Rechtsexpertin erklärt
Was durfte Ministerin Schmitt – und was nicht?
Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) sieht sich mit "Filz-Vorwürfen" konfrontiert. Eine Juristin erklärt, was an diesen Vorwürfen wirklich dran ist.
Henning Kaiser. dpa

War das Verhalten der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) und ihres Mannes in Bezug auf erhaltene Förderungen und Auslandsreisen rechtlich einwandfrei? Eine Expertin einer renommierten Kanzlei ordnet den Sachverhalt ein.

Seit Tagen wird über den mit harten Bandagen ausgetragenen Kampf innerhalb der rheinland-pfälzischen FDP berichtet, von „Filz-Vorwürfen“ und sogar „Subventionsbetrug“ ist die Rede. Es geht um einen mehrere Jahre alten Kredit sowie eine Beteiligung der landeseigenen Förderbank, der Investitions- und Strukturbank (ISB), an einer Firma von Daniela Schmitts Ehemann.

Die FDP-Wirtschaftsministerin und ihr Mann stehen seit Tagen in der Kritik – auch, weil der Unternehmer die FDP-Vize-Landeschefin auf mehreren Wirtschaftsauslandsreisen begleitet hat. Doch wo liegt die Grenze zwischen rechtlich sauberem Handeln und womöglich fragwürdiger Regeltreue? Die Expertin Katharina Dierlamm, Partnerin der renommierten Wiesbadener Kanzlei „Dierlamm Rechtsanwälte“, gibt Einblick, was erlaubt war – und was hätte besser laufen können. 

War das Verhalten von Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt – und ihres Mannes – gesetzeskonform beziehungsweise rechtmäßig, Frau Dierlamm?

Nach den mir vorliegenden Informationen liegt kein strafrechtlich relevantes Verhalten vor, da die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Delikttatbestände nicht erfüllt sind. Aus meiner Sicht liegen auch keine relevanten Compliance-Verstöße vor (Compliance bedeutet die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien, Standards und ethischen Grundsätzen, die auf ein Unternehmen oder eine Organisation zutreffen, Anm. der Red.). Nach dem öffentlich zugänglichen Public Corporate Governance Kodex des Landes Rheinland-Pfalz sollen Geschäfte zwischen dem Unternehmen und den Mitgliedern der Geschäftsleitung sowie ihnen nahestehenden Personen zwar grundsätzlich unterbleiben, sie sind jedoch nicht grundsätzlich unzulässig. Solche Geschäfte sind vielmehr dann zulässig, wenn sie wie unter fremden Dritten ausgestaltet sind und zu marktüblichen Konditionen erfolgen. Wesentliche Geschäfte mit nahestehenden Personen bedürfen zudem der Zustimmung des Überwachungsorgans, also hier des Verwaltungsrates.

Also wurden die Bedingungen aus Ihrer Sicht erfüllt?

Die Voraussetzungen wurden vorliegend eingehalten. Die Ministerin hat die Sachverhalte als damalige Staatssekretärin transparent gemacht, indem sie etwa den Verwaltungsrat der Investitions- und Strukturbank (ISB) informiert und festgelegt hat, dass alle Entscheidungen dem Compliance-Beauftragten des Hauses und dem Vorstand zur Kenntnis zu geben sind. Zudem hat sie an den Entscheidungen über den Kredit und die Beteiligung der ISB-Tochter am Unternehmen ihres Mannes nicht mitgewirkt.

Die Geschäfte sind nach den mir vorliegenden Informationen auch zu marktüblichen Konditionen erfolgt, sodass keine Hinweise darauf vorliegen, dass die Entscheidung des Verwaltungsrates auf sachfremden Erwägungen beruhte.

Rechtsanwältin Katharina Dierlamm ist Expertin in Compliance-Fragen.
Marco Stirn

Die Ministerin erklärte, dass sie bei den Entscheidungen in keinerlei Weise eingebunden gewesen sei und keinen Einfluss genommen habe. Allerdings waren bei der Beteiligungsentscheidung (Innovationsfonds) Mitarbeiter ihres Ministeriums involviert, diese waren der damaligen Staatssekretärin weisungsgebunden. Wie frei konnten und können die Mitarbeiter in solchen Fällen wirklich entscheiden?

