„Glow Glow“ aus Mandel
Der (Um)Weg zu einem strahlenden Wein 
Darf es ein Gläschen Pink Fizzy sein? Pauline Baumberger-Brand lädt ihre Gäste dazu ein, ihren Naturwein unter der großen Trauerweide im Hof des Weinguts zu probieren.
Cordula Sailer-Röttgers

Die Geschichte der „Glow Glow“-Naturweine ist eng mit der der Winzerin Pauline Baumberger-Brand verbunden. Sie handelt vom Weggehen und Heimkehren, von Tradition und Innovation und vom Winzerinsein. Zu Besuch im Weingut Baumberger in Mandel.

Lesezeit 9 Minuten

Mandel ist ein Sehnsuchtsort für Pauline Baumberger-Brand. Etwa 900 Menschen leben in dem kleinen Ort an der Naheweinstraße. Fast 20 Weingüter sind dort beheimatet. Das Familienweingut Baumberger, gegründet 1855, ist eines davon. „Ich fand die Vorstellung immer toll, hier etwas mit dem Land und der Tradition zu machen“, erzählt Baumberger-Brand. Doch was? Heute haben sie und ihre Familie eine klare Vorstellung davon. Sie spiegelt sich wider in der Naturweinlinie Glow Glow.

Der Weg zu Glow Glow war nicht gerade, aber aufregend. Das ist zu spüren, als Pauline Baumberger-Brand anfängt, zu erzählen – im Schatten der großen Trauerweide im Hof des Weinguts. Nebenbei verkosten ihre Gäste den ersten Naturwein: einen Pink Fizzy, 2023er Jahrgang – ein Pét Nat aus den Rebsorten Regent, St. Laurent und Müller-Thurgau. Pét Nat steht für das französische Pétillant Naturel, was so viel heißt wie „natürlich prickelnd“ – ein Perlwein, der seine natürliche Gärung in der Flasche beendet.

Die Weinbranche wird zunehmend weiblicher

Ihre Gäste, das sind an einem noch recht frischen Donnerstagmorgen mehr als ein Dutzend Journalistinnen und Journalisten. Sie besuchen auf Einladung des Deutschen Weininstituts (DWI) Weingüter in Rheinhessen, an der Nahe und der Mosel. Die Stationen: Betriebe, in denen Frauen eine prägende Rolle spielen. Denn die Branche wird zunehmend weiblicher.

Das Weingut bewirtschaftet Baumberger-Brand mit ihrem Bruder Carl und ihren Eltern Birgit und Marcus Baumberger. Dass von den drei Geschwistern – zwei Töchter, ein Sohn – ihr Bruder den Betrieb einmal übernehmen soll, „war eigentlich immer klar“, erzählt die 31-Jährige. „Meine Eltern sind super-modern und ganz, ganz offene Menschen, aber das ist ganz klassisch Landwirtschaft.“

„Aber egal, wo ich hingezogen bin und egal, wo ich gearbeitet habe, ich habe immer vom Weingut erzählt, von Mandel, von der Familie.“
Pauline Baumberger-Brand vom Weingut Baumberger

Ihr Bruder habe bereits früh gewusst, dass er das auch möchte. „Er hat schon mit 16 seinen ersten Jahrgang gemacht“, berichtet Baumberger-Brand. Wenn er nicht hätte weitermachen wollen, so die Schwester, hätte sie gern übernommen. Doch der Platz des Winzers schien belegt. Nach dem Abitur sucht die junge Pauline Baumberger ihren eigenen Weg.

Sie studiert Kommunikationsdesign in Mainz – mit Zwischenstationen in Den Haag und Berlin. Danach startet sie in Paris in ihr Berufsleben. „Aber egal, wo ich hingezogen bin und egal, wo ich gearbeitet habe, ich habe immer vom Weingut erzählt, von Mandel, von der Familie“, erinnert sich Baumberger-Brand an die enge Bindung zur Heimat. Aber die Vorstellung, welche Weine sie als Winzerin in Mandel gern umsetzen würde, die habe ihr als junge Frau gefehlt. „Und plötzlich habe ich Weine kennengelernt, die mir eine komplett neue Welt eröffnet haben“, erzählt sie begeistert.

