Aus Berlin zurück nach RLP
Warum drei Spitzenpolitiker im besten Alter aufhören
Tobias Lindner (Grüne) gehört hinter Außenministerin Annalena Baerbock zum ranghöchsten Personal im Auswärtigen Amt.
Michael Kappeler. picture alliance/dpa

Wer einmal ganz oben in der Politik angekommen ist, der bleibt gerne dort. Nicht so drei Spitzenpolitiker aus Rheinland-Pfalz. Sie geben ihr Amt im besten Alter auf und treten im Februar auch nicht wieder für den Bundestag an. Warum?

Sie sind noch jung, erfolgreich und kommen sogar aus demselben Wahlkreis. Und für alle drei endet die politische Karriere nach der Wahl am 23. Februar. Nicht selten wird Politikern vorgeworfen, an der Macht zu kleben. Die Pfälzer Tobias Lindner (Grüne), Mario Brandenburg (FDP) und Thomas Hitschler (SPD) beenden ihre Karriere aber freiwillig. Als Bundestagsabgeordnete und Staatssekretäre in Bundesministerien. „Das Witzige ist, dass wir vorher nicht miteinander gesprochen haben, und jetzt lächeln wir uns alle drei an über unsere Entscheidung“, sagt Lindner im Gespräch mit unserer Zeitung.

Der Grünen-Politiker engagierte sich schon als Jugendlicher in der Partei. Seit 2011 sitzt der heute 43-Jährige im Deutschen Bundestag. Zu Beginn der Ampel-Regierung Ende 2021 machte Annalena Baerbock ihn zum Staatsminister im Auswärtigen Amt - quasi zu ihrem Stellvertreter. Lindner begleitete sie kürzlich nach Syrien zu ersten Gesprächen nach dem Assad-Sturz. Und Baerbock machte ihn zum Syrien-Sonderkoordinator der Bundesregierung. Eine steile Politiker-Karriere. Die nun - zumindest vorerst - endet. Bereits im Juli vergangenen Jahres kündigte Lindner seinen Abschied von der politischen Bühne an. Es liege nicht an der Politik selbst, sagt er. Aber vielleicht an einer anderen Art von Politikverständnis.

Nicht bis ins Grab: Eine neue Art Politikverständnis

„Das sind nicht mehr diese Biografien wie bei Wolfgang Schäuble, Willy Brandt oder Konrad Adenauer. Also ein Leben lang als Berufspolitiker zu arbeiten bis ins Rentenalter und im Zweifel bis ins Grab“, sagt Lindner. Er habe auch noch andere Interessen im Leben außer Politik. Zum Beispiel seine Familie. Genau wie seine Kollegen Brandenburg und Hitschler ist er Vater. Im vollgestopften Kalender zwischen Auslandsreisen, Bundestag und Wahlkreis bleibt dafür häufig wenig Zeit. Das Karriereende liege auch am geänderten Familienbild, sagt Lindner.

Thomas Hitschler (SPD) ist Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Boris Pistorius (SPD).
Britta Pedersen. picture alliance/dpa

Auch Thomas Hitschler (SPD) hatte schon Ende 2023 persönliche Gründe für seinen Ausstieg angeführt. „Es gibt Wochen, da sehe ich den Minister häufiger als meine Frau“, sagte er damals der „Rheinpfalz“. Hitschler ist seit mehr als zehn Jahren Abgeordneter im Bundestag. Als Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Boris Pistorius kamen 2021 viele Reisen und Termine hinzu. Nun will er wieder mehr Zeit für die Familie.

Erstmal den Garten vertikutieren

Die drei Pfälzer sind keine Ausnahme. Viele weitere teils prominente Abgeordnete werden zur Bundestagswahl nicht mehr antreten. Einige führen das rauere politische Klima als Grund an. Die meisten aber nennen wie die Rheinland-Pfälzer auch die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Spitzenpolitik.

An Alternativen zur Politik dürfte es weder Hitschler noch Linder nach ihrem Ausstieg mangeln. Lindner, promovierter Wirtschaftswissenschaftler, geht davon aus, dass er seine Karenzzeit nehmen müsse und „meinen Garten vertikutiere“.

Seit 2015 müssen ausscheidende Mitglieder der Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretäre eine gewisse Zeit warten, bevor sie bestimmte Jobs antreten. Das soll Interessenkonflikte verhindern. Lindner lässt sich aber auch ein Hintertürchen offen. Mit dem Bundestag ist zwar definitiv Schluss. Aber: „Wenn meine Partei weiter regieren sollte, kennt jeder meine Telefonnummer“. Er sei aber kein Versorgungsfall.

„In der Filetzeit meines Lebens möchte ich nicht noch mal das Gleiche tun wie die Jahre zuvor“.
Mario Brandenburg (FDP)

Für Mario Brandenburg (FDP) endete ein Teil seiner politischen Laufbahn unerwartet schon etwas früher. Mit dem Bruch der Ampel-Koalition verlor er auch sein Amt als Parlamentarischer Staatssekretär im FDP-geführten Bildungsministerium. Im Vergleich zu seinen beiden Pfälzer Kollegen ist Brandenburgs Karriere weniger klassisch. Er habe das nicht geplant und sei „zufällig in dieses System geraten“, sagt er.

Mario Brandenburg (FDP, links), gehört dem Bundestag seit 2017 an, Staatssekretär wurde er 2022. Das Foto mit Christian Dürr, dem heutigen Fraktionsvorsitzenden der FDP, entstand 2019 im Bundestag.
Britta Pedersen. picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Der 41-Jährige sitzt erst seit 2017 im Bundestag, 2022 wurde er Staatssekretär. „Ich habe alles in sieben Jahren durchgespielt“, sagt er. Dafür sei er dankbar und demütig. Aber: „In der Filetzeit meines Lebens möchte ich nicht noch mal das Gleiche tun wie die Jahre zuvor“.

Ex-Staatssekretär wirbt für Verbeamtung auf Zeit

Brandenburg nennt im Gespräch viele persönliche Gründe. Zu lange zu bleiben, widerspricht aber auch seinem Politikverständnis. „Ich bin für ein politisches System auf Zeit. Fachpolitiker müssen sich die Frage stellen, mit welcher Legitimation sie nach einer langen Zeit noch aktiv sind.“ Dasselbe gelte auch für Beamte in den Ministerien, für die er eine Verbeamtung auf Zeit vorschlägt.

Wenn Brandenburgs Politik-Karriere nach der Wahl endet, will er in Ruhe mit seiner Familie überlegen, wie es weitergeht. Womöglich geht es für den studierten Informatiker dann in die Wirtschaft, wo er zuvor auch herkam. Auch in der Pfälzer Lokalpolitik will er für die FDP weitermachen. Mit ein bisschen Abstand dann womöglich noch mal oben mitmischen. „Das ist nicht das Ende meiner politischen Karriere. Vielleicht kandidiere ich mit 50 noch mal fürs Europaparlament“, sagt er. Und vielleicht gibt es neben Familie und anderen Interessen noch einen dritten Grund: die Herkunft der drei scheidenden Politiker. „Ich mag Berlin nicht, die Südpfalz ist deutlich schöner“, sagt Brandenburg.

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