Von unserem Redakteur Hartmut Wagner
Rheinland-Pfalz – In seiner Zeit als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz war das „Mittelstandsinstitut Balkan“ die große Leidenschaft von Karl-Jürgen Wilbert. Inzwischen sieht das anders aus: Wilbert will nicht mehr über das Institut sprechen und lässt sich auch nicht mehr dort blicken. Was ist passiert?
Karl-Jürgen Wilbert (69) war einer der ganz Großen der rheinland-pfälzischen Wirtschaft. Er war jahrzehntelang Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz. Und er war ein Macher, der national und international mit Auszeichnungen geradezu überhäuft wurde. Aber: Sein letztes großes Projekt ist gescheitert. Das zeigen Recherchen unserer Zeitung.
Das „Mittelstandsinstitut Balkan“ war Wilberts große Leidenschaft. 2008 wurde er dessen Leiter und Gründungsprofessor, wenig später zog er sich vom Chefposten der Handwerkskammer zurück. Damals sprach er oft über seine neue Tätigkeit, auch mit der Presse. Heute ist das anders, ganz anders. Heute will Wilbert nicht mehr sprechen, nicht über das Institut, nicht über seine Professur. Unsere Zeitung wollte zwei Jahre nach Eröffnung des Instituts ein Resümee ziehen. Doch Wilbert lehnte das Gespräch ab. Er wollte es vertagen, auf unbestimmte Zeit.
Rückblick: Das „Mittelstandsinstitut Balkan“ wurde im Jahr 2008 in der bulgarischen Stadt Plovdiv (380 000 Einwohner) gegründet. Es war ein Projekt der Plovdiver Universität „Paisii Hilendarski“ und der Handwerkskammer Koblenz. Das Institut hatte kein eigenes Gebäude, es nutzte die Räume der Wirtschaftsfakultät. Anfangs wurde es über Programme der Handwerkskammer finanziert, heute ist die Finanzierung unklar.
Wilbert ließ sich vom Akademischen Rat der Uni Plovdiv zum Institutsleiter wählen. Und er übernahm eine „Professur für Mittelstandsfragen in Südosteuropa“. Ziel des Instituts: Mittelstand, Forschung und Lehre vernetzen. Vor allem durch „hochwertige Vorlesungsreihen“ für Studenten.
Doch Professor Wilbert verlor offenbar schnell die Lust an der Lehre. Er hielt am Institut nur eine einzige Vorlesung. Am 20. Oktober 2008 referierte er über den „Mittelstand als europäische Perspektive“. Die Vorlesung dauerte eine Stunde. Danach zog sich Wilbert von seiner Lehrtätigkeit zurück. Dies teilt der Prorektor der Uni Plovdiv auf Anfrage unserer Zeitung mit. Prof. Dr. Zaprian Kozludshov bringt seine Enttäuschung klar zum Ausdruck, bleibt aber diplomatisch: „Herr Wilbert ist immer herzlich willkommen, unsere Universität zu besuchen und Vorlesungen zu halten. Zurzeit haben wir mit ihm keine feste Abmachung. Wir warten auf sein Programm.“ Der Prorektor hatte Wilbert bereits im Frühjahr zwei E-Mails und einen Brief geschrieben und gebeten, die Zusammenarbeit fortzusetzen. Wilbert reagierte nicht.
Warum hatte Wilbert schon nach einer Vorlesung genug? Kenner der Koblenzer Wirtschaft schildern Wilbert als Strategen und engagierten Netzwerker. Warum er sich in Plovdiv zurückzog, wissen sie nicht. Einige vermuten, Wilbert hat Probleme mit dem Leiten des Instituts, weil er nach dem Ausscheiden aus der Handwerkskammer über keine Mitarbeiter mehr verfügt, die ihm zuarbeiten. Andere beschreiben Wilbert als Menschen, dem Eitelkeit nicht fremd ist. Sie glauben, er hat das Interesse am Institut verloren, weil er den bulgarischen Professorentitel in Deutschland nicht führen darf.
Letztlich kann nur Wilbert die Frage nach dem Warum beantworten. Fakt aber ist: Der 69-Jährige ist tatsächlich in Deutschland nicht berechtigt, seinem Namen die Abkürzung Prof. oder Prof. h.c. voranzustellen. Das ergab eine Anfrage unserer Zeitung bei der Kultusministerkonferenz.
Die Zukunft des „Mittelstandsinstituts Balkan“ ist ungewiss. Seit Mai 2009 gab es keine Vorlesung mehr, weder von Wilbert noch von anderen. Das Institut wartet auf Nachricht seines Leiters.