Am Freitagmorgen ist der Name des Pilotprojektes „Häppi“ zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung Programm. Alles und alle sind „häppi“ in Mainz – allen voran Barbara Römer, die Chefin des rheinland-pfälzischen Hausärzteverbandes.
Römer hat ausgerechnet am heutigen Tag, kurz vor dem Start des Pilotprojektes in Rheinland-Pfalz, Geburtstag. Und bekommt deshalb zu Beginn von ihren Hausarztkollegen, Verbandsvertretern und Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) ein Geburtstagsständchen gesungen. Ihr größtes Geschenk seien die sieben Pilotpraxen im ländlichen Raum, die ab dem 1. Juli mit „Häppi“ in Rheinland-Pfalz loslegen, freut sich die rheinland-pfälzische Hausärztechefin.

„Häppi“ ist die Abkürzung für „Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung interprofessionell“. Dahinter steckt folgende Idee: Hausarztpraxen sollen zu Teampraxen werden, in denen die Aufgaben auf mehreren Schultern verteilt werden. Im Mittelpunkt steht weiter der Hausarzt oder die Hausärztin. Er ist der Dirigent. Er stellt die Diagnosen. Er gibt Therapieempfehlungen. Er ist und bleibt der Lotse im Gesundheitssystem. Und er ist in letzter Instanz für das Patientenwohl verantwortlich.
In einer Teampraxis kann es daneben weitere Ärzte geben – und sehr unterschiedlich qualifiziertes, nicht ärztliches Personal, wie zum Beispiel die Medizinische Fachangestellte (MFA),die den meisten wahrscheinlich besser als Arzthelferin bekannt ist. Die Medizinischen Fachangestellten können sich etwa auch zu Primary Care Managerinnen (PCM, Bachelor of Science), also Primärversorgungsmanagerinnen, an einer Privathochschule ausbilden lassen. Dieses Fachpersonal, egal, ob MFA oder PCM oder auch Physician Assistant (Arztassistent) übernimmt in den sieben „Häppi“-Pilotpraxen Aufgaben des Hausarztes, für die es den Allgemeinmediziner eben nicht braucht. Das kann zum Beispiel eine Impfung sein, Blut abnehmen, eine vorbereitende Anamnese oder Haus- sowie Altenheimbesuche. Geht es in einem Heim einem Patienten gar nicht gut, sendet dieser gar Warnsignale, kontaktiert beispielsweise die PCM den Hausarzt, holt ihn, wenn möglich, per Videoschalte, hinzu. Der Hausarzt entscheidet dann, was in der Folge zu tun ist.
Den Hausarztberuf attraktiver machen
Das Ziel des Testlaufes ist es, durch neue Teamstrukturen und den verstärkten Einsatz von digitalen Instrumenten die Praxen gut für die Zukunft aufzustellen. Durch die Delegation und Digitalisierung soll der Hausarzt (wieder) mehr Zeit bekommen, um sich dem einzelnen Patienten widmen zu können. Hausärzte könnten sich auf die Behandlung komplexer Krankheitsbilder konzentrieren, die ihre Expertise benötigen, erklärt Barbara Römer.
So könne der Beruf attraktiver gemacht werden – und nicht nur die Tätigkeit des Hausarztes, sondern auch die anderen Jobs des nicht ärztlichen Fachpersonals. Römer sagt, dass eine MFA nicht dafür ausgebildet sei, den ganzen Tag am Telefon zu hängen und E-Mails zu beantworten. Hier soll eine KI-basierte Telefonassistenz Freiräume schaffen.

Mehr Zeit und Geld: So wollen Hausärzte Patienten und Medizinernachwuchs wieder „Häppi” machen
Der Ärztemangel greift auch in Rheinland-Pfalz um sich. Wenn eine Praxis schließt, suchen Patienten oft Monate nach einem neuen Hausarzt. In den verbliebenen Praxen bleibt zugleich immer weniger Zeit für die Anliegen kranker Menschen.
Dass in der Hausärzteversorgung etwas passieren muss, ist den Projektbeteiligten – neben dem Hausärzteverband ist dies das Mainzer Gesundheitsministerium sowie die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland – völlig klar. Auch in Rheinland-Pfalz gibt es einen Hausärztemangel, der vor allem ländliche Regionen trifft. In einer Pressemitteilung vom April dieses Jahres sprach das Gesundheitsministerium von bundesweit rund 5.000 unbesetzten Hausarztsitzen. Römer nennt an diesem Freitag die Zahl 300 für Rheinland-Pfalz.
„Es geht um alles oder nichts. So wie die hausärztliche Versorgung, auch im ländlichen Raum, aktuell funktioniert, geht es nicht mehr weiter.“
Barbara Römer, Landesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz.
In Rheinland-Pfalz sind laut der Pressemitteilung des Hoch-Ministeriums etwa 40 Prozent der Hausärzte außerdem über 60 Jahre alt. Bedeutet: Die Allgemeinmediziner können planmäßig in ein paar Jahren ihren Beruf aufgeben. Römer sagt: „ Es geht um alles oder nichts. So wie die hausärztliche Versorgung, auch im ländlichen Raum, aktuell funktioniert, geht es nicht mehr weiter.“ Viele Praxen seien heute bereits am Limit, sie müssten mit immer weniger Ärzten immer mehr chronisch und mehrfach erkrankte Rheinland-Pfälzer versorgen. Durch Praxisschließungen gerate man in einen weiteren Abwärtsstrudel. Gemeinsam mit dem Ministerium und der AOK, die „Häppi“ mit bis zu 280.000 Euro fördern, will der Hausärzteverband nun gegensteuern.
Das Projekt ist nicht gänzlich neu, in Baden-Württemberg läuft es schon eine Weile. Bayern legt ebenfalls ab dem 1. Juli los. In Rheinland-Pfalz werden sieben Pilotpraxen, vier von ihnen sind inhabergeführt, für sechs Monate das Konzept testen und schauen, wie diese neue Form der hausärztlichen Versorgung im Alltag funktioniert. Die Initiative setzt dabei auf existierende Strukturen und Verträgen auf.
„Häppi“ wird außerdem wissenschaftlich von der Universitätsmedizin Mainz sowie dem Universitätsklinikum Heidelberg begleitet. Es soll Patientenbefragungen geben, und auch die Teams sollen ihre Erfahrungen mitteilen. Die Erkenntnisse sollen in ein Best-Practice-Handbuch einfließen, das als Leitfaden für den landesweiten Roll-out, also der Umsetzung im ganzen Land, in der Hausarztversorgung dient.
Das sind die Pilotpraxen im nördlichen Rheinland-Pfalz:
Kirchener Gemeinschaftspraxis (Dr. Volker Thielmann) in Kirchen (Kreis Altenkirchen), Arztpraxis Gindi (Alexander Gindi) in Hachenburg (Westerwaldkreis), Praxis Dr. Schencking (Dr. Martin Schencking) in Bad Ems (Rhein-Lahn-Kreis), Praxis für Allgemeinmedizin Elena Flad (Elena Flad) in Simmern (Rhein-Hunsrück-Kreis) und Hausarztzentrum Irrel (Dr. Doru Protopopescu/Dr. Timur Iusupov) in Irrel (Eifelkreis Bitburg-Prüm).