Der Klimawandel geht ins Geld
Werden Kredite und Versicherung fürs Haus teurer? 
Ruinen von zwei bei der Flut im Sommer 2021 zerstörten Wohnhäusern am Ufer der Ahr: Der Chef der BaFin hat jüngst Banken und Versicherer dazu aufgefordert, die Risiken von Wetterextremen wie Feuer und Überschwemmungen stärker zu berücksichtigen.
Boris Roessler. picture alliance/dpa

In Rheinland-Pfalz sind laut Statistik rund 36.000 der versicherten Gebäude hochwassergefährdet. Wer sein Haus entsprechend versichern möchte, muss bereits jetzt tief in die Tasche greifen. Wird künftig wegen des Klimawandels alles noch teurer?

Aktualisiert am 04. März 2025 11:30 Uhr

Im Wahlkampf hat der Klimawandel kaum eine Rolle gespielt. In der deutschen Finanz- und Versicherungsbranche dafür umso mehr. Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), hat jüngst Banken und Versicherer dazu aufgefordert, die Risiken von Wetterextremen wie Feuer und Überschwemmungen stärker zu berücksichtigen. Ein „striktes Risikomanagement“ der Klimarisiken sei notwendig, heißt es von der BaFin-Spitze. Wir wollten von Experten wissen: Werden Häuslebauer und Immobilienbesitzer gerade in hochwassergefährdeten Gebieten, von denen es in Rheinland-Pfalz ja etliche gibt, künftig stärker zur Kasse gebeten?

„Das Wort der BaFin hat in der deutschen Finanzwirtschaft großes Gewicht. Insofern glauben wir, dass es Folgen haben wird“, erklärt Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), auf Anfrage unserer Zeitung. „So empfiehlt der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) seinen Mitgliedsunternehmen, nur noch Gebäudeversicherungen mit einem inkludierten Elementarschaden- beziehungsweise Naturgefahrenschutz anzubieten. Aktuell bieten viele Versicherer bei Neuverträgen den Elementarschutz bereits standardmäßig an. Wenn Kunden diesen nicht abschließen wollen, müssen sie den Zusatzbaustein aktiv abwählen („opt-out“). Vermittler klären dann die Kunden über die Folgen nachdrücklich auf.“

Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), spricht beim NRW-Bankentag. Beim NRW-Bankentag geht es um den Wirtschaftsstandort NRW. +++ dpa-Bildfunk +++
David Young. picture alliance/dpa

Trotzdem legt BaFin-Chef Branson den Finger in die Wunde: Der Klimawandel schreite voran, „die physischen Risiken steigen weiter. Und sie werden sich in den Kreditportfolios der Banken oder in den Schadenssummen der Versicherer niederschlagen.“ Vielfach gebe es noch Datenlücken, sodass Versicherer und Banken Risiken nicht vollständig einschätzen könnten.

Laut Michael H. Heinz spricht sich auch die Versicherungswirtschaft schon seit Jahren dafür aus, den Hochwasserschutz zu verbessern und Neubaugebiete in Überschwemmungsgebieten nicht mehr auszuweisen. Dass eben dies trotz Warnungen weiterhin geschieht, war und ist in Teilen im Ahrtal nach der Flutkatastrophe zu erleben.

Was bedeutet dies nun für die Policen, die Versicherungsnehmer in solchen Gebieten zu zahlen haben? Die Kalkulation des Versicherungsschutzes orientiert sich nach der Eintrittswahrscheinlichkeit für Risiken, erläutert der BVK-Präsident. Dies gelte insbesondere für Gebäudeversicherungen in möglichen Überschwemmungsgebieten. Hier habe die Versicherungswirtschaft schon vor Jahren ein sogenanntes „Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen“ (ZÜRS) mit vier Starkregengefährdungsklassen entwickelt. Je höher die Klasse, desto wahrscheinlicher ist eine Überschwemmung, und desto höher fällt die Prämie für den Versicherungsschutz aus. Laut Michael H. Heinz ist die gute Nachricht: 92 Prozent der Immobilien sind in der ZÜRS-Klasse eins, also der mit der geringsten Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Überschwemmung.

Versicherer helfen „schnell und unbürokratisch“

Doch es gibt auch Fälle, wo Hausbesitzer von Versicherern wegen zu hoher Risiken gar keine Police oder nur gegen erhebliche Risikozuschläge angeboten bekommen. Dies seien „nur wenige“, sagt Heinz. Und: „Wir Versicherungsvermittler helfen unseren Kunden einen bezahlbaren Versicherungsschutz zu erhalten und beraten sie dazu, wie sie zum Beispiel durch eine Erhöhung der Selbstbeteiligung oder bauliche Maßnahmen wie Rückstauklappen, Schutzfenster etc. ihre Prämie senken können.“ Im Schadenfall helfe man in der Regel „schnell und unbürokratisch“ weiter.

