Nach den Chaostagen der FDP
Wie die Liberalen in RLP ums Überleben kämpfen
Daniela Schmitt, Chefin der Landes-FDP, und Justizminister Philipp Fernis - plötzlich wieder in einem Team.
Andreas Arnold/dpa

Nach dem großen Streit um die Macht ist oberflächlich Ruhe in die FDP eingekehrt. Aber die großen Probleme und Verletzungen bleiben. Manche Liberale halten ein Wunder für nötig, um wieder in den Landtag einzuziehen. 

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Nur 3 Prozent der Menschen in Rheinland-Pfalz würden aktuell die FDP wählen. Eine vorherige Umfrage sah die Liberalen noch näher an der politischen Bedeutungslosigkeit. So schlechte Werte erzielte die Partei in den vergangenen zehn Jahren nie. Neun Monate verbleiben ihr im Land noch, um bei den Wählern nicht völlig in Vergessenheit zu geraten. Es sind aber auch neun Monate bis zur Landtagswahl, in denen sich die Partei erst einmal selbst davon überzeugen muss, einen Plan für den erneuten Einzug ins Parlament zu haben. Denn der parteiinterne Streit vor wenigen Monaten wirkt nach. Er hat verbrannte Erde hinterlassen.

Wer derzeit mit führenden Liberalen spricht, hört schnell von persönlichen Verletzungen, die bleiben. Aber auch von Wut darüber, wie einige die Partei in kürzester Zeit in der ohnehin schwierigen Lage in eine noch tiefere Krise stürzen konnten. Eine Botschaft wollen alle vermitteln: Die FDP ist jetzt wieder ein Team – zumindest oberflächlich. Die grundlegenden Probleme hat die Partei aber nicht gelöst, sie nur machtpolitisch zugekleistert.

Wie der Streit in der FDP eskalierte

Um die Ausweglosigkeit zu verstehen, muss man zurück in den vergangenen November blicken. Die Ampel in Berlin zerbrach. Volker Wissing, Landeschef und Kopf der rheinland-pfälzischen FDP, verließ die Partei. Und spätestens mit der verlorenen Bundestagswahl wuchs die Sorge, dass die FDP in Rheinland-Pfalz ein ähnliches Schicksal ereilen könnte. Einige führende Liberale waren sich sicher: Mit der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt an der Spitze wird es garantiert so kommen. Zu unsichtbar, zu angstgetrieben – das waren nur einige der Vorwürfe. Vor allem der damalige Fraktionschef Philipp Fernis und Schmitts eigener Staatssekretär Andy Becht wollten sie deshalb verhindern – zunächst parteiintern. Später eskalierte der Streit auch öffentlich. Eine Alternative boten sie nicht an.

Schmitt setzte sich durch. Der Parteitag wählte sie ohne Gegenkandidaten zur Vorsitzenden. Und Fernis? Übernahm überraschend den Posten des Justizministers für den kurz zuvor verstorbenen Herbert Mertin. Plötzlich also alles wieder gut bei der FDP? Diesen Eindruck wollte die FDP nach dem großen Streit vermitteln. Er habe seiner Partei mit diesem Konflikt etwas zugemutet, sagt Fernis heute. Manchmal brauche es aber auch ein solches reinigendes Gewitter.

Blitze sind jetzt zwar nicht mehr zu sehen, aber die Wolken haben sich noch nicht verzogen. Man spreche jetzt wieder mehr und intensiver miteinander – intern, sagt Fernis. Aber die Schäden und die Fundamentalkritik aus dem Machtkampf, die bleiben. Das lässt sich allein schon an den Zahlen ablesen. Bei der Nominierung für das Amt des Justizministers erzielte Fernis ein extrem schlechtes Ergebnis mit 62,7 Prozent. Und auch Schmitt erhielt von der Partei nur 67,5 Prozent der Stimmen für den Vorsitz. Die FDP will also Wähler mit ihrem Spitzenpersonal gewinnen, das gerade mal zwei Drittel der eigenen Leute überzeugt.

Nächster Test beim Parteitag in zwei Wochen

Der nächste Test für die FDP-Spitze folgt schon in gut zwei Wochen. Dann will die Partei ihre Spitzenkandidatin und die Liste für die Landtagswahl aufstellen. Wer die Nummer eins bei den Liberalen wird, stellt zwar keiner infrage. Offiziell nominiert wurde Daniela Schmitt aber nicht. Stattdessen unterlief der FDP eine kleine Panne. Noch bevor der Vorstand über die Spitzenfrage sprach, gab die Parteizentrale über die Nachrichtenagentur bekannt, dass Schmitt die Liste anführen wolle. Die verpatzte Verkündung passe ins Bild, sagen einige Liberale.

