Ständig Betrugsversuche in RLP
Welche Kniffe gegen Schockanrufer wirken
Auf ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger haben es die Täter besonders abgesehen. Doch es gibt Möglichkeiten, sich zu schützen.
Karl-Josef Hildenbrand. picture alliance/dpa

Es hört nicht auf: Eine Welle von Schockanrufen nach der anderen rollt durch Rheinland-Pfalz. Die Telefonbetrüger werden immer schamloser. Und haben häufig Erfolg. Was dagegen wirkt, ist Wissen. Vor allem Ältere können sich gegen die Masche wappnen.

Ein Goldbarren, 80.000 Euro wert. Und Schmuck für 50.000 Euro. Beides soll ein Mann als Mitglied einer Bande erbeutet haben, dem derzeit vor dem Landgericht Zweibrücken der Prozess gemacht wird. Und um an diese Werte zu kommen, soll vor allem ein Telefon benutzt worden sein. Die Opfer, eines davon aus dem Kreis Birkenfeld, wurden mit sogenannten Schockanrufen unter Druck gesetzt. Das kommt leider andauernd vor, ohne Unterlass, ständig und überall in Rheinland-Pfalz. Die Polizei setzt auf Prävention. Denn vor dieser perfiden Form der Kriminalität kann man sich vor allem selbst schützen.

„Wir befinden uns, was den sogenannten Call-Center-Betrug angeht, auf einem durchgehend hohen Niveau, wobei es natürlich Schwankungen gibt“, sagt Oliver Jutz aus der Pressestelle des Koblenzer Polizeipräsidiums. Den Begriff Call-Center-Betrug (CCB) verwenden Polizistinnen und Polizisten, weil er das arbeitsteilige, perfekt organisierte und durchchoreografierte Vorgehen der Täterbanden gut beschreibt. Die betreiben nämlich richtiggehende Telefonzentralen, oft im Ausland. Von dort aus rufen sie an – und bringen ihre Opfer dazu, ihren Komplizen Geld, Goldbarren oder eben Schmuck zu übergeben.

Carolin Blum vom Beratungszentrum beim Polizeipräsidium Koblenz
Tim Kosmetschke

„Wir haben mit diesen Taten immer und immer wieder zu tun, in der Regel kommen sie in Wellen. Und wir arbeiten seit vielen Jahren präventiv daran“, sagt Carolin Blum. Die Kriminologin und Präventionssachbearbeiterin arbeitet im Beratungszentrum der Polizei in Koblenz daran, es den Tätern schwerer zu machen. Durch Information.

„Der wichtigste Schlüssel in der Präventionsarbeit ist, möglichst viel Wissen über diese Taten zu verbreiten. Je mehr die Menschen darüber wissen, wie die Täter vorgehen, was sie am Telefon sagen, wie sie Druck aufbauen, worauf sie hinauswollen, umso eher führt das dazu, dass die Betroffenen auflegen – und so verhindern, dass sie Opfer werden“, sagt Blum. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen sowie mit großer ehrenamtlicher Unterstützung bringt sie das Wissen an Mann und Frau – vor allem an ältere Semester. Denn auf diese haben es die Kriminellen besonders abgesehen.

Maschen des Telefonbetrugs gibt es einige – etwa die „falschen Polizisten“, die anrufen und behaupten, es seien Diebe in der Gegend, man solle seine Wertgegenstände sicherheitshalber einem Kollegen übergeben, der gleich vorbeikomme. Oder der klassische Enkeltrick („Oma, kannst du mir etwas Geld leihen?“). „Die größte Rolle spielen aktuell die sogenannten Schockanrufe – vor allem mit der sogenannten Verkehrsunfalllegende“, sagt Carolin Blum. Dabei wird den Angerufenen beispielsweise weisgemacht, ein enger Angehöriger habe einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem eine Person getötet worden sei. Nun müsse sehr schnell eine größere Bargeldsumme als Kaution hinterlegt werden, sonst komme der Angehörige in Haft.