Wie ein in Paris verkosteter Wein alles verändert

Ein Aha-Erlebnis hat sie 2016 in Paris, als sie einen Wein des Winzers Tom Lubbe probiert – eine Cuvée Marguerite. Lubbe produziert seine Matassa-Naturweine in der südfranzösischen Region Roussillon. „Da habe ich einfach gemerkt, da ist so viel, was ich nicht kenne, einfach so viel Lebendigkeit – und es schmeckt komplett anders als alles, was ich je getrunken habe“, berichtet Pauline Baumberger-Brand noch heute fasziniert. Für die junge Frau geht eine neue Tür auf, plötzlich hat sie Lust, eigenen Wein zu machen. Sie stellt sich die Frage, wie Wein von der Nahe, Wein aus den Lagen des elterlichen Weinguts schmecken würde, wenn er auf diese Weise hergestellt würde. „Das hat wirklich alles verändert für mich“, sagt Baumberger-Brand.

Aber: Naturwein, was ist das überhaupt? Auf ihrer Website schreiben die Baumbergers, es gebe keine offizielle Definition, es sei „mehr eine Philosophie“. Unserer Zeitung erklärt Pauline Baumberger-Brand kurz zusammengefasst den Grundsatz der Naturwein-Herstellung so: „nichts hinzufügen, nichts wegnehmen“. Es gehe darum, nur mit den Trauben zu arbeiten, keine Schönungsmittel zuzusetzen, keine Nährstoffe, keine Enzyme – „nichts, was man im Weinbereiten hinzufügen dürfte“. Die Weine werden nicht filtriert, vor der Füllung wird kein Schwefel zugesetzt. Grundlage ist eine biologische Bewirtschaftung der Weinberge.

Der Name der Naturweinlinie "Glow Glow" ist angelehnt an den französischen Begriff Glou Glou, der für Weine steht, die man "einfach so wegtrinken kann", erklärt Winzerin Pauline Baumberger-Brand.
Cordula Sailer-Röttgers

Nach ihrem einschneidenden Weinerlebnis in Paris reist die damals 23-jährige Pauline zurück nach Deutschland. Sie will Wein machen. Sie greift zum Telefonhörer und ruft zu Hause an, fragt die Familie, ob auch sie sich vorstellen kann, dass sie zurückkommt. „Mein Bruder hat zum Glück direkt gesagt: 100 Prozent, er hat total Lust, das zusammen zu machen“, berichtet Baumberger-Brand den Gästen unter der Trauerweide. Ihre Eltern mahnen zur Besonnenheit, dazu, sich den Schritt gut zu überlegen.

Ihr sei klar gewesen, so Baumberger-Brand, wenn sie zurück in die Weinwelt wolle, brauche sie einen eigenen Zugang dazu, müsse ihren eigenen Weg zurück finden. „Ich war immer entweder die Tochter von einem Winzer oder die Schwester von einem Winzer oder jetzt die Frau von einem Winzer“, sagt die 31-Jährige, die mit Jonas Brand vom Weingut Brand in Bockenheim in der Pfalz verheiratet ist. Es passiere ihr ganz oft, dass sie in eine dieser Kategorien eingeordnet werde. „Aber dabei bin ich eigentlich einfach nur Winzerin.“

Der eigene Weg zurück ins elterliche Weingut

Um bei ihrer Rückkehr ins elterliche Weingut nicht „etwas von einem Winzer“ zu sein, startet sie ihren eigenen Weg in die Branche. 2017 beginnt sie an der Hochschule Geisenheim, internationale Weinwirtschaft zu studieren. Nach zwei Semestern merkt sie, dass sie gern parallel bereits arbeiten möchte. Zum Wintersemester 2018 wechselt sie nach Neustadt und beginnt den berufsbegleitenden MBA-Studiengang „Wine, Sustainability and Sales“. Im Jahr 2019 kehrt die junge Frau nach Mandel zurück, um parallel bis zum Studienabschluss im Weingut zu arbeiten.

Sie und ihr Bruder wollen gern auf eine biologische Bewirtschaftung umstellen. Und: Sie wollen mit Naturwein experimentieren. Noch im selben Jahr präsentieren die beiden ihren Eltern bei einer Verkostung einige Naturweine, vor allem Pét Nats. Die Reaktion von Mutter und Vater, so erinnert sich Pauline Baumberger-Brand, lautete: „Das ist super-spannend, aber müssen wir das in unserem Keller machen?“ Die DWI-Reisegruppe unter der Trauerweide lacht.