Und nur wenig später musste Schmitt eine peinliche Niederlage in Berlin hinnehmen. Die 52-Jährige kandidierte auf dem Bundesparteitag der FDP als Beisitzerin im Präsidium. Schmitt scheiterte knapp an Susanne Seehofer, der Tochter des früheren bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Und das, obwohl die Rheinhessin eine der wenigen verbliebenen FDP-Ministerinnen im ganzen Land ist. In der Landes-FDP kursierten verschiedene Interpretationen über Schmitts Niederlage. Eine lautet: Die Negativ-Schlagzeilen über Filz-Vorwürfe gegen sie und ihren Ehemann wurden auch in Berlin registriert.

Bis zu seinem Parteiaustritt im Zuge der Ampel-Krise war Volker Wissing lange Zeit der Kopf der rheinland-pfälzischen Liberalen. Neben ihm seine Nachfolgerin Daniela Schmitt und links ihr Staatssekretär Andy Becht.
Jörg Halisch /dpa

Nach Wissings Ampel-Abgang ist das ein weiterer Ansehensverlust für die Rheinland-Pfälzer in Berlin. Für die Wahl in neun Monaten wird das aber weniger entscheidend sein, als dass die FDP seit dem Ausscheiden aus dem Bundestag politisch und medial nicht mehr auftaucht. Zuversichtliche Liberale erinnern aber gerne an die Landtagswahl 2016. Auch damals musste die Partei auf Unterstützung aus Berlin verzichten – drei Jahre zuvor hatte es die FDP ebenfalls nicht in den Bundestag geschafft. Trotzdem gelang der Einzug in den Landtag. Der entscheidende Unterschied: Mit Volker Wissing hatte die FDP in Rheinland-Pfalz noch ein Aushängeschild. So, wie es Christian Lindner mal eines in Berlin war.

Pessimistischere Liberale sprechen deshalb davon, dass es ein „Fukushima für die FDP braucht“. Also ein externes Ereignis, das die Partei ohne eigenes Zutun in der Wählergunst steigen lässt. Bei der Landtagswahl 2011 erzielten die Grünen in Rheinland-Pfalz ein sensationelles Ergebnis, nachdem es kurz zuvor in Japan zu einer Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima gekommen war.

Drei Spitzen-Liberale treten nicht mehr an

Zurück ins Jetzt: Hinter Schmitt bahnen sich im Spitzenteam für die Landtagswahl viele personelle Wechsel an. Sollte die FDP den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, würde es für mindestens fünf Sitze im Landtag reichen. Der verstorbene Justizminister Herbert Mertin fällt als Anwärter weg. Ebenso wird die derzeitige Abgeordnete Cornelia Willius-Senzer (81) nicht erneut antreten.

Nach oben rutscht stattdessen der neue Justizminister Philipp Fernis. Im großen Streit vor zwei Monaten hatte er zwar erklärt, nicht für das Team Schmitt zur Verfügung zu stehen. Nach Beilegung des Konflikts scheint sich das aber geändert zu haben. Mit dem Posten des Justizministers hat Schmitt ihren Kritiker eingehegt. Er wolle nochmal für den Landtag kandidieren, sagt Fernis nun. Ob die Partei das abnickt, bleibt abzuwarten. Schmitts Staatssekretär Andy Becht wird freiwillig aus der ersten Reihe zurücktreten. Er tritt in der Pfalz nur als Ersatzkandidat an. „Außer meiner Kandidatur für den Landtag schließe ich für die Zukunft nichts aus“, sagt er. Womöglich eine Konsequenz aus dem Streit im März. Eine rein persönliche Entscheidung, erklärt Becht auf Nachfrage.

Stattdessen will Neu-Fraktionschef Steven Wink einen der vorderen Plätze einnehmen. Und für den Eifeler Marco Weber, der aktuell Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion ist, kommen ebenfalls nur Platz zwei bis fünf in Frage, wie er sagt. Beide gehen unbeschadet ins Rennen. Auch die Jungen Liberalen melden Ansprüche an.

Hoffen auf neuen Schwung

Und inhaltlich? Versprechen sich einige Liberale Schwung vom neuen Fraktionschef Wink. Der 41-Jährige bringt ein sozialliberales Profil mit, das der Partei in den vorderen Reihen bislang fehlte. Wie durchsetzungsfähig er tatsächlich ist, wird sich an seiner Forderung zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge zeigen.

Bei ihrer Kernklientel droht der FDP vor der Wahl aber noch Ärger. Sowohl Jäger als auch Unternehmer laufen Sturm gegen zwei Gesetze der Landesregierung – Jagd- und Klimaschutzgesetz-, bei denen die FDP mitstimmen wird. Stand jetzt.

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