Mir liegen keine konkreten Informationen dazu vor, ob und in welcher Form weisungsgebundene Mitarbeiter von Frau Schmitt an der Entscheidung über die Beteiligung mitgewirkt haben. Nach Paragraf 7 Abs. 4 d der Satzung der ISB bedarf die Eingehung von Beteiligungen an anderen Unternehmen der Zustimmung des Verwaltungsrates der ISB. Diese Zustimmung ist nach den mir vorliegenden Informationen erteilt worden. Der Verwaltungsrat hätte somit die Möglichkeit gehabt, einer Entscheidung zu widersprechen, was er offensichtlich nicht gemacht hat – sodass es am Ende gar nicht auf eine Entscheidung eines Mitarbeiters angekommen wäre.

War es aus Ihrer Sicht korrekt, dass die Ministerin bei der Abstimmung über den Innovationskredit für das Unternehmen ihres Mannes mit dabei war, auch wenn sie sich enthalten hat? Hätte sie der Abstimmung besser fernbleiben sollen?

Gemäß Ziffer 70 des Public Corporate Gorvernance Kodexes dürfen Mitglieder eines Überwachungsorganes an der Beratung und Beschlussfassung über einen Tagesordnungspunkt nicht teilnehmen, wenn anzunehmen ist, dass sie oder ihnen nahestehende Personen durch einen zu fassenden Beschluss des Überwachungsorgans einen persönlichen Vorteil erlangen können. Vor dem Hintergrund dieser Regelung wäre es besser gewesen, sich an der Abstimmung überhaupt nicht zu beteiligen. Da sich die Ministerin bei der Abstimmung jedoch ausdrücklich enthalten hat, hat sich ihre Beteiligung nicht auf die Entscheidung ausgewirkt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsrat einstimmig entschieden hat.

Und wie sieht es mit dem Paragrafen 15 des Kreditwesengesetzes (KWG), der Ausnahmetatbestände wie Organkredite behandelt, aus? Inwiefern passt der Paragraf zur Satzung der ISB?

Gemäß Paragraf 7 Abs. 4 h der Satzung der ISB bedarf die Gewährung von Organkrediten im Sinne des Paragrafen 15 KWG der Zustimmung des Verwaltungsrats. Gemäß Paragraf 15 Abs. 1 Nr. 5 KWG dürfen Kredite an Ehegatten von Mitgliedern eines zur Überwachung der Geschäftsführung bestellten Organs des Instituts – was vorliegend der Verwaltungsrat ist – nur aufgrund eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter des Instituts und unter Ausschluss von Mitgliedern, bei denen ein Interessenkonflikt besteht, gewährt werden. Ausweislich des Protokolls des Verwaltungsrates der ISB haben alle Mitglieder – mit Ausnahme von Frau Schmitt – der Gewährung des Kredits zugestimmt. Die Voraussetzungen dürften vorliegend somit eingehalten worden sein.

Was wären aus Ihrer Expertensicht die rechtssichersten Lösungen in diesem Fall gewesen?

Im Falle des Innovationskredits wäre es entsprechend der Compliance-Regularien sinnvoll gewesen, bei der Beschlussfassung nicht mit anwesend zu sein. Bei der Beteiligung ist es strittig, ob sie den damaligen Minister Volker Wissing informiert hat. Es wäre sicher sinnvoll gewesen, das In-Kenntnis-Setzen des Ministers schriftlich zu dokumentieren. Ein schriftlicher Nachweis fördert immer die Transparenz.

Wie bewerten Sie also abschließend die erhobenen „Filz-Vorwürfe“ und Vorwürfe des „Subventionsbetrugs“ bezüglich der Förderungen?

Für einen Subventionsbetrug müssten falsche subventionserhebliche Tatsachen vorgetragen worden sein. Mir liegen keine Hinweise darauf vor, dass Daniela Schmitt oder ihr Ehemann falsche Tatsachen vorgetragen haben. Der Begriff des „Filzes“ ist kein juristischer Begriff, sondern ich würde ihn eher in den Compliance-Bereich, also den Bereich der Regelkonformität, einordnen. Auch wenn die Ministerin die zwei dargelegten Punkte in Compliance-Hinsicht noch besser hätte machen können, würde ich hier nicht von „Filz“ sprechen, da es sich jedenfalls nicht um erhebliche, also relevante Verstöße handelt.

Kommen wir zu den Auslandsreisen. War die Teilnahme des Mannes der Ministerin bei Auslandsreisen gesetzeskonform beziehungsweise rechtmäßig?