Auf ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger haben es die Täter besonders abgesehen. Doch es gibt Möglichkeiten, sich zu schützen.
Roland Weihrauch. picture alliance/dpa

„Da wird gezielt mit Angst, Druck und Panik gearbeitet. Die Opfer der Anrufe fühlen sich oft zutiefst berührt, auch verletzt“, weiß Blum aus ihrer jahrelangen Praxis. „Diese Art des Schockanrufs macht etwas mit den Menschen. Das wirkt oft noch jahrelang nach – selbst wenn es gar nicht zu einem finanziellen Schaden gekommen ist.“

Zu dem kommt es aber eben doch sehr häufig – laufend berichtet das Polizeipräsidium über vollendete Versuche. Das Vorgehen ähnelt sich, es ist gut erprobt und wird von den Tätern immer weiter verfeinert und trainiert. „Auf die Möglichkeit eines solchen Anrufs muss man eigentlich immer gefasst und vorbereitet sein. Es kann jederzeit klingeln“, sagt Blum. „Häufig beginnen die Telefonate mit einem Weinen. Wer dann fragt: ,Peter, bist du das?’, liefert den Türöffner. Dann übernehmen häufig angebliche Vertreter der Obrigkeit – ein Staatsanwalt, ein Richter, ein Polizist. Viele, vor allem ältere Menschen hinterfragen solche Autoritäten nicht oder nicht ausreichend.“

Dann beginnt oftmals eine stundenlange Tortur. Die Täter halten die potenziellen Opfer in der Leitung, erzählen ihnen eine Schauergeschichte, bauen Druck auf. Ein enger Angehöriger habe einen Autounfall verursacht, dabei sei eine Person verletzt worden – ein Kind. Oder eine Schwangere. Jetzt wird schnell viel Bargeld gebraucht, um ein Schmerzensgeld oder eine Kaution zu bezahlen, sonst komme der Angehörige ins Gefängnis. Das werde schlimm ausgehen. Blum: „Das ist unsere Menschlichkeit, die da getroffen wird. Das nutzen die Täter schamlos aus.“

Die Präventionsexpertin weiß aus vielen Schilderungen, dass es den potenziellen Opfern unheimlich schwerfällt, die Anrufe zu unterbrechen. Die Anrufer sind darauf spezialisiert und trainiert, die Gespräche immer weiter aufrechtzuerhalten. „Ich berichte häufig von dem renommierten Kriminologen Christian Pfeiffer, der einmal selbst Opfer eines Schockanrufs geworden ist. Er sagte selbst hinterher: Das logische Denken hat bei mir ausgesetzt. Also: Wer sagt, das kann mir nicht passieren, der irrt nicht nur, der ist sogar gefährdeter als andere. Weil er sich zu sicher fühlt. Weil Skepsis fehlt.“

„Wenn wir eine schreckliche Nachricht überbringen müssen, kommen wir vorbei.“
Kriminalhauptkommissar Oliver Jutz, Polizeipräsidium Koblenz

Stichwort logisches Denken – Oliver Jutz weist auf ein Detail hin, das man nicht oft genug unterstreichen kann: „Um es noch einmal klar zu sagen: So etwas wie eine Kaution gibt es in dieser Form in Deutschland nicht. Aber man hat es in US-Krimiserien eben schon mal gehört.“ Und: Die Polizei ruft in aller Regel nicht an, erst recht nicht in einer solchen Angelegenheit. „Wenn wir eine schreckliche Nachricht überbringen müssen, kommen wir vorbei.“

Hinzu kommt: „Die Summen, die dabei aufgerufen werden, haben die wenigsten Menschen in bar zu Hause.“ Deshalb versuchen manche Täter, die Angerufenen zu einem Geldautomaten oder zur Bank zu lotsen. „Wir arbeiten deshalb auch gezielt daran, Bankbedienstete zu sensibilisieren. Wenn sie das Gefühl haben, hier stimmt was nicht, und die Polizei rufen, ist es häufig noch früh genug“, schildert Jutz.

