Als Hans Ludwig seinen 70. Geburtstag feiert, haben seine rund 100 Mitarbeiter ihm einen Rollator geschenkt. Nicht, weil der rüstige Firmeneigentümer eine Gehhilfe benötigen würde. Im Gegenteil: Seine Beschäftigten sind fest davon überzeugt, dass der 25 Kilometer Lückenschluss der A1 zwischen Kelberg in Rheinland-Pfalz und Blankenheim in Nordrhein-Westfalen auch dann noch nicht fertiggestellt ist, wenn Ludwig irgendwann einmal auf den Rollator angewiesen sein sollte.
Das ist jetzt vier Jahre her – und die Mitarbeiter der Spedition Ludwig in Dreis-Brück haben Recht behalten. Immer noch warten Unternehmer wie Hans Ludwig, heute 74 Jahre und nach wie vor rüstig, auf den Autobahnausbau. Dabei ist der Unternehmer doch deshalb 1992 von Dockweiler (Vulkaneifelkreis) auf das zwölf Hektar große Grundstück am Gewerbegebiet Vulkanhöhe umgezogen. „Mit dem Versprechen, das schon bald meine Kunden in NRW und Norddeutschland besser erreichbar wären“, sagt der Logistik-Experte enttäuscht.
Erste Pläne sind 50 Jahre alt
Seine etwa 60 LKW schrubben jährlich mehr als neun Millionen Kilometer, oft durch die engen Eifel-Dörfchen, wo nicht mal zwei Brummis aneinander vorbeifinden. Mehr als 70 Prozent seiner Fahrten führen die LKW-Fahrer in Deutschland aus – für Produktionsbetriebe wie den Gerolsteiner Brunnen oder TechniSat. Diese sind darauf angewiesen, dass sie nicht nur mit Rohstoffen beliefert werden, sondern dass ihre Waren auch zu den Kunden kommen.
Rund 50 Jahre alt sind die ersten Pläne einer durchgängigen Autobahntrasse von der Ostsee bis ans Mittelmeer – mitten durch die Vulkaneifel. Die Strecke steht inzwischen – bis auf die 25 Kilometer zwischen Kelberg und Blankenheim. „Gerade im schönsten Teil dieser Strecke – in der Vulkaneifel – fehlt das Autobahnteilstück und verhindert Tourismus und wirtschaftliche Aktivität“, wird Landrätin Julia Gieseking nicht müde zu erwähnen.
Projekt „Lückenschluss statt Sackgasse“
Dass schon bald Bagger rollen könnten, um Hans Ludwig den Blick vom Firmengelände auf einen Ausbau der A1-Lücke zu gewähren, diese Hoffnung haben Politikerinnen wie Gieseking, Unternehmer wie Ludwig oder Wirtschaftsvertreter wie Thomas Stiren, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier, noch nicht aufgegeben. Sie wollen dem Projekt „Lückenschluss statt Sackgasse“ mit geballter Präsenz von mehreren Dutzend Vertretern, Sattelschleppern, der Bürgerinitiative „Pro A1“ und Banner noch mal neuen Schub geben, als sie sich zu Beginn dieser Woche zu einer Protestaktion zusammengefunden haben. Die gleiche Protest-Aktion gibt es zeitgleich in Blankenheim auf NRW-Seite.
Ob der A1-Lückenschluss kommt, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Die Verhandlung über eine Klage von Umweltschützern wurde erneut verschoben. Die Wirtschaft protestiert.Lückenschluss: Verkehrsminister kritisiert A1-Gegner
Denn noch steht die Klage des Umweltverbands BUND vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss zum A1-Lückenschluss. „Hier stellt sich die Frage, ob Deutschland überhaupt noch Infrastruktur schaffen kann, zum Wohl der Menschen“, sagt Stiren. Er weiß aus einer Umfrage unter 660 Unternehmen der drei Kammern Aachen, Koblenz und Trier mit rund 43.000 Beschäftigten, das zwei Drittel der Unternehmen unter dem fehlenden Autobahnteilstück leiden. Ein Viertel beurteilt den finanziellen Schaden als enorm, 42 Prozent sehen Investitionen als gefährdet an.
Derweil haben vier Anrainer-Gemeinden ihre Klage vor dem Leipziger Gericht jüngst zurückgezogen. Doch ob das dem Lückenschluss freie Fahrt gewährt, ist noch unklar. Da kann auch der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) und selbst Eifel-Kind nicht viel ausrichten. Dabei ist „mein Ziel als Minister, weiter dafür zu kämpfen, dass dieser sinnvolle Neubau so schnell wie möglich kommt“. Frühestens zum 5. November will das Bundesverwaltungsgericht nun entscheiden.
1,5 Millionen Stunden Fahrzeit im Jahr zusätzlich
Logistiker wie Hans Ludwig, der unmittelbar am Autobahn-Ende siedelt, aber auch sein Kollege Marcus Krüger mit 30 eigenen LKW und rund 125 Beschäftigten im entfernteren Moseltal in Schweich müssen kostenmäßig kalkulieren und sind dabei auf den kürzesten Weg durch die Eifel angewiesen. „Wir haben die Wahl zwischen riesigen Umwegen oder dem Weg durch die Dörfer. Es ist in jedem Fall eine Belastung für die Menschen“, sagt Krüger (55). Immerhin haben die Wirtschaftskammern eine jährliche Mehrbelastung von 1,5 Millionen Stunden Fahrzeit, 66,5 Millionen Fahrzeugkilometern sowie rund 3000 Tonnen Kraftstoffen und 9000 Tonnen CO2 errechnet.
Letztlich geht es für die Logistikbranche von Marcus Krüger und Hans Ludwig aber schlichtweg auch um ihre Existenz. Bei beiden steht die vierte Generation der Unternehmerfamilie in den Startlöchern. „Wirtschaft funktioniert nur mit einer guten Infrastruktur“, sagt Krüger. Man müsse mit den vorhandenen Ressourcen haushalten und effizienter werden, um die Menschen auch künftig mit dem Nötigsten versorgen zu können. „Das bedeutet Lebensqualität für Bewohner und Mitarbeiter.“ Hans Ludwig hat nun schon so lange auf den A1-Lückenschluss gewartet und ergänzt trotzig: „Auch wenn alle sagen, der kommt doch nicht: Ich gebe den Geist nicht auf!“