Wenn Kinder Kinder quälen 
Wegen Mobbing: Opferschützer für Handyverbot an Schulen
Schon in der Grundschule mobben sich Kinder mit fiesen Chats, Videos und Bildern.
Annette Riedl/dpa

Mobbing gehört für viele Schülerinnen und Schüler zum Alltag. Ein massives Problem, über das unsere Zeitung nun mit dem Leiter der Koblenzer Außenstelle der Opferschutzorganisation Weißer Ring gesprochen hat.

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Mobbing in der Schule hat es wohl immer schon gegeben. Doch bevor es Smartphones gab, endete der Terror meist mit dem erlösenden Gong nach der letzten Stunde, spätestens, wenn man als Buskind an seiner Haltestelle ausgestiegen war. Im digitalen Zeitalter können die Gemeinheiten aber theoretisch rund um die Uhr auf die Opfer einprasseln. In Form von fiesen Chats, Videos, Bildern. Das macht etwas mit den Kindern. Was genau, davon hat unserer Zeitung nun Werner Blatt vom Weißen Ring berichtet. Und Blatt hat sich auch in der Frage eines möglichen Handyverbots an Schulen klar positioniert.

Der 73-Jährige leitet die Außenstelle der Opferschutzorganisation an Rhein und Mosel und ist gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen regelmäßig mit Mobbing-Präventionsprogrammen in der Region Mittelrhein in Schulen unterwegs. Frage man in Gymnasien oder Grundschulen in die Klassen hinein, wer schon einmal gemobbt hat – oder selbst Opfer von Mobbing geworden ist –, so schnellten stets eine ganze Menge Hände in die Höhe, sagt Blatt.

Gruppenzwang ein Problem

Im Gespräch mit unserer Zeitung nennt der 73-Jährige typische Beispiele, wie Kinder sich mobben. Wenngleich es sich wohl noch um eher harmlose Chat-Auszüge handeln dürfte: „Guckt euch mal diese fette Kuh an!“; „Mann, ist der doof!“; „Du Spast!“; „Du Mongo!“ Spreche man die Kinder und Jugendlichen auf Chats wie diese an, so komme als Antwort nicht selten: „Wir haben uns nichts dabei gedacht. So schlimm war es ja auch nicht.“

Gruppenzwang, sagt Blatt, sei ein riesiges Problem. Durch ihn würden auch Kinder, die eigentlich nicht zu Mobbing neigten, angestachelt, mitzumachen. „Die wissen auch nicht, was sie einem anderen damit antun. Es sind keine Einzelfälle mehr“, sagt Blatt nachdenklich. „Heute sind das konzertierte Aktionen in Gruppenchats mit teils 13 Kindern darin. Und es ist schon heftig, was die da absondern.“ Opfer fühlten sich in der Folge ausgestoßen, wertlos und würden dies mit der Zeit verinnerlichen, sich oft auch keinerlei Hilfe suchen. „Was die Lehrer, wenn sie Augen im Kopf haben, sagen, ist, dass die Kinder sich auffällig zurückziehen und isoliert sind“, berichtet Blatt. Und sagt weiter, dass in solchen Fällen ein Schulpsychologe womöglich helfen könne.

Ignoranz und Laissez-faire-Haltung

Blatt sieht aber vor allem Eltern in der Verantwortung. Diese hätten dafür zu sorgen, dass es – besonders bei Grundschulkindern – Regeln zum Handygebrauch gebe. Es könne und dürfe nicht sein, dass schon unsere ganz Kleinen den ganzen Tag vor ihren Handys hingen – und dann auch noch ohne Regulierungen in den Smartphone-Systemen. „Wir haben bei Elternabenden richtig Tacheles geredet“, sagt Blatt. Grundschulkinder könnten heute aus dem Stegreif 53 unterschiedliche Apps aufzählen. Darunter auch welche, in denen Gewalt verherrlicht werde. Eltern, sagt Blatt, hätten in Tests bloß sieben Apps aufzählen können. Weshalb ihnen wahrscheinlich nicht einmal im Ansatz klar sei, was ihr Filius oder ihre Filia online so treiben. Problem eins also: die Ignoranz mancher Eltern.

Doch es gebe laut dem 73-Jährigen noch ein zweites: Viele Eltern bagatellisierten Fälle, bei denen ihr Kind ein anderes bis aufs Blut gemobbt habe, sagt Blatt. Herrsche im Elternhaus in diesen Dingen eine Laissez-faire-Haltung, trete keinerlei Lerneffekt bei den Kindern ein, nach dem Motto: „Papa und Mama haben auch nix dazu gesagt.“ Viele Eltern seien laut dem 73-Jährigen nicht bereit, ihren Kindern Grenzen aufzuzeigen, ihnen zu erklären, was Mobbing in der Psyche der Opfer anrichten kann. Blatt: „Man muss den Kindern frühzeitig einen sozialen Umgang beibringen: Was du nicht willst, was man dir tut, das füg‘ auch keinem anderen zu.“

„Aber was ihr macht, kannst du in Australien, sogar am Nordpol noch nachvollziehen. Weil das Internet eben nichts vergisst.“
Werner Blatt vom Weißen Ring im Gespräch mit Kindern

Nicht viele werden in ihrer Kindheit oder Jugend Heilige gewesen sein. Weshalb Blatt und sein Team bei den Präventionsmaßnahmen auch stets klar machen, dass man sich früher in der Schule auch mal gestritten und geschlagen habe. „Aber was ihr macht, kannst du in Australien, sogar am Nordpol noch nachvollziehen. Weil das Internet eben nichts vergisst“, sagt Blatt.

Eine Möglichkeit, um Internet-Mobbing – der Fachbegriff lautet „Cybermobbing“ – zumindest während der Schulzeit zu unterbinden, sieht Blatt in einem Handyverbot an Schulen. „Also ich persönlich unterstütze das vollumfänglich“, sagt der 73-Jährige. Diese Forderungen gibt es seitens mancher Politiker im Landtag. Stand jetzt dürfen Schulen in Rheinland-Pfalz selbst entscheiden, wie sie mit der Smartphone-Frage in ihren Einrichtungen umgehen. Die CDU aber will ein landesweites Handyverbot an Schulen in Rheinland-Pfalz.

Ist Ihr Kind von Mobbing betroffen und hat sich auffällig verändert? Der Weiße Ring nimmt sich Ihres Falls unter der Telefonnummer 0151/55164773 an.

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