Was die Höhe der Policen angeht, warnt der BVK-Präsident die Hausbesitzer: „Man muss aber auch deutlich sagen: Diejenigen Immobilieneigentümer die mittlere dreistellige beziehungsweise niedrige vierstellige Beiträge jährlich für einen Versicherungsschutz gegen Naturgefahren nicht aufbringen möchten, sollten sich fragen, ob sie noch in adäquaten Verhältnismäßigkeiten rechnen. Schließlich sind Immobilien weitaus wertvoller als jährliche Versicherungsrechnungen.“

Kathrin Jarosch, Pressesprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), blickt konkret nach Rheinland-Pfalz und nennt Zahlen: Die Forderung von BaFin-Präsident Branson, Risiken richtig zu bepreisen und einen „proaktiven Ansatz“ mit mehr Prävention zu verfolgen, werde von den Versicherern geteilt. Von den rund 1,4 Millionen Adressen in Rheinland-Pfalz seien rund 36.000 hochwassergefährdet. Das sei Ergebnis einer Auswertung im Auftrag des GDV von Juni 2024. Aktuell seien 49 Prozent der Häuser in unserem Bundesland gegen Elementarschäden wie Überschwemmung und Hochwasser versichert, bundesweit sind es 54 Prozent.

Die Prämie der Elementarschadenversicherung bemisst sich im Wesentlichen nach Lage, Alter, Größe und Bausubstanz des Hauses. Mit Selbstbehalten und Schutzmaßnahmen, die man individuell mit seinem Versicherer vereinbart, ist die Versicherung nach Meinung von Kathrin Jarosch auch im Risikogebiet möglich. „Grundsätzlich ist jedes Haus in Deutschland versicherbar. Nur bei einem sehr geringen Anteil der bundesweit 0,4 Prozent Adressen in der höchsten Hochwassergefährdungsklasse HGK 4 kann es tatsächlich wirtschaftlich nicht sinnvoll sein, zu versichern.“

Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK)
Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK)/Eigenproduktion

In ihrem Bericht zur Nachhaltigkeit 2024 schreibt die BaFin, dass umweltbezogene finanzielle Risiken „mit zunehmender Unsicherheit über die Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens tendenziell im Steigen“ sind, etwa durch Extremwetterereignisse. Solche Risiken könnten sich zum Beispiel auch auf Kredite auswirken. Heißt im Klartext: Banken werden sich in Zukunft genauer überlegen, ob und zu welchen Konditionen sie Immobilien finanzieren, wenn diese zum Beispiel in hochwassergefährdeten Gebieten liegen.

Davon geht auch der BVK aus, obgleich Kredite für Häuslebauer nicht Kerngeschäft der Versicherungswirtschaft sind. „Wir glauben“, sagt Michael H. Heinz, „dass die Kreditgeber mehr Sicherheiten fordern werden und zum Beispiel den Abschluss einer Naturgefahrenversicherung in hochwassergefährdeten Arealen zur Bedingung für eine Kreditvergabe machen beziehungsweise zusätzliche bauliche Maßnahmen gegen das höhere Überschwemmungsrisiko verlangen.“

Dass Kreditinstitute durch die Bankenaufsicht alarmiert sind und reagieren, macht auf Anfrage Torsten Jäger, Leiter Sustainable Finance beim Bundesverband deutscher Banken, deutlich: „Hochwasser oder auch Waldbrände, Beispiele für sogenannte physische Risiken, nehmen durch den fortschreitenden Klimawandel zu. Banken managen Risiken seit jeher professionell, das gehört zu ihrem Kerngeschäft. (…) Diese Risiken fließen in Kreditentscheidungen und die Bewertung von Immobiliensicherheiten ein. Jede Bank entscheidet im Rahmen ihrer Geschäftspolitik, ob und wie sie Finanzierungen gestaltet. Ein angemessener Versicherungsschutz ist dabei bei Immobilienfinanzierungen Standard.“

Schutz gegen Elementarschäden

Nach Informationen des Gesamtverbandes der Deutschen  Versicherungswirtschaft (GDV) können mehr als 90 Prozent der Häuser in Deutschland „für wenige Hundert Euro jährlich gegen Elementarschäden versichert werden“. Die konkrete Ausgestaltung der Prämien obliegt den Produktanbietern. Rund 100 Versicherer bieten Elementarschadenschutz für Wohngebäude an. ms

Top-News aus der Region

Weitere regionale Nachrichten