Erste Experimente mit Trauben aus der besten Lage

„Sie waren sofort begeistert von der Idee, Wein zu machen, ohne jegliche Zusätze“, sagt Baumberger-Brand über die heimische Weinprobe. „Aber Sie haben gesagt, das muss man doch auch irgendwie so machen können, dass es trotzdem schmeckt.“ Damals, so räumt Baumberger-Brand ein, seien auch fehlerhafte Weine unter den verkosteten gewesen. Bis zur Lese hin versuchen ihr Bruder und sie, den Vater zu überzeugen. Erfolg haben sie erst nach einer Verkostung im Keller eines befreundeten Winzers, berichtet Baumberger-Brand. Danach habe der Vater gesagt, wenn es Weine gebe, die „so eine Energie haben, die so lebendig schmecken“, erzählt die Tochter, dann wolle er es auch versuchen.

Das Experiment Glow Glow startet: Pauline und ihr Bruder Carl bauen zwei Halbstückfässer mit Riesling und Muskateller vom Mandeler Dellchen aus – „unsere beste Lage“, betont Baumberger-Brand. „Riesling ist einfach die Nahe und das, was uns am meisten gereizt hat“, erzählt Baumberger-Brand. Und auch der Muskateller durfte nicht fehlen. Denn die Cuvée Maguerite von Matassa – die ihr in Paris als Inspirationsquelle diente – enthält auch Muskateller-Rebsorten.

„Das ist für einen Naturwein eines der schönsten Komplimente, wenn der Wein Glou Glou ist, weil es dann eben Spaß macht, zu trinken.“
Pauline Baumberger-Brand vom Weingut Baumberger

Mit ihren Gästen ist Baumberger-Brand inzwischen von der Trauerweide im Hof an eine lange Tafel im Inneren des Weinguts umgezogen. Die Weinprobe geht weiter, ein 2023er Riesling kommt ins Glas. Auch auf dieser Flasche – wie auf allen anderen – steht „Glow Glow“. Warum werden die Naturweine der Baumbergers unter diesem Namen vermarktet?

Angelehnt ist Glow Glow an eine französische Begrifflichkeit. „Glou Glou ist ein Begriff im Französischen für Weine, die man einfach so wegtrinken kann“, erklärt Pauline Baumberger-Brand. Das Wort ist lautmalerisch gemeint, man macht beim Trinken des Weins ein Gluck-gluck-Geräusch. „Das ist für einen Naturwein eines der schönsten Komplimente, wenn der Wein Glou Glou ist, weil es dann eben Spaß macht, zu trinken.“

2023: Ein wirklich hartes Erntejahr in Mandel

Der Name drückt aber noch etwas anderes aus: Die Familie wolle damit auch die Energie und Strahlkraft der hergestellten Naturweine transportieren. „Wir hatten immer dieses Strahlen im Kopf“, erzählt Baumberger-Brand. „Und dann haben wir verschiedene Wortspiele gemacht.“ Statt Glou Glou, dachten sich die Baumbergers, könne man auch „Glow Glow“ sagen. Im Englischen bedeutet „glow“ so viel wie das Leuchten oder das Glühen. „Dann haben wir das so aufs Fass geschrieben und sind einfach dabei geblieben.“

Zurück zum 2023er Riesling und dem Jahr seiner Ernte: Es sei, so erklärt es Pauline Baumberger-Brand, ein denkwürdiges Jahr für das Familienweingut gewesen. „Es war einmal das Jahr, in dem wir uns entschieden haben, nur noch Naturwein zu machen“, sagt die Winzerin. „Aber leider war es auch das schwierigste Erntejahr unseres Lebens.“ Nach einem guten Frühjahr habe die Familie auf Regen gehofft. Denn 2022 habe es zwölf Wochen gar keinen gegeben. Und auf einmal kam der Regen: an einem, schönen, warmen Julitag 2023. „Aber dann hat er auch nicht mehr aufgehört“, erzählt Baumberger-Brand. „Dann hat es einfach geregnet bis zur Weinlese – und in der Weinlese.“

Rieslingweinberge halten dem Regenwetter stand 

Besonders herausfordernd: Bei Naturwein dürfe nichts hinzugefügt werden, was den Gärungsprozess sicherer oder weniger risikoreich mache. „Also müssen wir perfekt saubere Trauben ernten“, erklärt die Winzerin. Komme es beispielsweise zu Fäulnisproblemen, helfe nichts, außer penibel Trauben auszusortieren. Zudem sei der Vorsatz gewesen, alles mit der Hand zu ernten. Das bedeutete vier Wochen harte Arbeit am Stück, so Baumberger-Brand. „Wir waren am Limit.“ Das Wetter habe für die kleinsten Erträge gesorgt, die das Weingut je gesehen habe.