In Winnweiler in der Pfalz hat jetzt eine aufmerksame Taxifahrerin einen Betrug vereitelt – eine 79-Jährige wollte sich von ihr zur Bank fahren lassen, um Geld abzuheben. Das kam der Fahrerin spanisch vor – sie sprach die Seniorin an, dann rief die Frau die Polizei.

Tipp: Anrufe von unbekannten Nummern grundsätzlich nicht mehr entgegennehmen

Doch es gibt auch einiges, was man selbst tun kann, um sich zu schützen – es sind mitunter einfache Kniffe und Handgriffe, wie Carolin Blum sagt: „Ein wichtiger Tipp ist: Lassen Sie Ihren Telefonbucheintrag löschen. Oder kürzen Sie zumindest Ihren Vornamen ab. Die Täter schauen gezielt nach alt klingenden Namen.“

Ein weiterer Tipp: Anrufe von unbekannten Nummern werden grundsätzlich nicht mehr entgegengenommen – das sollte vor allem bei Seniorinnen und Senioren zur Hausregel erklärt werden, rät die Kriminologin. „Richten Sie einen Anrufbeantworter ein – wer wirklich etwas von Ihnen will, wird draufsprechen. Und dann können Sie in Ruhe entscheiden, ob Sie zurückrufen. Kein Krimineller der Welt spricht einem auf den Anrufbeantworter und hinterlässt seine Nummer.“

Bei solchen Maßnahmen sollten Eltern oder Großeltern nicht allein gelassen werden, Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Prävention, nicht nur bei der Einrichtung von Technik wie einem Anrufbeantworter oder einer Sprachmailbox. „Sie sollten auch insbesondere ältere Familienmitglieder immer wieder sensibilisieren und informieren“, schreibt Blum jüngeren Generationen ins Aufgabenheft. „Was auch gut funktioniert, ist eine sogenannte Familienparole oder ein Codewort. Das kann man im Familienkreis festlegen, irgendein ungewöhnliches Wort, von mir aus Spaghettieis. Wenn dann ein zweifelhafter Anruf kommt, fragt man nach dem Codewort. Die Täter werden es nicht wissen.“

Und dann gibt Carolin Blum noch einen Tipp, der auf den ersten Blick ebenfalls simpel klingt – um ihn im Fall der Fälle umzusetzen, braucht man aber schon eine gewisse Kaltschnäuzigkeit. Vielleicht sollte man das einmal im Familienkreis üben: „Die Täter wollen am liebsten mit einer einzelnen, möglichst alleinstehenden Person sprechen, damit niemand Zweites eventuell auf den Gedanken kommt, bei dem Anruf könne etwas nicht stimmen. Daher kann es mitunter schon hilfreich sein, einfach zu behaupten, dass ein Angehöriger anwesend ist und mithört. Dann legen viele Kriminelle schon auf.“ Ziel erreicht.

Sicherheitsberater informieren über kriminelle Maschen

Beim Beratungszentrum des Polizeipräsidiums Koblenz erhalten Bürger Hilfe und Unterstützung bei vielen Themen – von Sucht- und Drogenprävention bis zum Einbruchschutz. Kontakt unter Telefon 0261/103-51152 oder -51150 oder per E-Mail an beratungszentrum.koblenz@polizei.rlp.de. Eine besondere Rolle in der Präventionsarbeit der Polizei spielen die Seniorensicherheitsberaterinnen und -berater. Das sind rund 150 ehrenamtlich tätige Personen in 24 Kommunen im Präsidialbereich. „Ohne diese Menschen wäre es gar nicht möglich, so viele zu erreichen. Sie sind eine großartige Unterstützung“, sagt Carolin Blum, die unter anderem die Einsätze der Ehrenamtler koordiniert. Die Beraterinnen und Berater kommen – ebenso wie die hauptamtlichen Kräfte – gern zu Vereins- oder Gruppentreffen, um über die Maschen von Telefonbetrügern und anderen Kriminellen zu informieren. Blum: „Wir werden nicht müde zu informieren. Jede Person, die wir erreichen, ist ein potenzielles Opfer weniger. Das ist es wert.“ tim

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