Nach meiner Kenntnis waren die Reisen prinzipiell allen rheinland-pfälzischen Unternehmen zugänglich, und die Reisekosten wurden vom Unternehmen des Ehemanns von Daniela Schmitt selbst übernommen. Deswegen bestehen gegen die Teilnahme grundsätzlich keine Bedenken. Hinsichtlich der übernommenen Kosten handelt es sich nach meinem Verständnis um Ausgaben, die reinen geschäftlichen Charakter hatten. Dabei ging es etwa um Raummieten, Firmenbroschüren, Shuttleservices. Die Übernahme dieser Kosten für alle Unternehmer dürfte vor diesem Hintergrund ebenfalls zulässig gewesen sein.

Die Teilnehmer erhielten nach dem sogenannten Windhundprinzip den Zuschlag, also nach der zeitlichen Reihenfolge. Inwiefern hatte der Mann der Ministerin damit die gleichen Chancen wie andere Unternehmer bei der Anmeldung zu den Reisen?

Nach meiner Kenntnis durften vorliegend alle Unternehmen, die sich beworben hatten, an den Reisen teilnehmen, sodass es zu keiner Bevorzugung eines Unternehmens gekommen ist.

Und was wäre gewesen, wenn sich mehr Firmen beworben hätten, als Plätze zur Verfügung gestanden hätten?

In diesem Fall wäre zu prüfen gewesen, ob der Ehemann von Frau Schmitt durch eine frühzeitige Kenntnis einen Vorteil im Vergleich zu anderen Unternehmen erlangt hätte. Da die Frage rein hypothetisch ist, möchte ich hierauf an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

Inwiefern kann ein Ehemann als „normales Delegationsmitglied“, als „normaler Unternehmer“ während der Reise behandelt werden? Hat der Ehemann nicht automatisch einen Vorteil, zum Beispiel bei der Sitzordnung bei einem Abendessen der Delegation?

Zur Person: Katharina Dierlamm

Rechtsanwältin Katharina Dierlamm ist Partnerin der renommierten und im Wirtschaftsstrafrecht bundesweit führenden Wiesbadener Kanzlei Dierlamm Rechtsanwälte. Dierlamm ist in der Kanzlei für Wirtschaftsstrafrecht, Korruptionsstrafrecht, Compliance sowie Sportrecht zuständig. Sie studierte an der Universität Bonn Rechtswissenschaften und später absolvierte sie berufsbegleitend den Masterstudiengang Master of Laws Sportrecht an der Universität Bayreuth. Sie ist ausgebildete Compliance-Officerin und leitet die Arbeitsgruppe „Compliance in Sportorganisationen“ des Deutschen Instituts für Compliance - DICO e.V. bas

Das ist ebenfalls eher ein Compliance-Thema als ein strafrechtliches. Diese Frage kann ich auch nicht pauschal beantworten, sondern hier ist eine Prüfung im Einzelfall erforderlich. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die anderen Vertreter der teilnehmenden Unternehmen ebenfalls Compliance-Vorgaben unterliegen, die es verbieten, der Entscheidung über einen Auftrag sachfremde Erwägungen – zum Beispiel persönliche Beziehungen – zugrundezulegen.

Welche Punkte sehen Sie bei den Auslandsreisen als problematisch an: die Anmeldung, die erhaltenen De-Minimis-Leistungen, eine mögliche Sonderbehandlung?

Die Teilnahme halte ich – wie dargelegt – für sich genommen für unbedenklich, da die Kosten selbst getragen worden sind und allen bekannt gewesen sein dürfte, dass es sich um den Ehemann von Frau Schmitt handelt. Hinsichtlich der Kosten-Übernahme der sogenannten De-Minimis-Leistungen wäre im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine entsprechende Förderung vorlagen. Wenn dies der Fall ist, bestehen gegen die Übernahme aus meiner Sicht ebenfalls keine Bedenken.

Was fordern Sie als Compliance-Expertin als Konsequenz aus diesem Fall, aber auch insgesamt?

Ich finde es wichtig, dass man sich an den bestehenden Regelungen orientiert und nicht einfach eine (rechtliche) Wertung unterstellt. Wenn strengere Maßstäbe angelegt werden sollen, müssen diese entsprechend geregelt werden, damit alle Betroffenen eine Richtschnur haben, an die sie sich halten können und müssen. Darüber hinaus könnte ein Transparenzregister, in dem mögliche Interessenkonflikte im Vorfeld offengelegt werden, zu einer höheren Akzeptanz von Entscheidungen beitragen.

Das Interview führte Bastian Hauck

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