Gemüsebauern und Gartenbesitzer betrachten das Auftreten neuer Schädlinge mit Sorge - Pflanzenschutzmittel wirken nicht
Wenn Tomaten nach Wanze schmecken: In Rheinland-Pfalz hat sich ein invasiver Schädling angesiedelt
Grüne Reiswanze
In Rheinland-Pfalz hat sich die Grüne Reiswanze (Nezara viridula) angesiedelt, ein invasiver Schädling, der ursprünglich aus Ostafrika stammt. Gartenbesitzer und Gemüsebauern sind besorgt. Der Naturschutzbund sieht auch Positives: Von den Wanzeneiern profitieren Insekten. Foto: Katja Sponholz/dpa
Katja Sponholz. dpa

Die Grüne Reiswanze, ein invasiver Schädling aus Ostafrika, macht sich in Rheinland-Pfalz breit. Gemüsebauern und Gartenbesitzer betrachten das Auftreten neuer Schädlinge mit Sorge – denn auch Pflanzenschutzmittel wirken nicht.

Grüne Reiswanze
In Rheinland-Pfalz hat sich die Grüne Reiswanze (Nezara viridula) angesiedelt, ein invasiver Schädling, der ursprünglich aus Ostafrika stammt. Gartenbesitzer und Gemüsebauern sind besorgt. Der Naturschutzbund sieht auch Positives: Von den Wanzeneiern profitieren Insekten. Foto: Katja Sponholz/dpa
Katja Sponholz. dpa

Je nach Alter sehen sie mit ihren bunten Punkten und leuchtenden Farben eigentlich sogar ganz hübsch aus. Doch was sie anrichten können, ist alles andere als schön: Denn wenn die Grüne Reiswanze einmal „mit ihrem stechenden Mundwerkzeug“ aktiv geworden ist, so Sabine Gebhard von der Landwirtschaftskammer des Saarlandes, entwickeln sich die Pflanzen und ihre Früchte sehr schlecht. „Sie verkrüppeln, werden braun und bekommen Flecken“, berichtet die Gartenbauingenieurin. Und nicht nur das Aussehen ist beeinträchtigt, sondern auch der Geschmack von Obst und Gemüse: „Schmeckt nach Wanze!“ ekeln sich Gartenbesitzer nach dem Verzehr von befallenen Tomaten oder Himbeeren.

Nicht nur Hobbygärtnern, sondern vor allem professionellen Gemüsebaubetrieben ist die neue Verbreitung dieses invasiven Schädlings aus Ostafrika daher ein Dorn im Auge. „Das stellt schon ein Problem dar“, sagt Gebhard. Seit dem vergangenen Jahr meldeten sich vermehrt Gemüsebauer, um die Wanzen bestimmen und sich über geeignete Bekämpfungsmaßnahmen informieren zu lassen.

Breites Nahrungsspektrum

Laut der Internetplattform Isip des Vereins Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion ist die Grüne Reiswanze „stark polyphag“ – das heißt, sie saugt an Blättern und Früchten von Pflanzenarten aus allen Kulturbereichen. Angefangen von Bohnen, Tomaten, Kartoffeln und Gurken über Beeren und Äpfel bis zu Malven, Rosmarin und Bäumen.

Die Möglichkeiten, die Wanzen loszuwerden, sind begrenzt. „Es gibt kaum Empfehlungen, die man aussprechen kann“, sagt Gebhard, Bereich Pflanzenbau und Pflanzenschutz bei der Landwirtschaftskammer. Zugelassene Pflanzenschutzmittel gebe es nicht für diese Wanzenarten. Sie rät daher zum integrierten Pflanzenschutz und zu natürlichen Gegenspielern wie Schlupfwespen und Raubfliegen. Auch ergebe es Sinn, die Pflanzen regelmäßig zu kontrollieren und die Eigelege, Nymphen und erwachsenen Tiere abzusammeln. „Man sollte sie aber im Restmüll entsorgen und nicht auf dem Kompost, sonst geht die Entwicklung weiter, und es besteht die Gefahr, dass man sekundäre Krankheiten wie Pilzkrankheiten mit in den Kompost einbringt“, betont sie.

