Disziplinarklage angestrebt
Droht Ex-Ahr-Landrat Jürgen Pföhler Entzug der Pension?
Wie das rheinland-pfälzische Innenministerium am Freitagmorgen mitteilt, liegt im Disziplinarverfahren gegen Ex-Ahr-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) ein vorläufiges Ergebnis vor. Pföhler war während der Flutkatastrophe Landrat des Kreises Ahrweiler.
Thomas Frey/dpa

Hat sein Verhalten während der Flutkatastrophe an der Ahr doch noch handfeste Konsequenzen für Ex-Landrat Jürgen Pföhler (CDU)? Das Innenministerium bereitet offenbar eine Disziplinarklage gegen ihn vor. Pföhlers Anwalt nennt die Behörde „befangen“.

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Kurz vor dem vierten Jahrestag der schrecklichen Flutkatastrophe im Ahrtal kommen am Freitagmorgen aus dem Mainzer Innenministerium wichtige Nachrichten zum Disziplinarverfahren gegen Ex-Landrat Jürgen Pföhler (CDU). Das Haus von Innenminister Michael Ebling (SPD) informiert, dass der Ermittlungsbericht vorliege – und zu dem vorläufigen Ergebnis komme, „dass gravierend gegen beamtenrechtliche Pflichten verstoßen wurde“.

Das Innenministerium gibt weiter bekannt: „Die Unterlassungen und Verhaltensweisen vor, während und nach der Naturkatastrophe im Ahrtal werden hiernach als Verstoß gegen das Rechtmäßigkeitserfordernis, gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht sowie die im Beamtenstatusgesetz normierte Einsatzpflicht gewertet.“ Pföhler werde zum vorläufigen Ermittlungsergebnis angehört. Eine Sprecherin des Innenministeriums berichtet auf Nachfrage, dass Pföhler ein Schreiben samt Ermittlungsbericht erhalten habe. Der CDU-Politiker habe nun vier Wochen Zeit, Stellung zu nehmen. Wann mit einem endgültigen Ergebnis des Verfahrens zu rechnen ist, dazu konnte die Sprecherin keine Angaben machen.

Ruhegehalt soll aberkannt werden

Es sei nach dem aktuellen Stand davon auszugehen, dass vonseiten des Innenministeriums Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung der Ruhegehaltsansprüche zu erheben sei, teilt das Ministerium mit. Es sei beabsichtigt, als vorläufige Maßnahme ein Drittel des monatlichen Ruhegehalts, also der Pension, einzubehalten. Auch hierzu werde der Ex-Landrat angehört.

Innenminister Ebling habe am Freitag den Innenausschuss des Landtags schriftlich über den aktuellen Stand des Disziplinarverfahrens gegen den Ex-Landrat unterrichtet. Eine Information des Ausschusses und auch der Öffentlichkeit erfolge „aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses“, erklärt das Ministerium. Der Ermittlungsbericht liegt den Ausschussmitgliedern nicht vor, wie mehrere Landtagsabgeordnete unserer Zeitung berichten. Nach der Sommerpause will der Innenminister im Innenausschuss über den aktuellen Sachstand des Disziplinarverfahrens berichten.

Pföhlers Rechtsanwalt Olaf Langhanki nimmt auf Anfrage unserer Zeitung am Freitag zu den Neuigkeiten Stellung: Langhanki schreibt: „Es ist skandalös und unterstreicht die Befangenheit der Behörde, dass eine Pressemitteilung erfolgt, bevor Herr Dr. Pföhler angehört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.“ Man werde sich gegen „dieses unsägliche Vorgehen“ und die gegen Pföhler erhobenen Vorwürfe „massiv zur Wehr setzen“, teilt der Rechtsanwalt mit. Dabei werde man „auch dafür Sorge tragen, dass das Versagen der damaligen Landesregierung, des damaligen Innenministers und der ADD“ in den Blick genommen werde.

Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Ex-Landrat sowie den ehrenamtlichen Einsatzleiter wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung durch Unterlassen waren im April des vergangenen Jahres von der Staatsanwaltschaft Koblenz eingestellt worden. Hinterbliebene wehren sich bis heute gegen die Entscheidung. Die Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 kostete mehr als 180 Menschen das Leben: 136 in Rheinland-Pfalz, vor allem im schwer getroffenen Ahrtal, und 49 in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 800 Menschen wurden teils schwer verletzt.

Kein Alarm- und Einsatzplan Hochwasser, kein Verwaltungsstab

Der Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler war, wie sich bei der Aufarbeitung der Flutkatastrophe unter anderem im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags herausstellte, und nach Expertenangaben unzureichend organisiert. Es gab damals keinen Alarm- und Einsatzplan Hochwasser, keine Stabsdienstordnung und damit keinen Verwaltungsstab sowie viel zu wenig und überfordertes Personal in der Einsatzzentrale während der Flutnacht. Die Leitstelle war zudem technisch schlecht ausgestattet. Vor dem Untersuchungsausschuss schwieg Pföhler.

Pföhler hatte die Einsatzleitung bereits vor Jahren an einen ehrenamtlichen Feuerwehrmann delegiert. Einen Rücktritt hatte er 2021 nach dem Extremhochwasser abgelehnt. Der CDU-Politiker ließ sich krankschreiben und wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzen. Dies sicherte dem Juristen zumindest vorerst seine Pension.

Im August 2021 hatte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier ein Disziplinarverfahren gegen Pföhler eingeleitet, um zu prüfen, inwieweit im Kontext der Naturkatastrophe gegen beamtenrechtliche Pflichten verstoßen wurde. Dieses Verfahren wurde während der strafrechtlichen Untersuchungen ausgesetzt, aber nach Einstellung der Ermittlungen im vergangenen Jahr offiziell wieder aufgenommen, wie das Innenministerium am Freitag erläutert.

Betroffene: Verfahren gegen Ex-Landrat „überfälliges Signal“

Die Eltern einer bei der Ahr-Flut verstorbenen jungen Frau halten eine Disziplinarmaßnahme gegen den Ex-Landrat für ein längst überfälliges Signal. „Doch sie ersetzt keine strafrechtliche Aufarbeitung“, sagte Ralph Orth der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Orths Tochter Johanna starb in der Flutnacht im Sommer 2021. Ralph Orth sagte: „Die Mitteilung aus dem Innenministerium bestätigt, was die Bürger seit Jahren wissen: Pföhler hat in der Flutnacht versagt.“ Es brauche endlich Konsequenzen, die dem Leid der Todesopfer gerecht würden.

Das Versagen Pföhlers in der Flutnacht war nach Ansicht des CDU-Obmanns im Untersuchungsausschuss „von Anfang an und bis heute unbestritten“. Die weiteren Schritte des Disziplinarverfahrens gegen den CDU-Politiker seien somit nur konsequent, sagte der Landtagsabgeordnete und Obmann, Dirk Herber, der dpa. Der Oppositionspolitiker betonte aber auch: „Die politische Verantwortung für das Flutgeschehen tragen viele.“ dpa

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