Es ist schon ein Kuriosum, dass ausgerechnet Justizminister Philipp Fernis die liberale Landesvorsitzende Daniela Schmitt beim FDP-Parteitag in Speyer als Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im nächsten Frühjahr vorschlägt. Und Schmitt später Fernis für den zweiten Platz der Landesliste empfiehlt. Fernis sagt, Schmitt habe die Liberalen 2021 erfolgreich in die Landtagswahl – 5,5 Prozent holte die FDP – und in die Landesregierung geführt. Das soll die Landeschefin und Wirtschaftsministerin am besten wiederholen. Fernis spielt jetzt im Team Schmitt. Im Frühjahr war das noch ganz anders. Da hatte er wenige Tage vor dem Landesparteitag samt Vorstandswahlen gesagt, dass er nicht im Team Schmitt sei.
Nach den erbitterten Machtkämpfen demonstrieren die Freien Demokraten an diesem heißen Samstag in Speyer Einigkeit, müssen Eintracht demonstrieren. Denn die rheinland-pfälzischen Liberalen kämpfen ums Überleben. In Umfragen steht die FDP bei mageren zwei bis drei Prozent. Der Wiedereinzug in den Landtag würde bei diesen Zahlen misslingen, die rheinland-pfälzische Ampelkoalition wäre futsch. Dabei betonen mehrere Redner in Speyer, wie wichtig es sei, dass die FDP in der Regierung vertreten sei.

Die rund 200 Delegierten schenken der FDP-Landeschefin erneut ihr Vertrauen. Schmitt erhält 151 von 193 gültigen Stimmen, und damit eine Zustimmung von 78,2 Prozent. Es ist ein deutlich besseres Ergebnis als die 67,5 Prozent, die die 52-Jährige bei ihrer Wahl zur Landesparteichefin im April erhalten hatte. Vor fünf Jahren hatten die Liberalen die Alzeyerin allerdings mit 95,2 Prozent zur Spitzenkandidatin gewählt. Einen Gegenkandidaten gibt es am Samstag nicht. Eine Delegierte spricht von einem „ordentlichen“ Resultat, Schmitt selbst von einem „ehrlichen, authentischen Ergebnis“.
In ihrer Bewerbungsrede fordert die Freie Demokratin eine moderne Bildungspolitik, in der es um Leistung gehe. Man könne es sich in dieser Zeit nicht mehr leisten, „Talente verkümmern zu lassen“, Talente müssten gefördert werden. Schmitt kritisiert die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD): Wenn die Triererin verspreche, den Bauturbo zu zünden und gleichzeitig die Mietpreisbremse verlängere, passe das nicht zusammen. Um den Wohnungsmangel zu bekämpfen, müsse man „bauen, bauen, bauen“, so Schmitt. Auffällig: Während Schmitts Rede gibt es mitunter lautes Gemurmel im Saal, sodass irgendwann der Sitzungsleiter mit einer Glocke eingreifen und die Delegierten zur Ruhe mahnen muss.
Schmitt zum Klimaschutzgesetz: Gehen in „Rheinland-Pfalz-Manier“ vor
Die FDP-Spitzenkandidatin streift in ihrer Rede auch das Landesklimaschutzgesetz, bei dem die Mainzer Ampel kurz vor der Abstimmung im Landtag uneins ist. Die Koalition steht unter Druck, die Wirtschaft macht massiv gegen das Gesetz mobil.
Schmitt erklärt, die FDP werde weiter kämpfen, um für Rheinland-Pfalz „eine gute Lösung“ zu erreichen. Die Nachfrage des Pfälzer Delegierten Christian Ritzmann, ob denn die FDP-Landtagsfraktion nun für eine Klimaneutralität bis 2040 stimmen wird, beantwortet Schmitt nicht. Man gehe in „Rheinland-Pfalz-Manier vor“, erklärt sie. Sie kämpfe für einen „guten, attraktiven und international wettbewerbsfähigen Industriestandort“. Gleichzeitig gebe es einen Koalitionsvertrag. Man müsse verhandeln, am Ende gebe es einen „guten Kompromiss“, ist Schmitt überzeugt.

Der erste Gratulant nach Schmitts Wahl zur Spitzenkandidatin ist der neue FDP-Bundesvorsitzende Christian Dürr. Küsschen links, Küsschen rechts. In seinem Impulsvortrag tadelt Dürr die schwarz-rote Bundesregierung, die eine immense Neuverschuldung zu verantworten habe. Nur mehr Geld für alles Mögliche könne nicht die Antwort sein. Dürr bemängelt auch, dass, anders als angekündigt, die Stromsteuer für die Bürger nicht gesenkt würde. Dürr: „Vertrauen in Politik stellt man nicht wieder her, wenn man Versprechen gleich doppelt bricht.“
Die Frage, ob es Vertrauen in die liberale Demokratie gibt, müsse von den Freien Demokraten beantwortet werden, ruft der Bundeschef seinen Parteikollegen zu. Und ergänzt: Ohne Freie Demokraten würde es keine liberale Demokratie geben.

