeskrankenhauses – und die freie Grundstücksfläche. Der Oberbürgermeister der Stadt Andernach, Christian Greiner, freut sich: „Mit dem neuen Lager wird unsere Stadt nun auch ein strategisch wichtiger Ort für die Krisenprävention und Versorgungssicherheit in Rheinland-Pfalz.“

Im Normalfall wird die Schutzausrüstung in einem rollierenden System verteilt, bevor sie abläuft und nicht mehr genutzt werden kann. Abnehmer können Krankenhäuser, aber auch die Pharmaindustrie sein. Sie können die Ware einkaufen und in Andernach abholen. Ein Online-Bestellsystem befindet sich zurzeit im Aufbau, wie Andreas Jülich, Bereichsleiter Einkauf und Betriebsorganisation des Landeskrankenhauses, berichtet.
Die zertifizierte Schutzausrüstung komme im regulären Betrieb aus Deutschland. Über den genauen Einkaufspreis will Jülich nicht sprechen, er liege, anders als zu Beginn der Corona-Pandemie, im Cent-Bereich, verrät der Bereichsleiter dann doch. In den vergangenen zwei Wochen seien 70 Lkw-Ladungen aus einem anderen Lager in Langenlonsheim (Kreis Bad Kreuznach) nach Andernach gekommen. Für das Entladen eines Doppelzug-Lkw hätten er und sein Team circa eine Stunde gebraucht, berichtet Jülich.

Im Pandemiefall sollen mit der Ausrüstung Kliniken, Arztpraxen, die Polizei und Rettungskräfte versorgt werden. Drei Monate könne man in Rheinland-Pfalz autark die Gesundheitseinrichtungen beliefern und versorgen, schildert Geschäftsführer Wilhelm. 12 bis 14 Personen könnten dann rund um die Uhr im Landesmateriallager arbeiten, zu normalen Zeiten seien es maximal fünf. Im oberen Stockwerk stehen Besprechungsräume, ein Aufenthaltsraum samt Küche und kleine Zimmer mit Duschen bereit.
Der Bau und die Ausstattung des Landesmateriallagers kosten laut Gesundheitsminister Hoch 9,3 Millionen Euro. Davon entfielen 8,2 Millionen Euro auf die Errichtung der Lagerstätte und 1,1 Millionen Euro auf die Einrichtung und Ausstattung. Das Land hat die Kosten zu 100 Prozent übernommen.