Aber: Seit dem 2023er-Jahrgang tragen die Weine der Baumbergers das EU-Biosiegel. Und das Erntejahr hatte weitere Highlights zu bieten: „Die einzigen Weinberge, die bis zum Schluss perfekt gesund waren, waren die Rieslingweinberge“, berichtet Baumberger-Brand. Riesling, den ihre Gäste nun im Glas haben – eine Cuvée aus Trauben der Steillagen Mandeler Dellchen und Mandeler Schlossberg. Die Trauben durften hängen bleiben bis zur vollen Reife. „Das ist der Wein mit dem höchsten Alkoholgehalt, den wir bisher in der Glow-Glow-Linie gemacht haben“, sagt Baumberger-Brand – es sind 12,5 Volumenprozent. „Für uns ist das sehr viel.“ Doch das Potenzial der Trauben sollte voll ausgeschöpft werden.

Pauline Baumberger-Brand und ihre Familie setzen kaum noch auf den Direktvertrieb - sie wollen sich vor allem aufs Weinmachen konzentrieren.
Cordula Sailer-Röttgers

Vor ihrer Naturwein-Umstellung haben die Baumbergers fast allen Wein direkt vermarktet. Das Weingut hatte einen festen Kundenstamm. Der Wein wurde den Kunden auch nach Hause gebracht. „Wir wussten genau, welche Einfahrt man wie am besten anfährt, wir kannten die Urlaubsfotos“, sagt Baumberger-Brand. Doch die meisten dieser Kunden hat das Weingut durch die Neuausrichtung verloren. Wer über Jahre oder Jahrzehnte lieblichen Müller-Thurgau getrunken habe, für den sei ein trüber Wein mit null Gramm Restzucker eher ein Schock.

Heute habe das Weingut fast gar keine Direktkunden mehr. „Wir arbeiten viel mit Händlern, Gastronomie und Importeuren“, erklärt die Winzerin. Sich nicht mehr selbst um den Verkauf zu kümmern, schaffe zeitlich die Kapazität, um sich mehr aufs Weinmachen zu konzentrieren. 60 Prozent der Weine würden heute exportiert. „Unser wichtigstes Land ist Japan“, sagt Baumberger-Brand. Aber auch nach Dänemark, Schweden, Norwegen, Kanada, die Niederlande oder Frankreich gehen die Naturweine. Inzwischen seien auch Mexiko und Australien dazugekommen. „Jetzt sind wir auf fast allen Kontinenten.“

„Ich fühle mich als Frau in der Weinwelt extrem ernst genommen.“
Pauline Baumberger-Brand vom Weingut Baumberger 

Dass Pauline Baumberger-Brand „einfach nur Winzerin“ ist, wie sie eingangs ihren Besuchern erklärt, wird im Verlauf der Weinprobe immer deutlicher. Die 31-Jährige brennt für ihren Beruf. Doch nicht jeder habe sie und ihre Ideen mit offenen Armen in der Branche empfangen. Sie berichtet von einer Jungweinprobe zu Beginn des Naturweinprojekts. Ein Teilnehmer habe das Glas mit ihrem Naturwein genommen, es hochgehalten – aber weder hineingerochen noch probiert. „Und er hat gesagt: ,Das passiert, wenn die Tochter nach Hause kommt, nichts gelernt hat und denkt, sie könnte Wein machen.’“

Ein Vorfall, der sie noch heute sichtlich bewegt. Zumal derjenige, so erzählt sie weiter, auch noch gesagt habe, dass sie den Wein sicher dennoch verkauft bekomme: Sie sei ja eine Frau, und die Flasche habe ein schönes Etikett. Doch Baumberger-Brand sagt auch: „Es war vielleicht ein schwerer Start, aber ich bin mir gar nicht sicher, ob der so viel leichter gewesen wäre, wenn ich ein Mann gewesen wäre.“ Zwar glaubt sie, dass die anfängliche Skepsis, die sie teils erreicht habe, auch daran lag, dass sie als junge Frau Naturwein machen wollte. Doch vielleicht wäre auch ein Mann, der zuerst einen beruflichen Umweg genommen hat und dann neue Ideen aus Paris mitbringt, kritisch beäugt worden.

Für sich bilanziert die Winzerin: „Ich fühle mich als Frau in der Weinwelt extrem ernst genommen.“ Das gelte für Kolleginnen und Kollegen. Sie habe das Gefühl, unterstützt zu werden. Für sie fühle es sich so an, als seien schon viele Vorurteile abgebaut worden. Doch Pauline Baumberger-Brand findet, solange Einzelfälle wie der von ihr geschilderte passieren, „muss man einfach weiter darüber reden“.

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