Debatte um Klimaschutzgesetz
Warum der Mainzer Ampel jetzt die Zerreißprobe droht
Daniela Schmitt (FDP), Katharina Binz (Grüne) und Alexander Schweitzer (SPD) führen die rheinland-pfälzische Ampel-Koalition.
Arne Dedert/dpa

Eigentlich schien das Klimaschutzgesetz längst beschlossene Sache zu sein. Doch Wirtschaft und Gewerkschaften lobbyieren heftig gegen die Pläne der Landesregierung. Und plötzlich wackelt die FDP. 

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Selten hat die Ampel in Mainz so heftig gestritten und offen über Differenzen gesprochen. Als es vor gut einem halben Jahr um das neue Klimaschutzgesetz ging, schien das Bündnis zum ersten Mal in seiner Geschichte zu wackeln. Zustände wie in Berlin wollte und konnte die rheinland-pfälzische Ampel dann aber doch vermeiden. Es kam zum Kompromiss, der Ministerrat nickte ab. Sichtbar widerwillig stellten im Anschluss Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) die geplanten neuen Klimaregeln mit der Macherin, Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne), vor. Die Sache schien beschlossen zu sein. Bis jetzt.

Eigentlich war das Gesetz schon Schritt für Schritt gestutzt worden, bis am Ende nur noch wenig vom ursprünglichen Grünen-Entwurf übrig blieb. Eine große Zahl steht aber noch drin. Bis 2040 soll Rheinland-Pfalz klimaneutral werden - also schneller als der Bund und viele andere Länder.

Unternehmer und Gewerkschaften lobbyieren gemeinsam

In einer Woche soll nun der rheinland-pfälzische Landtag darüber entscheiden. Ob das Gesetz tatsächlich so wie von der Regierung geplant durchs Parlament geht, ist aber offen. Von außen kommt seit Monaten heftige Kritik an den Plänen der Ampel. Vor allem Wirtschaftsverbände in seltener Union mit den Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Klimaregeln. Ungewohnt scharf für rheinland-pfälzische Verhältnisse lobbyieren sie gegen das Gesetz. Von einer Gefährdung des Wirtschaftsstandortes ist da die Rede, von ausbleibenden Investitionen und von gefährdeten Arbeitsplätzen.

Daniela Schmitt (FDP), Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz, spricht beim Parteitag der FDP Rheinland-Pfalz. Die rheinland-pfälzische FDP steht vor einer entscheidenden Wahl. (zu dpa: «Schmitt will FDP-Landtagswahlliste anführen») +++ dpa-Bildfunk +++
Helmut Fricke. picture alliance/dpa

Hielte die Koalition zusammen, wäre der Protest nutzlos. Doch es scheint, als würde die FDP wackeln. Kurz vor der Landtagssitzung wollen die Liberalen noch mal über das Gesetz verhandeln. Auf die Frage, ob es bei der Klimaneutralität bis 2040 bleibt, wollte Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) im SWR-Sommerinterview jüngst nicht konkret antworten. „Wenn ein Koalitionspartner auf das Klimaschutzgesetz besteht, dann müssen wir reden, dann müssen wir verhandeln“, sagte sie. Idealerweise gebe es am Ende beides: einen attraktiven Wirtschaftsstandort und Klimaschutz.

Wie weit geht die FDP bei den Koalitionspartnern?

Die Unternehmer sehen das im aktuellen Gesetzesentwurf nicht. Das Gesetz schaffe Standortnachteile ohne Klimavorteile, sagt der Geschäftsführer der Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU), Karsten Tacke, unserer Zeitung. „Die Wirtschaftsministerin hat endlich die Tür für die dringend notwendige Überarbeitung des Gesetzes aufgemacht, jetzt muss die Koalition auch durchgehen.“ Doch wie weit geht die FDP bei den Koalitionspartnern? Versagt sie wirklich die Unterstützung?

Klar ist, dass die Liberalen und ihre Spitzenfrau Schmitt unter Druck stehen. In Berlin sind sie aus dem Parlament geflogen, in Rheinland-Pfalz droht ihr bei der Wahl in neun Monaten ein ähnliches Schicksal. Mit der Wirtschaft will man es sich da lieber nicht verscherzen. Schmitt ist allerdings nicht gerade bekannt für waghalsige Manöver. Und mit dem Thema Koalitionsbruch hat die FDP in der Berliner Ampel zuletzt keine besonders guten Erfahrungen gemacht. Die Fallhöhe für Schmitt ist nach der Ankündigung, nochmals verhandeln zu wollen, allerdings groß.

Auch für SPD und Grüne steht viel auf dem Spiel. Für Letztere ist das Klimaschutzgesetz das Prestigeprojekt der Wahlperiode. Eine weitere Entschärfung der Regeln kann sich Grünen-Spitzenkandidatin Eder vor der Landtagswahl nicht leisten. Im Klimaausschuss stellte sie deshalb kürzlich klar: Die Argumente von Wirtschaft und Gewerkschaften würden nicht greifen.

Es wird deshalb vor allem auf Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) ankommen. Schafft er es, Grüne und FDP zusammenzubringen? Der Pfälzer will 2026 erneut Landeschef werden, ist deshalb auf Ruhe in der Koalition angewiesen wie kein zweiter. Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Malu Dreyer hält sich sein Faible für Klimaschutz in Grenzen. Schweitzer macht auch keinen Hehl daraus, dass nur die Grünen dieses Gesetz haben wollen. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt.

Dem Werben der Wirtschaft hat er bislang trotzdem immer eine klare Absage erteilt - zum Wohle der Koalition. Das Klimaschutzgesetz stehe im Koalitionsvertrag und er stehe in der Verantwortung, die Regierung verlässlich zu führen, sagte er jüngst auf dem Unternehmertag. Schweitzer will Berliner Verhältnisse vermeiden. Die 2040-Zielsetzung bleibe, stellte er klar.

Kritik an Schweitzer: Koalitionsfriede wichtiger als Arbeitsplätze

Die Unternehmer attackieren deshalb jetzt auch den Regierungschef. „Wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften aus Sorge um Arbeitsplätze und den Standort zusammenschließen, muss das ein Weckruf sein“, sagt LVU-Geschäftsführer Tacke. „Dass der SPD der Burgfrieden mit den Grünen offenbar wichtiger ist als sichere Arbeitsplätze, hätte ich nicht erwartet.“

Man spreche derzeit miteinander, heißt es aus Koalitionskreisen. Am Montag kommt die Landesregierung auch zu einer Kabinettsklausur im Ahrtal zusammen. Womöglich wird dann auch über den Klimaschutz diskutiert. Für das Thema wäre es allemal ein passender Ort.

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