Das Auftreten der Grünen Reiswanze wird von Behörden und Naturexperten ganz unterschiedlich eingeschätzt: Im Saarland sei das Vorkommen noch kein Thema, heißt es aus dem Umweltministerium. Weder der Landwirtschaftsabteilung noch dem Zentrum für Biodokumentation liege bisher etwas zur Grünen Reiswanze vor, sagt Sprecher Matthias Weber.

Demgegenüber verweist die Naturforschende Gesellschaft des Saarlandes, Delattinia, auf den ersten Nachweis dieser Art im Saarland im Jahr 2019 am Moselufer bei Perl-Nennig. „Mittlerweile hat sich die Grüne Reiswanze zunächst vermutlich entlang der Saar heraufwandernd beziehungsweise -fliegend sehr erfolgreich etabliert und ist flächendeckend bei uns zu finden“, so der promovierte Biologe Helmut Kallenborn. Er prophezeit: „Wenn wir nicht einige sehr kalte Winter erleben und weil die Reiswanze nicht wählerisch bezüglich ihrer Nahrungspflanzen ist, wird sich daran wohl nichts mehr ändern lassen.“

In Rheinland-Pfalz wird das Vorkommen von Wanzenarten nach Auskunft des Landwirtschaftsministeriums „intensiv beobachtet“. Schon vor drei Jahren hatten die Gartenakademie und der Gemeinde- und Städtebund über „lästige Wanzen in Haus und Garten“ informiert. Vor allem durch die anhaltende Klimaerwärmung würden neue Wanzen immer mehr zur Plage.

Neben der Grünen Reiswanze gibt es laut Ministeriumssprecherin Nicola Diehl auch andere Wanzenarten, „die zunehmend Schäden in verschiedensten Kulturen verursachen und lokal und saisonal zu erheblichen Problemen führen können“. Eine direkte Bekämpfung der Wanzenarten sei aktuell nicht möglich. Vorbeugend seien Maßnahmen wie etwa Kulturschutznetze denkbar.

Nach Auskunft von Carsten Renker, Leiter der Zoologischen Sammlung am Naturhistorischen Museum in Mainz, wurde die Grüne Reiswanze schon seit 2008 in Rheinland-Pfalz nachgewiesen, in Hessen seit spätestens 2016. Er vermutet, dass das Saargebiet bereits durchgehend besiedelt ist. Aus seiner Sicht besteht jedoch kein Grund zur Panik.

Auch einheimische Arten richten Schaden an

Interessant sei die Tatsache, dass hier tatsächlich eine tropische, ursprünglich in Ostafrika verbreitete Art den Weg nach Mitteleuropa geschafft habe. „Bislang waren es immer eher mediterrane-subtropische Arten, die bei uns eingeschleppt wurden.“ Seiner Einschätzung nach dürfte die Reiswanze recht empfindlich auf kalte Winter reagieren – was aus dem Mittelmeerraum eingeschleppte Arten oft noch relativ gut vertrügen. „Bleibt abzuwarten, ob wir in den nächsten Jahren weitere tropische Neuzugänge in unserer einheimischen Flora und Fauna finden werden“, so Renker.

Naturschützer warnen davor, die Zunahme von invasiven Arten zu verteufeln: „Wir haben auch genug einheimische Arten, die übelsten Schaden anrichten“, sagt Gaby Schulemann-Maier von der Beobachtungsplattform „Naturgucker“ des Naturschutzbundes (Nabu). Hinzu komme: „Die heimischen Insekten profitieren von Wanzeneiern, auch wenn sie von einer invasiven Art sind.“ Sie sei überzeugt, dass in Zukunft weitere Arten die Grüne Reiswanze noch als Nahrung für sich entdeckten – so wie die Meisen nach einiger Zeit den Buchsbaumzünsler.

Schulemann-Maier appelliert an Naturfreunde, ihre Wanzenbeobachtungen auf der Meldeplattform www.nabu-naturgucker.de mitzuteilen. „Die Daten helfen später, um die Ausbreitungen nachvollziehen zu können.“ Außerdem sei geplant, im nächsten Jahr rechtzeitig zur Saison gezielt einen Meldeaufruf für die Grüne Reiswanze zu starten.

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