Als dann Justizminister Fernis von Spitzenkandidatin Schmitt für den zweiten Listenplatz vorgeschlagen wird, kann sich der Bad Kreuznacher ein Grinsen nicht verkneifen. Fernis erhält von 188 gültigen Stimmen 126 „Ja“-Voten, also einen Zuspruch von 67 Prozent – nur wenige Prozentpunkte mehr als bei der Nominierung zum Justizminister und Nachfolger des verstorbenen Herbert Mertin im April. Fernis hatte seinerzeit mit knapp 63 Prozent ein schlechtes Ergebnis eingefahren.

Schmitt ist FDP-Landeschefin: Siegerin des Machtspiels
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt geht aus dem FDP-Machtkampf als Gewinnerin hervor. Beim Parteitag gibt es eine lange Aussprache zu den Machtspielchen – heftige Kritik entlädt sich an Ex-Parteichef Volker Wissing, aber auch an Philipp Fernis.
Ein Delegierter reagiert auf die 67 Prozent am Samstag mit einem „Wen wundert´s?“, ein anderer Gesprächspartner sagt, dass die Partei Fernis’ Agieren bei den Machtkämpfen nicht vergessen habe. Vor einigen Wochen war Fernis in jenem Lager vertreten, das Schmitt gegenüberstand. Ihre Widersacher hielten die Wirtschaftsministerin für untauglich, die FDP erneut über die 5-Prozent-Hürde zu führen.
Das ist an diesem Tag offensichtlich alles vergessen. Oder doch nicht? Als Fernis’ Wahlergebnis feststeht, will Schmitt ihrem Kabinettskollegen zuerst per Handschlag gratulieren, umarmt ihn dann aber doch kurz.
Wink und Weber mit den besten Wahlergebnissen auf den vorderen Plätzen
Die besten Wahlergebnisse auf den vorderen Plätzen bekommen der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Steven Wink, sowie der Parlamentsgeschäftsführer, der Eifeler Marco Weber. Wink landet mit rund 85 Prozent auf Platz drei der Landesliste, Weber mit dem gleichen Wert auf Rang fünf. Wink wirbt für ein liberales Aufstiegsversprechen – und für einen Staat, der lediglich die Rahmenbedingungen setzt. Ansonsten müsse der Staat „die Leute in Ruhe lassen“.
Der Eifeler Marco Weber hebt die Wirtschaftskraft für die Zukunftsfähigkeit des Bundeslandes hervor. Dann teilt er gegen die Koalitionspartner aus: Die FDP sei die einzige Regierungspartei, die in den vergangenen neun Jahren der Ampel keine Skandale produziert habe – „nicht wie beim Nürburgring, nicht wie beim Schlosshotel Bad Bergzabern, nicht wie beim Flugplatz Hahn“. Der gelernte Landwirt kündigt zum Schluss seiner Rede an: Er wolle derjenige sein, der im Hintergrund Unruhe stiftet, um die Themen im Sinne der FDP voranzubringen.
Thoma setzt sich gegen Gräf durch, Pernak gegen Wollenweber
Zwischen Wink und Weber reiht sich auf dem vierten Listenplatz Stefan Thoma ein. Der Neu-Neuwieder und bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion gewinnt die Kampfkandidatur (rund 68 Prozent) gegen die Westerwälderin Jana Gräf. Auf Platz sechs landet der Vorsitzende der Jungen Liberalen (Julis), der Koblenzer Florian Pernak. Der Juli-Chef wird mit 75 Prozent gewählt und setzt sich damit gegen Alexander Wollenweber (Kreis Altenkirchen) durch. Auf Rang sieben macht Justizstaatssekretär Matthias Freyer mit 55 Prozent gegenüber der Vize-Landesvorsitzenden und Schmitt-Vertrauten Stephanie Steichele-Guntrum das Rennen. Ein Achtungserfolg des Pfälzers, der ebenfalls gern Justizminister geworden wäre.

Wie die Liberalen in RLP ums Überleben kämpfen
Nach dem großen Streit um die Macht ist oberflächlich Ruhe in die FDP eingekehrt. Aber die großen Probleme und Verletzungen bleiben. Manche Liberale halten ein Wunder für nötig, um wieder in den Landtag einzuziehen.